Eine Koalition des Stillstandes und der Verwaltung,
die die soziale Spaltung im Land vertieft und
die großen Probleme auf europäischer Ebene nicht anpackt
(Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD)
-18. Legislaturperiode-
Was lange währt, wird eben nicht immer gut. Die längsten Koalitionsverhandlungen in der Geschichte der Bundesrepublik mit dem wahrscheinlich längsten Finale haben ein erbärmliches Ergebnis gebracht: eine Koalition, die die soziale Spaltung im Land vertieft und lobbyhörig ist. Die Koalition von CDU/CSU und SPD ist nicht nur von dem Politikwechsel, den die SPD im Wahlkampf versprochen hat, himmelweit entfernt, sondern sie setzt in weiten Teilen die Politik von Schwarz-Gelb fort, weil viele Themenbereiche gar nicht angefasst wurden, z.B. in der Steuerpolitik und in der Finanz-marktregulierung. Dort, wo es leichte Kursänderungen gibt, sind diese nicht weitgehend und konsequent genug. Schwerwiegende Abschläge betreffen den Osten. Dies ist eine Große Koalition, die ganz kleines Karo bringt und in wichtigen gesellschaftlichen Fragen nichts anderes als Stillstand produziert.
Mehr Gerechtigkeit wird die entworfene Politik nicht bringen. Anders als im Wahlkampf verkündet, lässt die SPD die Chance verstreichen, einen Einstieg in die Umverteilung von oben nach unten zu finden. Im Koalitionsvertrag finden sich weder höhere Belastungen für die Reichsten im Lande, noch Entlastungen für die Mehrheit oder Zuwächse für jene, die auf soziale Leistungen angewiesen sind. Steuergerechtigkeit? Fehlanzeige. Auch nennenswerte Zuwächse bei den Löhnen wird es mit dieser Politik nicht geben. Dabei wäre mehr Brutto das Beste für ein höheres Netto und gute Sozialleistungen. Stabilisierung des Rentenniveaus, höhere Leistungen für Erwerbslose, Kinder und Jugendliche, merkbare Investitionen in Bildung und Infrastruktur sind ebenso markante Leerstellen dieses Koalitionsvertrages.
Nahezu jedem positiven Ansatz folgt der Pferdefuß. Ja, es wird einen Mindestlohn geben, aber gestreckt auf einige Jahre und mit Einfallstor für die Ausnahme weiterer Bereiche. Ja, es kommt die Mütterrente, aber finanzieren müssen sie allein die Beitragszahlerinnen und -zahler. Ja, es wird höhere Renten für Geringverdiener geben, die lange eingezahlt haben („solidarische Lebensleistungsrente“).
Aber die Zugangsbedingungen sind für viele faktisch unerreichbar, Ost-West-Unterschiede werden fortgeschrieben und private Altersvorsorge faktisch zur Pflicht gemacht. Viele sinnvolle Wahlversprechen finden sich nicht wieder, etwa die Bürgerversicherung, eine wirksame Mietpreisbremse, der Abbau der Kalten Progression oder die Senkung der Stromsteuer und eine staatliche Strompreisaufsicht. Kein Wort findet sich im Vertrag zu Volksentscheiden auf Bundesebene oder einem alsbaldigen Ende des Kooperationsverbotes in der Bildung. Anderes, so die längst versprochene Ost-West-Rentenangleichung, wird auf die lange Bank geschoben
Zu einzelnen Passagen des Koalitionsvertrages:
Arbeit und Soziales
Arbeitsmarkt
Dass es einen flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn geben soll, ist auch ein Erfolg der LINKEN. Mit dem Mindestlohn entsteht ein Anknüpfungspunkt für weitergehende Forderungen und Kritiken. Aber die konkrete Vereinbarung liefert ein nicht mehr so rosiges Bild. Die SPD ist beim Mindestlohn eingeknickt.
Zwar soll am 1.1.2015 ein Mindestlohn eingeführt werden - gerade Niedriglöhne in tarifgebundenen Branchen werden aber zunächst ausgenommen. Die widersprüchlichen Formulierungen im Koalitionsvertrag legen aber die Vermutung nahe, dass es selbst ab dem 1.1.2017 noch Ausnahmen geben wird. Der Mindestlohn der großen Koalition wird damit kein „echter“ Mindestlohn sein. Da der Mindestlohn erst 2018 erstmals erhöht werden kann, wird seine Kaufkraft bis dahin durch steigende Lebenshaltungskosten gemindert. Er wird dann nicht mehr existenzsichernd sein. Aufstockerei trotz Vollzeitjob wird es weiter geben. Außerdem reichen die 8,50 Euro schon heute nicht aus, um nach jahrzehntelanger Beschäftigung Armutsrenten zu verhindern.
Auch die geplanten Regulierungen bei Leiharbeit werden weitgehend wirkungslos bleiben. Die Verleihdauer soll zwar auf 18 Monate begrenzt werden und nach 9 Monaten soll „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gelten. Aber die Hälfte der LeiharbeiterInnen ist nur für drei Monate beschäftigt, kaum jemand über 6 Monate. Die Spaltung der Belegschaften in Stammbelegschaften und Prekäre wird also fortgesetzt werden.
Weiterhin möglich bleiben sachgrundlose Befristungen und Lohndumping durch Werkverträge. Betriebs- und Personalräte sollen zwar Informations- und Unterrichtungsrechte, aber keine echten Mitbestimmungsrechte bekommen. Das sind schlechte Aussichten für Lohnwachstum und gute Arbeit. Durchgesetzt haben sich hier die Konservativen.
Mit der Wiederherstellung der Tarifeinheit wird das Grundrecht zur Koalitionsfreiheit eingeschränkt.
Hartz IV
Im Koalitionsvertrag findet man nichts zur Anhebung der Regelsätze und zur Lockerung der Sanktionsschraube. Lediglich bei den Sanktionssonderregelungen für Unter-25-Jährige wird eine „Überprüfung“ angekündigt, ohne freilich Näheres auszuführen.
Auch geprüft und ggf. umgesetzt werden sollen die Vorschläge der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Vereinfachung des SGB II-Leistungsrechts. Dahinter steckt ein Wunschkatalog, der eine Reihe neuer leistungsrechtlicher Verschärfungen und Schikanen für Hartz IV-Beziehende in Aussicht stellt.
In der Arbeitsförderung werden zwar verschiedene Programme angekündigt, aber sie werden substanzlos bleiben, wenn der finanzielle Kahlschlag in der Arbeitsförderung nicht rückgängig gemacht wird.
Rente
Immerhin hat die Koalition anerkannt, dass es Altersarmut als zu lösendes Problem gibt. Das ist auch mit unser Erfolg. Daran können außerdem weitergehende Forderungen, Kritiken und Reformvorhaben anknüpfen. Die im Koalitionsvertrag unter dem Titel „Für soziale Sicherheit im Alter“ dargestellten Schritte gehen aber an den Kernproblemen vorbei, sind unsystematisch und teilweise sogar systemwidrig. Das Rentenniveau wollen Union und SPD weiter sinken lassen. Statt die gesetzliche Rente zu stärken, setzen Union und SPD weiter auf die kapitalgedeckte Vorsorge und wollen die private und die betriebliche Vorsorge stärken. Das ist eine neue Runde der Alterssicherungspolitik im Interesse der Banken und Versicherungen.
