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Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Corona-Krise

Positionspapier,

Die Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 gefährdet unser aller Sicherheit und Gesundheit. Viele Beschäftigte gehen weiter ihrer Arbeit nach. Deshalb ist lückenloser Arbeitsschutz gerade jetzt so wichtig.

Arbeitskreis I

Arbeit, Soziales und Gesundheit
Fraktionsbeschluss vom 21. April 2020

verantwortlich Jutta Krellmann, AG Arbeit


Auf einen Blick

  1. Jeder Betrieb, in dem noch gearbeitet wird, muss einen aktuellen Pandemie-Plan vorlegen und darin konkrete Maßnahmen festhalten, um die Gefährdung für die Beschäftigten möglichst gering zu halten.
  2. Schutz- und Hygienemaßnahmen sind lückenlos und sofort einzuführen.
  3. Gerade jetzt brauchen wir flächendeckende Arbeitsschutzkontrollen und harte Sanktionen bei Verstößen gegen die Arbeitsschutzbestimmungen. 
  4. Auch im Homeoffice ist eine gesundheitsgerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes unerlässlich.
  5. Hohe Belastungen bei der Arbeit sind ein Sicherheitsrisiko und müssen vermeiden werden.
  6. Die betriebliche Mitbestimmung muss ausgeweitet werden. Starke Betriebsräte sind eine wichtige Kontrollinstanz beim Arbeits- und Gesundheitsschutz. 
  7. Risikogruppen müssen besonders geschützt werden.

In Corona-Zeiten ist es richtig, dass viel von zu Hause aus gearbeitet wird, dort wo das möglich ist. Doch viele Beschäftigte müssen jeden Tag ihr Zuhause verlassen, um zur Arbeit zu gehen. Sie tragen dazu bei, die wichtige Infrastruktur für uns alle aufrecht zu erhalten. Das betrifft Handel, Pflege oder Logistik. Aber auch in vielen anderen Branchen wird weitergearbeitet. Dabei teilen sich Beschäftigte die Arbeitsräume mit Kolleginnen und Kollegen und sind einem Infektionsrisiko ausgesetzt. Und etwa im Einzelhandel gibt es jeden Tag viele Millionen Kundenkontakte. Hier sind lückenloser Arbeits- und Gesundheitsschutz wichtiger denn je. Aber auch in eilig eingerichteten Arbeitsplätzen im Homeoffice sind die Grundsätze gesundheitsgerechten Arbeitens zu beachten. 

Arbeitgeber sind verpflichtet die Gesundheit ihrer Beschäftigten zu schützen, sie haben eine gesetzliche Fürsorgepflicht (§§ 617 - 619 BGB). Diese gilt selbstverständlich auch in Zeiten einer Pandemie. Zentral bei der Corona-Pandemie ist daneben das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) als öffentliches Recht. Angesichts einer epidemischen Lage dient der Arbeitsschutz nicht allein dem Recht von Beschäftigten auf gesundheitsgerechte Gestaltung der Arbeit, sondern hat auch eine gesamtgesellschaftliche Ebene. Denn sollten sich aufgrund eines mangelnden betrieblichen Arbeitsschutzes mehr Menschen mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 infizieren, würde die folgende Überlastung der medizinischen Infrastruktur auf Kosten aller gehen. Versäumen es Arbeitgeber ihre der Belegschaften ausreichend zu schützen, so gefährdet die zunehmende Inanspruchnahme intensivmedizinischer Behandlung Leben und Gesundheit aller. Fallen Beschäftigte in systemrelevanten Berufen aus, trifft das ebenfalls die gesamte Gesellschaft. Art 14 Abs. 2 GG, wonach Eigentum verpflichtet, ist hier von besonderer Bedeutung.

Außerdem sollten die strengen Regeln der Biostoffverordnung (BioStoffV) angewandt werden, wie es von Arbeitsschutzexperten der Gewerkschaft ver.di gefordert wird. Denn in Corona-Zeiten müssen weitergehende Schutzmaßnahmen für alle Beschäftigten getroffen werden, wenn die Möglichkeit besteht, dass sie Kontakt mit infizierten Menschen haben. Dies gilt für die allermeisten Beschäftigten und insbesondere in den Dienstleistungsbranchen. Als LINKE fordern wir außerdem: Jeder Betrieb, in dem noch gearbeitet wird, muss einen aktuellen Pandemie-Plan vorlegen. In Betrieben mit Betriebsrat ist dieser mitzubestimmen. Orientierung für einen betrieblichen Pandemie-Plan bieten Publikationen des staatlichen Katastrophenschutzes sowie der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die Corona-Krise legt die Probleme des deutschen Arbeitsschutzsystems offen. Die geltenden gesetzlichen Regelungensind zwar umfassend und reichen grundsätzlich aus, doch es existiert ein weitgehendes Vollzugs- und Kontrolldefizit im Arbeits- und Gesundheitsschutz. Schon vor der Corona-Pandemie wurde ein Betrieb durchschnittlich nur alle zwanzig Jahre vom staatlichen Arbeitsschutz kontrolliert (vgl. BT-Drs. 19/6041). Außerdem ist die betriebliche Mitbestimmung als Kontrollinstanz in den Unternehmen zu stärken. Hier ist auch die Bundesregierung in der Pflicht. Die aktuelle Diskrepanz zwischen drastischen Einschränkungen des öffentlichen Lebens auf der einen und Gleichgültigkeit gegenüber dem, was im privaten Raum des Betriebes passiert, ist eklatant und gefährlich. Hier muss dringend gegengesteuert werden.

