Zum Hauptinhalt springen
Blick über die Landschaft einer kleinen Kommune

Strukturschwache Kommunen müssen stärker von Fördermitteln profitieren können

Positionspapier,

Arbeitskreis II „Sozial-ökologischer Umbau und Haushalt“, Arbeitskreis III „“Wirtschaft und Finanzen“ - Beschluss vom 27. Oktober 2020

Verantwortlich: Kerstin Kassner, Sprecherin für Kommunalpolitik, und Stefan Liebich, Mitglied im Finanzausschuss

Es gibt ein scheinbar undurchdringliches Dickicht an Fördermöglichkeiten und Fördertöpfen für Kommunen. Obwohl EU, Bund und die Länder immer neue Förderprogramme auflegen, sind diese Programme Fluch und Segen zugleich für die Kommunen.

Segen, weil es unverzichtbar ist, dass Städte, Gemeinden und Landkreise finanziell unterstützt werden, um weiterhin notwendige Infrastruktur erhalten oder ausbauen zu können. Fluch, weil die Fördertöpfe zum Greifen nah erscheinen, man aber zu häufig nicht in den Genuss der finanziellen Förderung kommt. Ob bei der Schulsanierung, im Wohnungsbau, beim Breitbandausbau oder für den Dorfladen: Fördermittel werden sehr oft zögerlich oder gar nicht abgerufen. Doch woran liegt das?

Im August 2020 konstatierte das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung zusammen mit der Wüstenrot Stiftung in einer Studie: Insbesondere finanziell gut aufgestellte Kommunen profitieren überproportional von Förderprogrammen. Das heißt, Fördermittel fließen nicht zwingend dahin, wo sie am meisten gebraucht werden. Finanzschwächere Kommunen rufen weniger Fördermittel ab, bekommen mithin weniger vom Förderkuchen ab – das unterminiert das Ziel, ‚gleichwertige Lebensverhältnisse‘ im gesamten Bundesgebiet schaffen zu wollen.

Natürlich haben Geldgeber das berechtigte Anliegen, dass ihr Geld zielführend und sinnvoll investiert wird. Dennoch gibt es an einigen Stellen gewaltiges Verbesserungspotenzial im Sinne einer zielgerichteten Förderung von Kommunen, das ausgeschöpft werden muss, um den laut KfW-Kommunalpanel 2020 derzeit existierenden kommunalen Investitionsstau von rund 147 Milliarden Euro – Tendenz: Corona-bedingt steigend – zu lösen.

Daher soll im Folgenden dargestellt werden, was getan werden müsste, damit alle, insbesondere strukturschwache Kommunen von der reichhaltigen Förderlandschaft profitieren können:

 

1. Eigenanteile streichen

Gerade ärmere Kommunen können öffentliche Fördermittel nicht nutzen, weil sie nicht in der Lage sind, den erforderlichen Eigenanteil zur Finanzierung, oftmals 10 bis 20 Prozent (auf EU-Ebene bis 50 Prozent), zu stemmen. Kann der Eigenanteil auch als Sach- oder Personalleistung aufgebracht werden, gestaltet sich die Abrechnung unter Umständen enorm kompliziert. Bundesländer nehmen ihren Kommunen bisweilen ein Stück des Eigenanteils ab (über Kofinanzierungshilfen oder Kommunalfonds), doch stark verschuldete Kommunen (z.B. Gemeinden in Haushaltssicherung) können nichtsdestotrotz in der Regel keinen Eigenanteil hinzuschießen. Des Weiteren ist die Übernahme des Eigenanteils durch die Länder in manchen Bundesförderprogrammen explizit ausgeschlossen.

Der Eigenanteil wirkt folglich immer öfter als Ausschlusskriterium und sollte deswegen gerade für strukturschwache Kommunen in Gänze wegfallen. Stattdessen könnte die Kommune z.B. nachweisen müssen, dass sie Geld für eine bestimmte Investition wirklich benötigt, was im Zweifel vor Ort überprüfbar wäre.