Die Rente erst ab 67 bleibt unangetastet. Zwar sollen Versicherte mit 45 Beitragsjahren ab 63 abschlagsfrei in Rente gehen dürfen. Die Grenze wird aber parallel zur Erhöhung des allgemeinen Rentenalters auf 65 Jahre angehoben. Die überwiegende Mehrheit kommt aber gar nicht auf so viele Beitragsjahre. Für sie bleibt es beim Rentenkürzungsprogramm „Rente erst ab 67“.
Statt die überfällige und von der schwarz-gelben Koalition erst versprochene und dann abgesagte Angleichung der Ost-Renten umgehend auf die Tagesordnung zu setzen, soll erst 2016 geprüft werden, ob ab 2017 eine Teilangleichung notwendig ist, um 2020 gleiche Rentenwerte zu erreichen.
Die solidarische Lebensleistungsrente, mit der zu geringe Rentenansprüche nach 40 Beitragsjahren und nach Vorliegen privater Altersvorsorge auf 30 Entgeltpunkte aufgestockt werden sollen, hat so hohe Hürden, dass nur wenige Versicherte, die von Altersarmut bedroht sind, sie erreichen werden. Da Entgeltpunkte bekanntlich in West und Ost unterschiedlich hoch sind, gibt es eine geringere Ost- als Westrente. Netto liegt das kaum über dem Grundsicherungsniveau.
Die bessere Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der Rente (sog. Mütterrente) greift zu kurz – für vor 1992 geborene Kinder wird ein Entgeltpunkt weniger anerkannt – und soll systemwidrig aus Beitragsmitteln finanziert werden. Das ist verteilungspolitisch ungerecht, denn den Beitragszahlenden werden die Kosten allein aufgebürdet. Zudem werden die vorhandenen Reserven der Rentenversicherung, die für die Stabilisierung des Rentenniveaus gebraucht werden, verbraucht.
Die geplanten Verbesserungen bei den Erwerbsminderungsrenten und beim Reha-Budget greifen deutlich zu kurz. Zwar sollen die Zurechnungszeiten in einem Schritt um zwei Jahre angehoben werden. Die ungerechten und systemwidrigen Abschläge auf vorzeitig in Anspruch genommene Erwerbsminderungsrenten bleiben aber bestehen. Der Reha-Deckel wird nur leicht gelüftet, statt ihn abzuschaffen und das Reha-Budget konsequent am Bedarf zu orientieren.
Gesundheit und Pflege
Die Gewinner bei dieser Koalitionsvereinbarung heißen Arbeitgeber, Ärzte, Pharmaindustrie und insbesondere die privaten Krankenkassen. Zu den Verlierern gehören die gesetzlich Versicherten, die Patientinnen und Patienten und die Pflegebedürftigen.
Die SPD hat die BürgerInnenversicherung aufgegeben, sie wollte alle Einkommen an den steigenden Kosten beteiligen. Nun sollen die steigenden Kosten nur auf die gesetzlich Versicherten, im Wesentlichen also die ArbeitnehmerInnen, abgewälzt werden. Der allgemeine Krankenkassenbeitrag wird gesenkt, der Sonderbeitrag der ArbeitnehmerInnen umgewandelt in einen einkommensabhängigen Zusatzbeitrag. Der Arbeitgeberanteil an der Krankenversicherung bleibt bei 7,3 Prozent eingefroren. Die steigenden Kosten müssen von den Versicherten über einkommensabhängige Zusatzbeiträge getragen werden. Diese sind nach oben nicht gedeckelt und sehen keinen aus Steuermitteln finanzierten Sozialausgleich zwischen den Kassen mehr vor. Auf die Versicherten kommen damit hohe Zusatzbelastungen zu. Der Wettbewerb der Kassen um die Jungen und Gesunden wird angeheizt zugunsten der PKV.
Die dramatisch zugespitze Krise der Krankenhausfinanzierung wird nicht angegangen. Es bleibt bei den Fallpauschalen und beim ruinösen Wettbewerb. Verbesserungen in der Krankenhausqualität werden nur unverbindlich thematisiert. Auch die Beschäftigen bleiben im Regen stehen. Die SPD hat sich von der Forderung einer Mindestpersonalbemessung und von höheren Löhnen verabschiedet.
Bei der Pflegeversicherung und ihrer Finanzierung gibt es nur kurzfristige Verbesserungen als Tropfen auf den heißen Stein. Ein modernes Pflegeverständnis wird zwar suggeriert, es verbleibt dann aber im Nebel der Ankündigungen und wird wohl erst in der nächsten Legislatur kommen. Der Pflegeversicherungsbeitrag soll bis 2015 um 0,3 Prozentpunkte, danach um weitere 0,2 Prozentpunkte ansteigen, die private Pflegezusatzversicherung („Pflege-Bahr“) soll bleiben, und von der Anhebung der Pflegeversicherungsbeiträge soll ein Drittel, also 1 Mrd. Euro, in einen kapitalgedeckten Pflegevorsorgefonds fließen, also nicht in die aktuelle Versorgung. Der Pflegenotstand für Pflegebedürftige und Demenzkranke, Pflegepersonal und Angehörige wird nicht angegangen. Dafür setzen die Koalitionäre auf das Ehrenamt als Lückenbüßer.
Eurokrise
Die SPD hatte sich bereits in der Opposition an die Eurokrisenpolitik von Bundeskanzlerin Merkel angebiedert. Erwartungsgemäß wird daher in der großen Koalition der verhängnisvolle Kurs in der Eurokrise ohne Abstriche fortgeführt. Das gilt für die Bankenrettungspolitik und das Kürzungsdiktat für die Krisenländer genauso wie für die einseitige wirtschaftspolitische Orientierung auf den Export. Der Teufelskreis aus wachsenden Staatsschulden, Kürzungen, schlechter Wirtschaftsentwicklung und steigender Staatsschuldenquote bleibt damit unangetastet.
Bankenrettung: Der Bankenunion wird prinzipiell zugestimmt. Durch den vorliegenden Entwurf der EU-Kommission würde mit der Bankenunion die geltende Praxis der Bankenrettung zu Lasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler institutionalisiert werden. Zum einen deshalb, weil die Haftung der Eigentümer und Gläubiger zu viele Ausnahmen enthält und zum anderen weil der angestrebte europäische Bankenrettungsfond kein ausreichendes Volumen hat. Der Koalitionsvertrag stimmt, vor dem Hintergrund dieser verqueren Logik sogar folgerichtig, einer direkten Rekapitalisierung der Banken mit Geldern aus dem ESM-Rettungsschirm zu. Das Resultat ist eindeutig: Nach dem Willen der Großen Koalition haften damit öffentliche Gelder weiter für Zombiebanken.
Kürzungsdiktate: Die zu hohen Staatsschuldenquoten der Euroländer sollen durch eine fortgesetzte Politik des diktierten sozialen Kahlschlags zurückgeführt werden. Die dazu bereits entwickelten Zwangsinstrumente für die nationalen Haushalte, wie der Fiskalpakt und die Überwachung der nationalen Haushalte durch den sogenannten Two-Pack, sollen durch verbindliche Verträge zwischen den Eurostaaten und der EU-Ebene noch einmal verschärft werden. Eine sinkende bis schwache wirtschaftliche Entwicklung wird durch die mit den Sparpaketen einhergehende Strangulierung der Binnenwirtschaft so festgeschrieben.
