Beschluss der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag vom 10./11. Januar 2013
Die Bundestagsfraktion DIE LINKE will in einen umfassenden Dialog mit Selbständigen, Freiberuflerinnen und Freiberuflern treten, um die nachfolgenden Grundsätze und weiteren Fragen mit ihnen gemeinsam zu diskutieren und einer Entscheidung zuzuführen.
- Sozialer Schutz und Solidarität
Alle Menschen bedürfen des Schutzes vor den sozialen Risiken. Nur öffentliche und umfassende Sozialversicherungen können soziale Sicherheit garantieren – nicht Banken oder Versicherungskonzerne. Nur öffentliche Sozialversicherungen können sozialen Ausgleich organisieren. Solidarität bedeutet: gute Leistungen für Alle und Finanzierung nach der Leistungsfähigkeit.
Auch viele Selbstständige, Freiberuflerinnen und Freiberufler sind schutzbedürftig. Sie dürfen nicht außerhalb der Solidargemeinschaft stehen. Die Einbindung von Selbstständigen, Freiberuflerinnen und Freuberufler eröffnet ihnen den Zugang zu den Leistungen der Sozialversicherungen, organisiert Solidarität zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und stärkt die finanzielle Basis der Sozialversicherungen.
Die Künstlersozialkasse (KSK) hat sich grundsätzlich bewährt und ist auf jeden Fall aufrecht zu erhalten.
2. Solidarische Rentenversicherung
Alle Selbstständigen werden in die gesetzliche Solidarische Rentenversicherung einbezogen. Selbstständige bekommen damit Zugang zu dem Leistungspaket der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) – von der Alters-, Hinterbliebenen- und Erwerbsminderungsabsicherung bis zu Reha-Leistungen. In einem ersten Schritt werden alle bislang nicht obligatorisch versicherten Selbstständigen in die Gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen.
Solidarische Rentenversicherung bedeutet zunächst die zeitnahe Orientierung der Beiträge an dem tatsächlichen Einkommen – statt teurer Pauschalen. Selbstständige mit geringem Einkommen zahlen zudem bei vollen Leistungsansprüchen nur 50% des Beitragssatzes. Mit steigendem Einkommen erhöht sich der Beitragssatz linear bis hin zur vollständigen Selbstzahlung der Beiträge.
Die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) erhält vom Bund zum Ausgleich für nicht vollständig bezahlte Beiträge einen entsprechenden Zuschuss. Zur Refinanzierung dieses Steuerzuschusses wird beim Öffentlichen Dienst, bei Unternehmen und Organisationen, die als Auftraggeberinnen und Auftraggeber agieren, eine abzuführende Sonderabgabe auf die Honorare erhoben.
3. Kranken-/Pflegeversicherung
Eine solidarische Neuorganisation der Gesundheits- und Pflegepolitik ist möglich durch die Einführung einer solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung. Jeder in Deutschland lebende Mensch wird in einer gesetzlichen Kasse versichert. Alle entrichten den gleichen Prozentsatz ihres gesamten Einkommens für die Gesundheits- und Pflegeversorgung Die Private Krankenversicherung als Vollversicherung wird abgeschafft. Selbstständige erlangen Zugang zu einer umfassenden und solidarischen Gesundheitsversorgung für alle und einer Pflege, die sich am Bedarf orientiert.
Durch die Einbeziehung aller Bürgerinnen und Bürger und aller Einkommensarten reduziert sich der zu leistende Beitragssatz nach Modellrechnungen von 15,5% auf 10,5%. Ein Mindestbeitrag für Selbstständige entfällt, die Beiträge werden zeitnah nach dem tatsächlichen Einkommen entrichtet. Menschen ohne Einkommen werden beitragsfrei versichert. Kurzfristig fordern wir, Selbstständige mit geringen Einkommen durch die deutliche Reduzierung der Mindestbeiträge zu entlasten.
4. Erwerbslosigkeit und Hilfebedürftigkeit
Selbstständige müssen auch gegen Erwerbslosigkeit abgesichert werden. Alle Personen, die eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen, werden in der Arbeitslosenversicherung pflichtversichert. Für langjährig Selbstständige wird die Mitgliedschaft auf Antrag eröffnet. Die Beitragsregeln – insbesondere die Beitragshöhe - und die Leistungsansprüche sollen sich zunächst an den Regeln der aktuellen Mitgliedschaft, die auf Antrag erfolgt, orientieren.
Die Überwindung von Hartz IV durch eine bedarfsdeckende, sanktionsfreie Mindestsicherung kommt auch den selbstständigen Leistungsberechtigten im SGB II zugute. Das menschenwürdige Existenzminimum wird garantiert. Die Geltung des regulären Steuerrechts zur Ermittlung des anzurechnenden Einkommens muss wieder hergestellt werden. Ein Verweis auf eine andere Beschäftigung mit Sanktionsandrohungen ist nicht mehr möglich.
5. Arbeitsmarktpolitische Regulierung – gegen Scheinselbstständigkeit und Outsourcing
Unternehmen können sich durch die Ersetzung von abhängiger durch (schein-)selbstständige Arbeit ihrer arbeitsrechtlichen und sozialpolitischen Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entziehen. Die Abwälzung der unternehmerischen und vor allem auch sozialen Risiken und der Kosten auf die betroffenen Personen ist nicht zu akzeptieren. Aus diesem Grund ist die missbräuchliche Nutzung von Werkverträgen sowie von Scheinselbstständigkeit konsequent zu verfolgen und zu verhindern.
6. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) soll bei vorübergehenden
Liquiditätsschwierigkeiten wegen nicht bezahlter Rechnungen Selbständigen, Freiberuflerinnen und Freiberuflern kurzfristig und zinsgünstig Kredite gewähren.