 

2. Verwaltungsaufwand verringern, Programme zusammenlegen

Viele Förderprogramme von EU, Bund und Ländern überschneiden sich inhaltlich. Die Förderanträge bzw. -richtlinien sind oft sehr komplex und wenn überhaupt nur für Spezialist*innen verständlich. Es sind schon im Vorfeld sehr exakte Angaben erforderlich (Planungsvorlauf von Investitionen). Nachträgliche Änderungen dieser Angaben sorgen für Zeitverzögerung. Der personelle und finanzielle Aufwand einer Antragsstellung steht bisweilen in keinem Verhältnis zum Nutzen. Da es häufig mehrstufige Bewerbungsprozesse gibt, kann es zu unberechenbar langen Wartezeiten auf eine Förderzusage kommen. Ist diese dann da, wird in der Regel eine lange Wartezeit bis zur Auszahlung der Förderung beklagt. Dies liegt auch daran, dass die Mittel oftmals erst nach Rechnungstellung ausgegeben werden. Daher müssen die Verfahren verschlankt werden. Förderprogramme von Bund und Ländern mit ähnlichen Zielen sollten inhaltlich gestrafft und zusammengelegt werden. Ziel muss eine weniger zersplitterte, punktgenauere Förderprogrammlandschaft sein.

 

3. Mehr Gestaltungsspielräume für Kommunen

Gibt der Bund ein Förderprogramm zur Durchführung an die Länder weiter, müssen diese erst einmal eigene Verwaltungsverfahren zu den Förderkriterien beschließen, was von Land zu Land unterschiedlich lange dauert, was dann zu Verzögerungen beim Mittelabruf führen kann. Gleichsam problematisch ist, dass die Förderzeiträume bisweilen zu kurz gewählt werden. Infolgedessen sollten die Förderzeiträume angepasst werden.

Bund und Länder sorgen darüber hinaus dafür, dass manche Investitionsförderungen sehr eng an einen bestimmten Zweck gebunden sind. Hinzu kommt, dass viele Förderprogramme nicht oder zu wenig auf Erhalt bestehender Infrastruktur ausgerichtet sind. Kommunen beklagen infolgedessen zu viel Einfluss von Bund und Ländern und dementsprechend ein zu enges Förderkorsett. Halten Kommunen die teils strengen Auflagen nicht ein (auch ohne eigenes Verschulden, wenn es z.B. für bauliche Maßnahmen nicht genügend einholbare Angebote oder nur welche zu Mondpreisen gibt – auch deswegen: Ausweitung der Förderzeiträume notwendig), drohen Kürzungen oder gar ein kompletter Ausfall der Kostenübernahme.

Daher ist es wichtig, dass Schritt um Schritt die Förderbedingungen des Bundes und des jeweiligen Landes vereinheitlicht werden und zugleich die Gelder vielfältiger als bisher einsetzbar sind. Dazu gehört ebenfalls, dass die Kombination mehrerer Förderungen erleichtert wird. Insgesamt sind Investitionspauschalen für Kommunen sowie Regionalbudgets notwendig, damit auf kommunale Spezifika im Rahmen der Investitionstätigkeit angemessen reagiert werden kann.

 

4. Mehr Geld für Personal und Weiterbildung

Die jeweiligen Antragsverfahren sind meist zeit- und personalintensiv. Allzu oft fehlt sowohl in den Kommunen qualifiziertes Personal als auch in den Ämtern, die für die Weiterbearbeitung zuständig sind. Wer keine erfahrenen Förderprofis in seiner Verwaltung hat, droht im Wettbewerb um die finanziellen Mittel unterzugehen. Deshalb müssen Finanzmittel bereitgestellt werden, um für einen ausreichenden, qualifizierten Personalstamm zu sorgen. Ferner sind für bestehendes Personal Spezialisierungen und Weiterbildungen (z.B. im Projektmanagement) nötig.

 

5. Informationsplattform und Länder-Beratungsstellen einrichten

Um überhaupt den Durchblick im Förderdickicht zu behalten, ist die Einrichtung einer zentralen Online-Informationsplattform notwendig, die alle Fördermöglichkeiten nach EU, Bund und Ländern gegliedert übersichtlich aufführt, umfangreiche Informationen zu den Programmen liefert, eine Online-Antragstellung ermöglicht etc. Begleitend sollte es in jedem Bundesland eine Behörde bzw. einen „Förderprogrammbeauftragte/n“ geben, die diese Plattform regelmäßig speist und als beratende/r Ansprechpartner*in für Kommunen zur Verfügung steht.

Die besorgniserregende finanzielle Situation vieler strukturschwacher Kommunen können selbst gute, zielgenaue Förderprogramme nicht beseitigen. Doch sie können einen Teil dazu beitragen, dass diese Kommunen in die Lage versetzt werden, mehr als ihre Pflichtaufgaben zu leisten. Dazu muss allerdings die Zweiklassengesellschaft im Förderwesen aufgehoben werden und alle Kommunen leichteren Zugang zu Förderungen erhalten.