Vergrößerung der Ungleichgewichte: Obwohl die Eurozone insgesamt bereits jetzt bedeutende Überschüsse im Außenhandel mit dem Rest der Welt erzielt, werden im Vertragstext mehrmals und als herausragende Ziele für Europa eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit und sogenannte Strukturreformen gefordert. Das bedeutet nichts anderes als die anhaltende Übertragung der Agenda-2010 made in Germany auf die gesamte Eurozone, um so andere Länder außerhalb der Eurozone nieder zu konkurrieren.
Wirtschaft und Finanzen
Haushaltspolitisch soll die Schuldenbremse „strikt“ eingehalten werden, d.h. ab 2015 soll es keine Neuverschuldung mehr geben. Gleichwohl wird auf Einsparung bei Rüstungsprojekten, Auslandseinsätzen und Geheimdiensten verzichtet.
Im Koalitionsvertrag ist die Rede von „prioritären“ Maßnahmen, , die keinem Finanzierungsvorbehalt unterliegen. Ihr Volumen beträgt 23 Mrd. Euro. Dabei rechnet die Koalition mit einem dauerhaften wirtschaftlichen Aufschwung, der zu steigenden Steuereinnahmen führt. Die Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik (Exportlastigkeit), die ungebrochene Bankenmacht sowie der Verzicht auf Steuererhöhungen zu Lasten der Reichen lassen das jedoch unrealistisch erscheinen. Selbst wenn man von den ausgeblendeten Risiken absieht, bleibt angesichts der vorgesehenen Mehrausgaben bis 2017 eine Finanzierungslücke von 8 Mrd. Euro.
Wirtschaftspolitisch wird im Koalitionsvertrag kein Kurswechsel in Aussicht gestellt. Die volkswirtschaftlichen Vorstellungen der Koalition sind durch ein konservativ-liberales Übergewicht gekennzeichnet.
Weiterhin wird auf Internationalisierung und Export gesetzt. Für Beschäftigte wie auch für die meisten kleinen und mittleren Unternehmen ist das ein Irrweg. Denn in Deutschland ist seit 1999 ein Investitionsstau angewachsen (40% BIP, DIW 2013). Das „Planziel“ des Koalitionsvertrags, die Gesamtinvestitionsquote über den OECD-Durchschnitt anzuheben (3% BIP für Forschung und Entwicklung), ist zwar richtig, offen jedoch bleibt, wie das mit einer weiteren Privilegierung der Exportsektoren verträglich sein soll. Mittelfristig lebt dieses Wirtschaftsmodell auf Kosten der Substanz.
Steuerpolitisch ist ein klarer Punktsieg der Union zu vermelden. Die SPD musste sämtliche Forderungen zu Steuererhöhungen (Anhebung Spitzensteuersatz Einkommensteuer, Wiederhebung Vermögensteuer, Umsatzsteuererhöhung für die Hotellerie) wieder einkassieren. Im Gegenzug kann es auch nicht zu Steuersenkungen (Abbau der Kalten Progression) kommen.
Bei der Unternehmensbesteuerung ist die SPD mit ihrem geforderten Milliarden-Abbau von Steuervergünstigungen vollständig gescheitert. Gleiches gilt für die von ihr geforderte Beschränkung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von exorbitant hohen Managergehältern sowie bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und –vermeidung (z.B. Verschärfung der strafbefreienden Selbstanzeige, verschärfte Strafen für Banken, erneuerte schwarze Listen). Hier knüpft die Koalition lediglich an die derzeit international laufenden Initiativen an.
Finanzmarktpolitisch bleibt es bei unverbindlichen Allgemeinplätzen. Als Impulsgeber bei der längst überfälligen Finanzmarktregulierung versteht sich die Große Koalition offenbar nicht.
Im Gegenteil: Sie knickt vor der Bankenlobby ein. Im Koalitionsvertrag fehlen sowohl konkrete Maßnahmen zur strikten Regulierung der Finanzbranche, damit ihre schädliche Zockerei und kriminelle Machenschaften wie die Manipulation der Libor-Zinssätze, effektiv unterbunden werden können. Ebenso fehlt auch die vollmundig von der SPD vor der Wahl versprochene Deckelung der Dispozinsen.
Eine umverteilungspolitisch relevante Nebenwirkung der Eurokrise zeigt sich bei den Versicherungen/Lebensversicherungen. Schwarz-Rot will Lösungsvorschläge zum „Umgang mit den Folgen eines lang anhaltenden Niedrigzinsumfeld erarbeiten, generationengerecht und im Interesse der Versichertengemeinschaft“. Das führt – im Klartext – zu Einbußen bei den Erträgen und unkalkulierbaren Versorgungslücken bei der privaten Altersvorsorge und kratzt erheblich an der Glaubwürdigkeit des propagierten „3-Säulen-Modells“.
Die öffentlichen Finanzen sind eine Dauerbaustelle. Die Bundesregierung will zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen eine Kommission einrichten. Der Status der Kommission kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Es bleibt die Frage offen, ob es eine analoge Struktur zu den Föderalismuskommissionen I und II geben wird. Auf der Agenda der Kommission, die v.a. den Länderfinanzausgleich ins Zentrum stellt, sind wichtige föderalismuspolitische Forderungen der SPD, wie die Streichung des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich und ein Altschuldenfonds, nicht mehr enthalten. Gescheitert ist die SPD an sich selbst, da die beiden SPD-Ministerpräsidenten Hannelore Kraft und Olaf Scholz in den Koalitionsverhandlungen gegen ihr eigenes Wahlprogramm votiert haben. Stattdessen soll nun auch noch über den Solidaritätszuschlag verhandelt werden.
Struktur- und Regionalpolitik
Die haushalts- und steuerpolitischen Weichenstellungen verhindern die Lösung wichtiger sozialer Probleme (Wohnen und Mieten) sowie eine soziale und ökologische Modernisierung.
Bei der zum Teil rasanten Entwicklung von Mieten sind reale Verbesserungen nicht auszumachen. Den Begriff „Mietpreisbremse“ findet man im Koalitionsvertrag nicht. Die Beschränkungen von Mietpreiserhöhungen wirken nicht auf bestehende Miethöhen, sind zeitlich begrenzt und liegen noch dazu im Ermessen der Länder. Das ist völlig wirkungslos. Es bleibt bei den bisherigen geringen Zuschüssen und Appellen an die Länder. Der soziale Wohnungsbau wird weiter dahindämmern. Aber nur, wenn schnell sozial gebundene Wohnungen geschaffen werden, kann die Mietenexplosion gestoppt werden.
Die Kosten der Energiewende, in Gestalt steigender Energiepreise, sollen auch weiter einseitig die privaten Haushalte und kleinen Unternehmen zahlen. Dass Stromsperren infolge Armut immer mehr zugenommen haben, scheint für die Koalitionäre kein Thema zu sein, nicht einmal preissenkende Maßnahmen wie die Senkung der Stromsteuern (ein SPD-Vorschlag) werden thematisiert. Die Privilegien der Industrie bleiben erhalten. Dafür soll der Ausbau erneuerbarer Energien abgebremst werden. Der Energiewende droht Stillstand.
