Gemeinsame Erklärung kommunaler Amts- und Mandatsträgerinnen und –träger der LINKEN und der Abgeordneten des Arbeitskreises Infrastruktur und Haushalt der Fraktion DIE LINKE Bundestag
Die Finanzlage der Städte, Gemeinden und Landkreise ist vielerorts trotz der derzeit günstigen konjunkturellen Entwicklung immer noch alarmierend. Das Finanzierungsdefizit des Jahres 2011 in Höhe von knapp 3 Milliarden Euro macht die mangelhafte finanzielle Ausstattung der Kommunen besonders deutlich. Bei den Kassenkrediten, die eigentlich nur kurzfristige Liquiditätsengpässe der Kommunen ausgleichen sollen, ist die Tendenz seit Jahren steigend. Im letzten Jahr wurde hier mit über 44 Milliarden Euro ein neuer Rekord erreicht. Die starke regionale Konzentration von Kassenkrediten zeigt zudem, dass die Schere zwischen armen und reichen Kommunen immer weiter auseinander geht. Die Ursachen für die finanzielle Misere in den Kommunen liegen größtenteils bei der Politik auf Bundesebene. Die Kommunen müssen immer mehr und umfangreichere Aufgaben ohne eine gesicherte Finanzierung schultern. Insbesondere im sozialen Bereich müssen die Kommunen eine Reihe von Aufgaben wahrnehmen, ohne dass sich der Bund in angemessener Weise an den Kosten beteiligt. Gleichzeitig haben die Steuerrechtsänderungen der letzten Jahre zu Einnahmeverlusten der Kommunen geführt.
Schwindende finanzielle Spielräume zerstören die Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung. Diese kann allenfalls noch in Teilen wahrgenommen werden oder droht einer Verwaltung des Mangels zu weichen. Die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen muss überwunden werden, damit auch für die Bürgerinnen und Bürger in den Städten, Gemeinden und Landkreisen wieder die Möglichkeit geschaffen wird, das unmittelbare Lebensumfeld politisch zu gestalten.
Eine andere Steuerpolitik ist nötig, damit die Kommunen ihre Handlungsfähigkeit zurück erlangen. Neben der Stärkung und Verstetigung der eigenen Steuereinnahmen müssen die Kommunen stärker am Gesamtsteueraufkommen beteiligt werden. Voraussetzung hierfür ist eine gerechte Steuerreform, die die finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates insgesamt stärkt.
Die wichtigste eigene Einnahmequelle der Kommunen, die Gewerbesteuer, muss zu einer Gemeindewirtschaftssteuer weiterentwickelt und verstetigt werden, bei der alle unternehmerisch Tätigen einbezogen werden und eine verbreiterte Bemessungsgrundlage angewendet wird. Gleichzeitig muss die derzeit existierende Gewerbesteuerumlage an den Bund sofort und an die Länder schrittweise abgeschafft werden.
Neben steuerpolitischen Maßnahmen bedarf es einer erheblichen Stärkung der Kommunen im bundesstaatlichen Gefüge des Grundgesetzes. Diese umfasst die Schaffung verbindlicher Mitwirkungsrechte der Kommunen bei solchen Gesetzesvorhaben, die Auswirkungen auf die Kommunen haben. Nur wenn die praktischen Erfahrungen und der Sachverstand der kommunalen Ebene frühzeitig in den Gesetzgebungsprozess einbezogen werden, kann sichergestellt werden, dass die Gesetze für die Kommunen weniger belastend und qualitativ besser werden.
Hinsichtlich der Übertragung und Erweiterung von kommunalen Aufgaben durch den Bund muss auch hier der Grundsatz: „Wer bestellt, bezahlt“ gelten und ein striktes Konnexitätsprinzip zugunsten der Kommunen im Grundgesetz verankert werden. Außerdem muss bei den Aufgaben, die den Kommunen vor Inkrafttreten der Föderalismusreform I übertragen wurden, eine verfassungskonforme Lösung für eine stärkere Bundesbeteiligung gefunden werden.
Hochverschuldete Kommunen, die ihre Situation nicht mehr aus eigener Kraft bewältigen können, müssen entschuldet werden. Ebenso wie die Länder muss der Bund hierfür in die Verantwortung genommen werden. Etwaige Lösungsansätze in diesem Bereich müssen aber dem Umstand Rechnung tragen, dass die Kommunen nicht durch eigenes Verschulden in diese Lage gekommen sind und dürfen keinen strafenden Charakter, etwa durch erdrückende Konsolidierungsauflagen, haben. DIE LINKE fordert zur Stärkung der Kommunalfinanzen:
- Der Bund muss sich in angemessener Weise an der Finanzierung gesamtstaatlicher Aufgaben beteiligen. Dies gilt insbesondere für den Ausbau der Kindertagesbetreuung, die Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderung und die Hilfen zur Erziehung für Kinder und Jugendliche.
- Die Gewerbesteuer ist zu einer Gemeindewirtschaftssteuer weiter zu entwickeln. Alle unternehmerisch Tätigen sind einzubeziehen, wobei ein erhöhter Freibetrag von 30.000 Euro gilt. Gleichzeitig ist die Bemessungsgrundlage zu verbreitern und die Gewerbesteuerumlage an den Bund sofort und an die Länder schrittweise abzuschaffen.
- Die Kommunen müssen ein verbindliches und einklagbares Mitwirkungsrecht im Gesetzgebungsverfahren des Bundes erhalten.
- Zugunsten der Kommunen muss ein striktes Konnexitätsprinzip im Grundgesetz verankert werden. Es muss eine verfassungskonforme Lösung für eine stärkere finanzielle Beteiligung des Bundes an Aufgaben, die vor Inkrafttreten der Föderalismusreform I durch den Bund auf die Kommunen übertragen wurden, gefunden werden.
- Hoch verschuldete Kommunen müssen hinsichtlich der Schulden, die sie nicht zu verantworten haben, entschuldet werden.
- Der Bund muss ein Konjunkturprogramm III auflegen, um weitere notwendige Investitionen in die kommunale Infrastruktur zu ermöglichen.