Die Koalitionsvereinbarung verkündet das Ziel der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Relativiert wird dieses Ziel jedoch schon bei der „Lebensleistungsrente“. Hier wird der Ost-West-Unterschied schon wieder fortgeschrieben. Den Solidarpakt III wird es nicht geben, eine Angleichung der Ostrenten an das Westniveau ebenso nicht. Es soll lediglich geprüft werden, ob ab 2017 eine Teilangleichung notwendig ist, um 2020 gleiche Rentenwerte zu erreichen.
Der Koalitionsvertrag liefert keinerlei Impulse zur Entlastung der zum Teil prekären Situation der kommunalen Haushalte. Im Gegenteil, diskreditierte Instrumente wie PPP werden wiederbelebt.
Die Kommunen Sollen einerseits bei der Eingliederungshilfe um fünf Milliarden Euro jährlich entlastet werden, andererseits werden sie stärker für Strukturen der Pflege in die Pflicht genommen. Bei der Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung haben wir bereits erlebt, wie Mittel für eine beabsichtigte Entlastung der Städte und Gemeinden oft bei den Ländern verblieben.
Auch auf anderen Gebieten besteht Anlass zu der Befürchtung, dass eine Union-SPD-Koalition ausgefahrene Wege nicht verlassen wird: Da wird zwar ein Nationales Hochwasserschutzprogramm angekündigt, aber eine fundamentale Voraussetzung nicht konsequent geschaffen, nämlich den Flüssen wieder mehr Raum zu geben. Für die ländlichen Räume gibt es keine neuen Weichenstellungen und die – von uns vehement geforderte – Risikoausgleichsrücklage für Agrarbetriebe wird wohl nicht kommen. Da gibt es ein paar positive Ansätze zum Lärmschutz an der Schiene, nicht aber vor Fluglärm. Barrierefreiheit bleibt bei der Bahn ebenso ein Stiefkind wie im Tourismus. Dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher ist eine Vielzahl blumiger Versprechungen gewidmet, die kaum durch konkrete Vorhaben untersetzt sind.
Lebensweise und Wissen
Bildung und Forschung
Eine Bildungspolitik, die auf der Höhe der Zeit sein möchte, muss zwei Anforderungen genügen: Sie muss die Leistungsfähigkeit der Bildungssysteme stärken und sie muss sozial gerechten Zugang zur Bildung ermöglichen. Daran gemessen ist der Koalitionsvertrag ein Offenbarungseid.
Der große Reformstau zugunsten eines sozial gerechteren und leistungsfähigeren Bildungswesens wird nicht aufgelöst. Die von Angela Merkel vor fünf Jahren ausgerufene „Bildungsrepublik Deutschland“ ist mit diesem mutlosen Koalitionsvertrag nicht zu erreichen. Schüler/innen, Eltern, Lehrer/innen, Studierende, Erzieher/innen und Wissenschaftler/innen werden im Regen stehen gelassen.
Im Wahlprogramm der SPD standen zwei wichtige Fragen im Mittelpunkt: eine Grundgesetzänderung, die mehr Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern sowohl bei den Hochschulen als auch im Schulbereich ermöglicht, und der flächendeckende Ausbau von Ganztagsschulen. Danach sucht man vergeblich.
Mit dem Verzicht auf die Überwindung des Kooperationsverbots im Grundgesetz stehen wiederum Jahre des Stillstands in Bezug auf die „Stärkung der Chancengerechtigkeit durch Bildung“ ins Haus. Wie Länder und Kommunen allein anstehende Aufgaben wie Inklusion, Ganztagsschulen und eine bedarfsgerechte Ausfinanzierung der Hochschulen sichern sollen, bleibt das Geheimnis der Großen Koalition.
Übrig geblieben ist im Koalitionsvertrag ausschließlich ein Versprechen zur „Verbesserung der Grundfinanzierung der Hochschulen“. Die Bedingungen bleiben offen. Große Baustellen wie das Fehlen von Wohnheimplätzen und sozialer Infrastrukturwerden mit keinem Wort erwähnt.
Weitergeführt und ausgebaut werden sollen die Pakte (Hochschulpakt, Exzellenzinitiative und Pakt für Forschung und Innovation) und damit das System des Wettbewerbsföderalismus, welches sich nicht zuletzt auf Beschäftigungsbedingungen und Karriereperspektiven von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern negativ auswirkt.
BAföG – kein Thema
Eine Weiterentwicklung des BAföG hatten sowohl Union als auch SPD in ihren Regierungsprogrammen angekündigt. Das BAföG wird nun gar nicht mehr erwähnt. Die letzte BAföG-Erhöhung liegt über drei Jahre zurück und in den letzten 15 Jahren gab es überhaupt nur drei moderate BAföG-Erhöhungen. In Folge dessen bezieht heute nicht einmal mehr jede fünfte Studentin und jeder fünfte Student BAföG.
Begabtenförderungswerke sollen weiterhin unterstützt werden. Das Deutschlandstipendium, das seit der Einführung floppt, wird mit einer Zielmarke von 2% der Studierenden fortgeführt werden.
Ganztagsschulprogramm fällt aus
Ein zweites, umfangreiches Ganztagsschulprogramm hat die SPD im Wahlkampf wie eine Monstranz vor sich hergetragen. Jedem Kind sollte ein Ganztagsschulplatz unabhängig vom Wohnort und von der Schulform bereitgestellt werden. Ebenso versprachen CDU/CSU in ihrem Regierungsprogramm einen „Pakt für eine gute Bildung“, einschließlich den Ausbau der Ganztagsbetreuung.
Von einer Förderung - geschweige von einem Ausbau - von Ganztagsschulen ist keine Rede mehr.
Die Lehreraus- und -weiterbildung ebenso wie die Schulsozialarbeit finden keinerlei Erwähnung. Die Aufgabe der Inklusion, die von der SPD im Wahlprogramm noch als integraler Bestandteil aller Bildungseinrichtungen kommuniziert wurde, kommt im Koalitionsvertrag nur noch bei der Bildungsforschung und bei der Eingliederung von Menschen mit Behinderungen in die Berufsausbildung vor.
Im Bereich der beruflichen Bildung gibt es vor allem neue Schlagwörter, weit entfernt von einem Recht auf Ausbildung, wie es jüngst von DGB und IG Metall angesichts der „krisenhaften Züge“ des Ausbildungsmarktes erneut gefordert wurde.
Das auf dem Dresdner Bildungsgipfel der alten Bundesregierung verabredete Ziel der Halbierung der Anzahl von Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung (1,4 Millionen zwischen 25 und 34 Jahren) wird mit Initiativen wie „AusBILDUNG wird was – Spätstarter gesucht“, die nun als Programm „2.Chance“ fortgeführt werden soll, nicht zu erreichen sein.
Wissenschaft/Forschung/Innovation
Das dringlichste Problem der Wissenschaftslandschaft ist die mangelnde Grundfinanzierung der Hochschulen. Es bleibt unklar, wie dies ohne umfassende Aufhebung des Kooperationsverbotes von Bund und Ländern bewerkstelligt werden soll. Die Empfehlung des Wissenschaftsrates, die Budgetsteigerungen der Hochschulen an die der außeruniversitären Forschung zu koppeln, findet sich nicht wieder. Der Bund beraubt sich zudem jeglicher Gestaltungsspielräume, die er etwa durch eine Rahmengesetzgebung im Hochschulbereich hätte.
Die großen Profiteure der Bundesfinanzierung sollen weiter die außeruniversitären Forschungsorganisationen bleiben, deren alljährliche Haushaltsaufwüchse zukünftig der Bund allein tragen will. Das Ungleichgewicht zugunsten der Drittmittel und der außeruniversitären Institute wird sich weiter verschärfen.
Bei der Verbesserung der Bedingungen des wissenschaftlichen Nachwuchses und des Mittelbaus sehen Schwarz-Rot entgegen der angekündigten Position der SPD vor allem die Hochschulen und Forschungseinrichtungen selbst in der Pflicht. Dies zeugt für die angekündigte Novellierung des Sonderbefristungsrechts in der Wissenschaft von wenig Gestaltungswillen und Mut. An den ultrakurzen Verträgen, die eine Berufs- und Lebensplanung unmöglich machen, wird sich wenig ändern.
Die Innovationspolitik bleibt allein dem technologiebasierten Exportstandort der klassischen Branchen verhaftet. Weder sollen neue Ansätze eines sozial-ökologischen Paradigmas in der Innovationsförderung verfolgt werden, noch werden echte Impulse zur Förderung von sozialen, nichttechnischen Innovationen gesetzt.
Behindertenpolitik
Im CDU/CSU-Wahlprogramm wurden folgende Ziele genannt: Inklusive Gesellschaft – Barrierefreiheit in allen Bereichen (Arbeit, Bildung, Sport usw.). Neuregelung der Eingliederungshilfe – Bundesleistungsgesetz schaffen, Bund soll sich schrittweise an Kosten beteiligen. Teilhabe ist gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Im SPD-Wahlprogramm hieß es: Teilhabe – Bundesleistungsgesetz: Personenzentrierte Leistungen und einheitliches Bedarfsfeststellungsverfahren. Der Anspruch auf Hilfe zur Inklusion wird nicht mehr als Fürsorgeanspruch, sondern als Anspruch zum Ausgleich von Nachteilen ausgestaltet. Finanzielle Leistungen müssen unabhängig von Einkommen und Vermögen sein. Das persönliche Budget ist eine geeignete Leistungsform für selbstbestimmte Teilhabe. Schaffung eines inklusiven Sozialraumes (Bildungs-, Kultur-, Sporteinrichtungen sowie Arbeitsmarkt) und Vermeidung sowie Abbau von jeglichen Barrieren.
Im Koalitionsvertrag ist die Leitidee die inklusive Gesellschaft und die Beteiligung der Menschen mit Behinderungen an den Entscheidungsprozessen soll besonders berücksichtigt werden. Der Nationale Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention soll zusammen mit den Menschen mit Behinderungen und ihren Verbänden im Sinne von mehr Teilhabe, Selbstbestimmung und Barrierefreiheit weiterentwickelt werden.
Bei der Reform der Eingliederungshilfe/Bundesleistungsgesetz für mehr Teilhabe konnte sich die SPD nur bedingt durchsetzen: Leistungen zwar bedarfs- und personenorientiert und einheitliches Bedarfsfeststellungsverfahren, dies ist begrüßenswert, aber kein klares Bekenntnis zur Einkommens- und Vermögensunabhängigkeit der Leistungen. Menschen mit wesentlicher Behinderung sollen aus bisherigem Fürsorgesystem herausgeführt werden und modernes Teilhaberecht geschaffen werden. Auch wird die Einführung eines Teilhabegeldes lediglich geprüft.
Familie, Kinder- und Jugendpolitik
Im Fokus der Öffentlichkeit standen das Betreuungsgeld, die Ausweitung des Elterngeldes, ein Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit und Gerüchte um ein Kitaqualitätsgesetz. Der Erfolg der CSU: Das Betreuungsgeld bleibt erhalten.
Nebulöse Formulierungen zu einem Elterngeld-Plus werfen mehr Fragen auf, als beantwortet werden. Mit einem Teilzeitbonus für Doppelverdienerfamilien im Teilelterngeldbezug werden Alleinerziehende diskriminiert. Statt eines Kitaqualitätsgesetzes, das überfällig ist, wird nun von Regelungen zur Qualität gesprochen. Statt einem Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit heißt es nun befristete Teilzeit. Im Wesentlichen wird Kosmetik angekündigt.
Familienpolitik
Eine höhere steuerliche Förderung von Familien mit Kindern war in den Wahlprogrammen sowohl bei Union als auch bei SPD prominent vorgesehen. Im Koalitionsvertrag ist davon nur eine verbesserte steuerliche Förderung von Alleinerziehenden übriggeblieben. Mit durchschnittlich 22 Euro mehr pro Alleinerziehende und Jahr fällt diese äußerst mager aus. Entgegen den Versprechungen der SPD wird das Ehegattensplitting nicht angetastet.
Die Versprechungen der Großen Koalition nutzen vor allem Besserverdienenden – beim ElterngeldPlus, bei der Elternzeit und bei den Alleinerziehenden.
Die Formulierungen zum Elterngeld lassen Kostensteigerungen erwarten, die aber bei der Betrachtung der Gesamtausgaben nicht zu hoch ausfallen dürften. Insofern muss hier auf die konkrete Ausgestaltung gewartet werden. Das Teilzeitelterngeld auszubauen ist sinnvoll. Das ElterngeldPlus für die Eltern, die beide ihre Vollzeitarbeit auf Teilzeit reduzieren und einen Partnerschaftsaufschlag auf das bestehende Elterngeld erhalten sollen, führt zur Diskriminierung von Alleinerziehenden. Diese sind von dem so genannten Partnerschaftsbonus ausgeschlossen.
Ein Ausbau des Unterhaltsvorschusses, wie es die SPD wünschte fehlt. Das Einzige, was Alleinerziehende von der neuen Regierung erwarten dürfen, ist eine Anhebung des Steuerfreibetrages, der auch noch nach Anzahl der Kinder gestaffelt werden wird.
Die Koalition strebt eine Flexibilisierung der Elternzeit auf max. 36 Monate je Elternteil bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres des Kindes an, was grundsätzlich begrüßenswert ist. Ohne finanzielle Grundlage nutzt das allerdings nur denjenigen, die es sich leisten können.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Hier werden bestehende Vorhaben fortgesetzt und auf die Freiwilligkeit der Arbeitgeber gesetzt. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf kostet den Bund nichts. Ebenso nutzen die Vorhaben nur denjenigen etwas, die es sich leisten können.
Auf eine gesetzgeberische Regelung wird verzichtet, eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird somit quasi unmöglich, es wird nicht an den Arbeitszeitmodellen gearbeitet.
Statt wie von CDU/CSU und SPD im Wahlkampf angekündigt ein Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit gesetzlich zu verankern, gibt es jetzt „Rückkehrrecht light“ in dem ein Anspruch auf befristete Teilzeit entwickelt werden soll.
Die neue Bundesregierung möchte eine Plattform für haushaltsnahe und familienunterstützende Dienstleistungen aufbauen, auf der legale gewerbliche Anbieter haushaltsnaher familienunterstützender Dienstleistungen für Familien und ältere Menschen leicht zu finden und in Anspruch zu nehmen sind. Damit steigt die Bundesregierung direkt in die Vermittlung prekärer Beschäftigungsformen ein.
Kitaausbau
Hier konnte sich die SPD zumindest in Teilen durchsetzen, musste als Kröte allerdings das Betreuungsgeld schlucken. Damit fehlen 2 Mrd. jährlich ab 2015 für den Kitaausbau. Ein ursprünglich angekündigtes Kitaqualitätsgesetz wird es nicht geben. Stattdessen soll über Reglungen Qualität und Personalausstattung verbessert werden. Ein drittes Investitionsprogramm des Bundes wird angekündigt, ohne näher beziffert zu werden. Weiterhin soll die Tagespflege gestärkt und betriebliche Kinderbetreuung unterstützt werden.
Kinder- und Jugendpolitik
Kinderrechte bleiben außen vor. Die Vorhaben in diesem Bereich können insgesamt als absolut enttäuschend, mitunter sogar gefährlich bewertet werden. Wer das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen fördern möchte, muss Geld in die Hand nehmen und Bestrafungsmechanismen abschaffen.
Der Kinder- und Jugendplan des Bundes soll nebulös gestärkt werden und gleichzeitig weitere Aufgaben übernehmen, was in der Folge eine weitere Realkürzung ist. Vor diesem Hintergrund gerät die Entwicklung einer eigenständigen Jugendpolitik vollends zur Makulatur, denn sie darf nichts kosten. Bekenntnisse zu den bestehenden Förderprogrammen sind wertlos, solange keine Regelfinanzierung angestrebt wird. Die sog. Extremismusklausel für durch Bundesmittel unterstützte Projekte gegen Rechtsextremismus bleibt bestehen.
Während in den Ländern derzeit vor allem die Jugendarbeit gekürzt wird, enthält der Koalitionsvertrag nebulöse Formulierungen zur Weiterentwicklung der Zusammenarbeit und Steuerungselemente.
Auch im Bereich des Kinderschutzes, wird nicht viel passieren, außer dass evaluiert wird und die vorhandenen Mittel zielgerichteter eingesetzt werden sollen.
Der Unabhängige Beauftragte für die Fragen der sexuellen Gewalt gegen Kinder und Jugendliche bleibt erhalten.
Feministische Politik
Die Quote für Frauen in wissenschaftlichen Führungsgremien soll 30 Prozent betragen, Festsetzung von Zielquoten über das Kaskadenmodell und deren konsequente Umsetzung soll besser überwacht werden. Die SPD hat sich hier mit ihren geschlechtergerechten Forderungen durchsetzen können. Allerdings sind die meisten Aussagen Kann- oder Soll-Bestimmungen, die gesetzlich nicht weiter legitimiert werden.
Auf Grund des Fachkräftemangels in den mathematisch-naturwissenschaftlichen (MINT-) und Sozialberufen soll eine geschlechtergerechte Berufsberatung mit Darlegung der Berufs- und Verdienstmöglichkeiten etabliert werden. Eine solche Beratung für junge Frauen und Männer ist zwar gut, doch ist sie ohne eine finanzielle und gesellschaftliche Aufwertung von Sozial, Gesundheits- und Bildungsberufen nicht erfolgsversprechend.
Die Arbeitsförderung von Frauen soll stärker an ihren Bedürfnissen und den häufig unterbrochenen Erwerbsbiografien ausgerichtet werden – ein Programm zum besseren beruflichen Wiedereinstieg in existenzsichernde Arbeit soll geschaffen werden. Die BA soll Unterstützungsangebote für Berufsrückkehrende weiterentwickeln. Ohne konkret verbesserte Rahmenbedingungen wie der wirklichen Vereinbarkeit von Familie und Beruf, dem Ausbau von Kindertageseinrichtungen und der besseren ganztägigen Betreuungsmöglichkeiten für Schulkinder bleiben die geplanten Maßnahmen in Teilen wirkungslos.
ArbeitnehmerInnen, die wegen Pflege oder Kindererziehung eine zeitliche Befristung ihrer Teilzeitarbeit erklärt haben, sollen wieder zur früheren Arbeitszeit zurückkehren können (Rückkehrrecht). Das Teilzeitrecht soll weiterentwickelt und ein Anrecht auf befristete Teilzeitarbeit geschaffen werden. Bei bestehenden Teilzeitverträgen soll die Darlegungslast im Teilzeit- und Befristungsgesetz auf die ArbeitgeberIn übertragen werden. Das Rückkehrrecht aus Teilzeitarbeit sowie die Umkehrung der Darlegungslast im Teilzeit- und Befristungsgesetz greift die Forderungen der Frauen- und Familienverbände auf. Allerdings wird es keine dringend notwendige gesetzliche Regelung für unbefristete Teilzeitkräfte, die zu ihrer vollen Arbeitszeit zurückkehren oder ihre Arbeitszeit erhöhen möchten, geben.
Übergänge in regulär sozialversicherungspflichtige Beschäftigung soll erleichtert werden, geringfügig Beschäftigte sollen besser über ihre Rechte informiert werden.
Eine generelle Rentenversicherungspflicht für Minijobs, die eine leichte Verbesserung der Rentenanwartschaften von Frauen bringen würde, wird es nicht geben. Von der dringend notwendigen Umwandlung von Minijobs in reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und Tätigkeiten mit größeren Stundenvolumen hat sich die SPD vollends verabschiedet.
In voll mitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Unternehmen soll eine gesetzliche Frauenquote von nur 30 Prozent für Aufsichtsräte gelten, die ab dem Jahr 2016 neu besetzt werden. Auf Führungsebenen unterhalb des Vorstandes wird ab dem Jahr 2015 eine gesetzlich geregelte Flexi-Quote eingeführt.
In Deutschland sind nur etwa 200 Unternehmen voll mitbestimmungspflichtig und börsennotiert! Die angestrebten Regelungen laufen darum fast alle auf eine flexible Quote hinaus. Während DIE LINKE. die gesamte Gesellschaft abbilden will (50 Prozent Quote), soll laut Aussagen der Koalitionäre nur jede dritte Person in Vorständen und Führungsetagen weiblich sein. Unterhalb der Vorstände werden Frauen durch die Zielquoten, die sich Unternehmen selber setzen, weiterhin deutlicher Diskriminierung ausgesetzt sein.
Die Arbeit in der Pflege, Betreuung und frühkindlichen Bildung soll aufgewertet werden. Unternehmen über 500 Beschäftigte sollen in ihren Lageberichten zur Frauenförderung und Entgeltgleichheit Stellung nehmen. Es soll einen individuellen Auskunftsanspruch geben. Alle beteiligten TarifpartnerInnen sollen strukturelle Entgeltungleichheit in den Tarifverträgen erkennen und beseitigen. Ein wirkliches mit Sanktionen bewehrtes Entgeltgleichheitsgesetz zur Aufhebung der Lohndiskriminierung wäre nötig. In Sachen Gewalt gegen Frauen und zu Frauenhäusern konnte sich nur darauf verständigt werden, dass durch ressortübergreifende Maßnahmen Lücken im Hilfesystem zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen geschlossen werden sollen. Ursprüngliche Überlegungen zur Regelung der Finanzierung der Frauenhäuser gemeinsam mit den Ländern wurden gestrichen.
Im Punkt Menschenhandel und Prostitutionsstätten erfolgt die übliche Gleichsetzung von Prostitution und Zwangsprostitution. Das ProstG soll verschärft werden und eine Freierbestrafung in Fällen von Zwangsprostitution eingeführt werden.
Kultur
Der Kulturteil ist ein Armutszeugnis, gemessen an dem, was die SPD im Wahlkampf an Zielen formuliert hatte. Eine Vision für die Kultur, neue Ansätze in der Kulturförderung und konkrete Maßnahmen, die auf die drängendsten Probleme im Kulturbereich eingehen, sucht man in diesem Vertrag vergeblich. Kein Staatsziel Kultur, kein Wegfall des Kooperationsverbotes im Kultur- und Bildungsbereich, keine tragfähigen Ansätze zum Erhalt der kulturellen Infrastruktur und zur Verbesserung der Lage der Kreativen.
Es gibt nur eine allgemeine Absichtserklärung zum Erhalt und zur Stabilisierung der Künstlersozialkasse („regelmäßige Überprüfung der Unternehmen auf ihre Abgabepflicht hin“). Konkrete Vorschläge für die soziale Absicherung von Künstlern, wie z.B. die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, hat die SPD fallen gelassen.
Das Konzept der Erinnerungskultur setzt weiter auf eine weitgehende Gleichsetzung der „beiden deutschen Diktaturen“. Die Auseinandersetzung mit dem „SED-Unrecht“ bleibt einer der Schwerpunkte der Koalition.
Medienpolitik
Bis auf eine Ausnahme wird die Medienpolitik der vorangegangenen Bundesregierung fortgeführt. Bedeutende Vorhaben – wie die Sicherung des Filmerbes, die Bereitstellung einer Medienstatistik, das Förderprogramm zur Digitalisierung der Kinos oder die Archivfunktion der Deutschen Digitalen Bibliothek und der Europeana – werden erneut proklamiert, doch weiterhin finanziell nicht unterlegt. Die am weitesten reichende Aussage betrifft die Unterstützung eine der Medienkonvergenz angemessenen Medienordnung durch die Länder und eine dazu einzusetzende Bund-Länder-Kommission.
Das entspricht weitgehend der von Olaf Scholz (SPD) geforderten Neuordnung der Medien- und Netzpolitik und einer dazu erforderlichen Fortentwicklung der Rundfunkkommission der Länder zu einer Medienkommission. Internetdienste würden diesen Vorstellungen zufolge dem Rundfunkbegriff zugeordnet.
Demokratie und Bürgerrechte
Seit Monaten verweigern die Unionsfraktionen eine tiefgehende, breite und öffentliche Aufklärung der NSA- und GCHQ-Abhöraffäre im Deutschen Bundestag. Bislang trat auch die SPD öffentlich mit Forderungen nach Aufklärung und deutlichen Reaktionen gegenüber der US-Administration in Erscheinung. Aber Im vorliegenden Koalitionsvertrag fehlt ein klares, praktisch-verbindliches Bekenntnis zu den Grundrechten der Bevölkerung.
Dass Union und SPD tatsächlich an der Vorratsdatenspeicherung festhalten wollen zeigt, dass sie kein Problem mit der Überwachung der Bevölkerung haben: der Umkehrung der Unschuldsvermutung und der Kriminalisierung von über 80 Millionen Menschen in Deutschland durch Speicherung und Überwachung ihres privaten Kommunikationsverhaltens. Wenn Union und SPD den Begriff 'Bürgerrechte' mit Leben und Inhalten gefüllt hätten wäre die Aussetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung das richtige Ziel gewesen.
Weitere Erosion von Demokratie und Rechtsstaat
An eine Reform der Geheimdienste oder gar deren stärkere Kontrolle ist nicht gedacht worden. Weder Struktur noch Arbeitsweise oder Aufgabenbereiche werden angetastet oder einer Evaluation unterzogen. Themen wie Spionageabwehr oder Kampf gegen Cyberkriminalität finden keinen wirklichen Eingang in den Koalitionsvertrag. Mehr noch, als Schlussfolgerung aus dem NSU-Terrorismus und dem Abschlussbericht des Bundestagsuntersuchungsausschusses wird ausgerechnet die Zentralstellenfunktion des Bundesamtes für den Verfassungsschutz betont.
Wie die Aufarbeitung der deutschen Geschichte zwischen 1933 und 1945 unter dieser Koalition aussehen wird, verdeutlicht ein Tweet von Erika Steinbach (CDU) nach Veröffentlichung des Papiers. Auf Twitter erklärte sie: "Gedenktag für die deutschen Heimatvertriebenen kommt! War mit der FDP nicht möglich."
Die Verhandlungsführer von SPD, CDU und CSU waren offensichtlich weder in der Lage noch willens, die politischen Lehren aus den Enthüllungen von Edward Snowden, dem Stand der Wissenschaft zur NS-Unrechtsaufarbeitung und den Debatten um die Rehabilitierung sogenannter Kriegsverräter zu ziehen. Sie haben sich eben nicht deutlich gegen die weitere Erosion von Rechtstaat und Demokratie gestellt.
Migrationspolitik
In der Migrationspolitik herrscht weitgehend Stillstand. Beim symbolträchtigen Thema doppelte Staatsangehörigkeit ist die SPD wortbrüchig und lässt sich mit einem Wegfall der Optionspflicht abspeisen. Auch im Übrigen gibt es viele schöne Worte – und wenig konkrete Verbesserungen für MigrantInnen und Flüchtlinge. Positiv klingende Vereinbarungen, etwa zur Residenzpflicht, zum Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge, werden real kaum etwas zum Positiven verändern (Ausnahme: Bleiberecht). Wichtige Forderungen wie ein (kommunales) Ausländerwahlrecht, Korrekturen beim Ehegattennachzug oder eine verstärkte Aufnahme syrischer Flüchtlinge kommen im Koalitionsvertrag erst gar nicht vor. Dafür setzten CDU und CSU Regelungen durch, die mit der FDP nicht zu machen waren (Westbalkanländer als sichere Herkunftsstaaten). Zur EU-Binnenmigration aus Osteuropa fallen der Koalition vor allem repressive Antworten à la Friedrich ein.
Internationale Politik - Globale militärische Ordnungspolitik
Vorbemerkung: Der Koalitionsvertrag von 2013 setzt noch stärker als der Vertrag von 2009 auf eine Politik der Militarisierung. Auch der geringste Ansatz einer Kultur der Zurückhaltung im Hinblick auf Auslandseinsätze der Bundeswehr ist verschwunden. Dagegen werden zentrale Aufrüstungsprojekte wie NATO-Raketenschild oder EU-Kampfdrohnen befürwortet bzw. geprüft. Die konkrete Forderung nach einem Abzug der US-Atomwaffen wird nicht mehr erhoben. Der Vertrag steht in erster Linie für eine Außenpolitik im Dienste des Kapitals. Im Bereich der internationalen Politik bedeutet dieser Koalitionsvertrag einen Rechtsruck gegenüber der bisherigen Koalition aus Union und Liberalen. So wird eine deutsche Nichtbeteiligung an NATO-Kriegen wie gegen Libyen in der Vergangenheit mit der Großen Koalition wesentlich unwahrscheinlicher.
- Leitidee der Großen Koalition in der internationalen Politik ist die reibungslosere Interessen- und Wertedurchsetzung. Um diese zu erreichen, werden die Stärkung von NATO-Bündnisbindung und NATO insgesamt, eine engere EU-NATO-Kooperation und eine effektivere Verzahnung von Außen-, Verteidigungs-, Entwicklungs- und Menschenrechtspolitik angestrebt.
- Deutschland ist auf dem Weg zu einer globalen Mittelmacht bzw. zur Großmacht. Deutsche Außenpolitik wird ganz dem Ziel imperialen Machtzuwachses untergeordnet. Diese Rolle strebt Deutschland nicht im nationalen Alleingang an, sondern durch die Erweiterung des deutschen Gewichts in internationalen Organisationen, zum Beispiel der EU, der UNO, der NATO, der Weltbank, des IWF und weiteren. Dazu sollen die ökonomischen, militärischen und entwicklungspolitischen Potenzen Deutschlands gebündelt und eingesetzt werden. Instrumente zur Erweiterung militärischer Interventionsoptionen, wie die „Responsibility to protect“ sollen völkerrechtlich legitimiert werden. Eine Selbstverpflichtung auf das völkerrechtliche Gewaltverbot in internationalen Beziehungen, wie in der UN-Charta verankert, findet sich im Text nicht. Als wichtiges Teilgebiet geopolitischer Einflussnahme gewinnt, bei aller Bemühung um eine Symbolpolitik der Transparenz, die Fortführung der Rüstungsexporte und der transatlantischen Rüstungszusammenarbeit an Bedeutung. Eine verstärkte deutsche Mitwirkung in der NATO soll dem außenpolitischen Machtzuwachs des Landes dienen.
- Die Europäische Union soll weiter ausgebaut, gestrafft und politisch vereinheitlicht werden. Dabei wird auf ein „starkes Europa“ gesetzt, das als Transmissionsriemen und Verstärker nationalstaatlicher Interessen fungieren soll. Im Vordergrund stehen imperiale Machtprojektion und eine Beschleunigung der Militarisierung der EU. Um dies zu befördern, wird auf ein arbeitsteiliges Vorgehen mit der NATO gesetzt. Zudem soll es auch um eine Verstärkung von Polizeieinsätzen und Militärberatungsmissionen, wie auch einen Ausbau der zivil-militärischen Zusammenarbeit gehen. Das ist allerdings eine EU, die die Freiheiten des Kapitals vorrangig vor der sozialen Dimension behandelt, deren Demokratiedefizit sich vertieft, die im Rahmen der Antikrisenstrategie autoritär umgebaut werden soll und die die Eigentumsfrage ausblendet. Ungebrochen wird auf Exportorientierung sowie auf marktradikale Strukturreformen zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit gesetzt. Auch künftig sollen die öffentlichen Kassen maßgeblich zur Finanzierung von Krisen und Bankenpleiten herangezogen werden. Die Europäische Rüstungsagentur soll die transatlantische Rüstungszusammenarbeit entscheidend mit vorantreiben. Auch die Anschaffung von EU-Kampfdrohnen soll geprüft werden.
- Im Zentrum der deutschen Außenpolitik sollen der Ausbau der transatlantischen Beziehungen und die Stärkung der NATO stehen. Dies beinhaltet sogar die Befürwortung eines NATO-Raketenschildes und damit des Einstiegs in ein neues atomares Wettrüsten in Europa gegen Russland. Das ist ein deutlicher Kurswechsel gegenüber der schwarz-gelben Grundlinie der Außenpolitik, die immerhin noch die Verbesserung der Zusammenarbeit mit den BRICS-Staaten und den so genannten „Gestaltungsmächten“ auf die Tagesordnung gesetzt hatte. Ein expliziter Abzug der US-Atomwaffen aus Europa wird nicht mehr gefordert.
- Eine Bundeswehr der Auslandseinsätze bleibt die oberste Priorität deutscher Verteidigungspolitik. Die Bundeswehr ist eine Armee im Einsatz. Die deutschen Streitkräfte sollen als Mittel deutscher Außenpolitik, inklusive der Auslandseinsätze der Bundeswehr, fungieren. Dabei auch wird auf einen Ausbau der zivil-militärischen Zusammenarbeit gesetzt. Die Förderung der deutschen Außenwirtschaft wird als eine Kernaufgabe deutscher Außenpolitik gefasst. Sie unterstützt und fördert aktiv das Engagement deutscher Unternehmen im Ausland. Ein Ausschluss des Einsatzes der Bundeswehr für außenwirtschaftliche Ziele findet sich im Entwurf nicht wieder. Auch über 2014 hinaus soll die Bundeswehr mit einer Ausbildungsmission in Afghanistan bleiben. Der Parlamentsvorbehalt soll für multinationale Verbände ausgehebelt werden.
- Der Koalitionsvertrag formuliert den offensiven Ansatz, stärker in die „Lösung von Krisen und Konflikten“ außerhalb der EU einzugreifen – dies im Sinne deutscher/europäischer (Sicherheits-)Interessen. Ein verstärkter zivil-militärischer Ansatz wird ganz offen formuliert, in den die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) wie selbstverständlich mit aufgenommen wird. Entwicklungszusammenarbeit hat in diesem Sinne vor allem eine Stabilisierungsfunktion. Sie soll Konfliktherde in geostrategisch wichtigen Regionen in Schach halten. Auch auf europäischer Ebene strebt die Koalition an, „die zivilen und militärischen Instrumente der Europäischen Union weiter miteinander zu verknüpfen“. EU-Missionen sollen dabei vorrangig in benachbarten Regionen durchgeführt werden, während man in Afrika regionale Stellvertretereinsätze unterstützen will.
- Einer konkreten Auseinandersetzung um die Menschenrechte und ihre Instrumentalisierung wird ausgewichen. Ein eigener Ansatz zur Stärkung sozialer Menschenrechte fehlt. Dagegen wird auf eine „offene Handelspolitik“ gesetzt, die mit dem Ziel eines Abschluss von Freihandelsabkommen Menschenrechte weltweit gefährdet. Kern dieser Handelspolitik ist das geplante Freihandelsabkommen mit den USA als „eines der zentralen Projekte zur Vertiefung der transatlantischen Beziehungen.“ Die Verhandlungen sollen erfolgreich zum Abschluss geführt werden mit dem Ziel, „bestehende Hindernisse in den transatlantischen Handels‐ und Investitionsbeziehungen so umfassend wie möglich abzubauen.
Wahlaussagen versus Koalitionsvertrag:
Mit dem konkreten Prüfauftrag für die Anschaffung von Kampfdrohnen wie auch mit der Befürwortung des NATO-Raketenschildes und damit eines neuen atomaren Wettrüstens geht die SPD weit über ihre Wahlaussagen hinaus. Die Fixierung auf die NATO und die aggressive NATO-Strategie wie auch eine Frontstellung gegen Russland wird im Koalitionsvertrag noch stärker akzentuiert als im SPD-Wahlprogramm. Im Punkto parlamentarische Kontrolle von Rüstungsexporten gibt es, anders als von der SPD gefordert, keine Fortschritte. In Puncto Großmachtpolitik, Kapitalorientierung, Freihandelsabkommen mit den USA und Militarisierung der Außenpolitik gibt es eine Kongruenz der Wahlaussagen von CDU/CSU und SPD mit dem Koalitionsvertrag.