 

Forderungen der Fraktion DIE LINKE im Bundestag:

 

  1. Jeder Betrieb, in dem noch gearbeitet wird, muss unverzüglich einen auf SARS-CoV-2 abgestimmten Pandemie-Plan entwerfen. Denn Arbeitgeber sind verpflichtet für die Sicherheit und Gesundheit ihrer Beschäftigten zu sorgen - gerade in Pandemie-Zeiten. Deshalb sind die geltenden Schutzgesetze streng einzuhalten. Die Gefährdung durch SARS-CoV-2 für Beschäftigte aller Branchen ist eine allgemein anerkannte epidemiologische Erkenntnis und muss nicht erst im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung festgestellt werden. Stattdessen muss in einem Pandemie-Plan festgehalten werden, welche Maßnahmen für den konkreten Betrieb erforderlich sind, um die Gefährdung für die Beschäftigten möglichst gering zu halten (vgl. §§ 3 bis 5 ArbSchG bzw. §§ 5 bis 7 BioStoffV). Die Maßnahmen müssen schnellstmöglich umgesetzt werden. Die Erkenntnislage in Sachen SARS-CoV-2 ändert sich ständig, weswegen auch der Pandemie-Plan ständig zu aktualisieren ist. 
  2. Schutz- und Hygienemaßnahmen sind lückenlos und sofort einzuführen. Dazu gehört es Schutzausrüstung wie Handschuhe, Mund- und Nasenschutz sowie Desinfektionsmittel allen Beschäftigten kostenlos zur Verfügung zu stellen. Außerdem brauchen sie regelmäßige Kurzpausen, um sich die Hände waschen zu können. Auf den notwendigen Sicherheitsabstand bei der Arbeit ist zu achten, entsprechende Schilder und Absperrungen sind unerlässlich. Beschäftigtengruppen müssen räumlich voneinander getrennt und Flächen regelmäßig desinfiziert werden. Unterweisungen zum Gesundheitsschutz müssen in Corona-Zeiten fortlaufend durchgeführt werden. Wichtig ist, dass eine zentrale Hotline eingerichtet wird, bei der sich Beschäftigte über geeignete Schutz- und Hygienemaßnahmen informieren und Arbeitsschutz-Verstöße melden können. Es ist zu beachten, dass sich die erforderlichen Maßnahmen je nach Betrieb unterscheiden können. Eine entsprechende Beurteilung kann auch dazu führen, dass der Betrieb während der Corona-Krise komplett eingestellt werden muss.
  3. Gerade jetzt brauchen wir flächendeckende Arbeitsschutzkontrollen. Bei Verstößen gegen die Arbeitsschutzbestimmungen sind Arbeitgeber hart zu sanktionieren. Es gibt Hinweise darauf, dass in manchen Bundesländern derzeit gar keine Arbeitsschutzkontrollen mehr stattfinden. Gerade in der derzeitigen Situation brauchen wir eine konsequente staatliche Überwachung der Arbeitsschutzbestimmungen.
  4. Auch im Homeoffice ist eine gesundheitsgerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes unerlässlich. Selbst wenn Telearbeitsplätze spontan eingerichtet werden mussten, sind die Vorgaben der Arbeitsstättenverordnung nach Gefährdungsbeurteilung und Erstunterweisung (§ 1 Abs. 3 ArbStättV) einzuhalten oder so schnell wie möglich nachzuholen. Ein ergonomischer Arbeitsplatz und ein Recht auf Nicht-Erreichbarkeit sollten gewährleistet werden. Auch die Corona-Krise darf nicht dazu führen, dass insbesondere die psychischen Belastungen der Arbeit von zu Hause unkritisch akzeptiert werden. Auch im Homeoffice muss der volle Unfallversicherungsschutz gelten. 
  5. Hohe Belastungen bei der Arbeit sind zu vermeiden, denn besonders in Pandemie-Zeiten sind Übermüdung und Erschöpfung ein Sicherheitsrisiko. Die physische und auch psychische Gesundheit der Beschäftigten ist unbedingt zu schützen. Deshalb müssen Arbeitgeber für personelle Entlastung sorgen. Pausenzeiten sind einzuhalten, Pausen im Freien zu ermöglichen. Überlange Arbeitszeiten müssen ausgeschlossen, Überstunden auf ein Minimum beschränkt werden. Es darf keine Ausweitungen bei der Sonntagsarbeit, etwa im Handel oder von Lenkzeiten im Transportgewerbe geben. Entsprechende Ausnahmegenehmigungen im Arbeitszeitrecht aus Anlass der Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 sind zurückzunehmen.
  6. Starke Betriebs- und Personalräte sind eine wichtige Kontrollinstanz beim Arbeits- und Gesundheitsschutz. Sie überwachen, ob sich die Arbeitgeber an die Regeln halten bzw. entwickeln diese Regeln im Rahmen ihrer Mitbestimmungsrechte mit. Auch haben sie ein Initiativrecht beim Arbeits- und Gesundheitsschutz und können die Arbeitgeberseite überhaupt erst dazu auffordern in Sachen Pandemieplanung aktiv zu werden (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG). Allerdings gibt es sie nur noch in jedem zehnten Betrieb. Deshalb ist es höchste Zeit, die betriebliche Mitbestimmung auszuweiten. Betriebsratswahlen müssen auch in Corona-Zeiten schnell und unbürokratisch möglich sein. 
  7. Bestimmte Beschäftigtengruppen müssen besonders geschützt werden. Die betriebliche Pandemie-Planung muss das Schutzbedürfnis von COVID-19 Risikogruppen besonders berücksichtigen. In den allermeisten Fällen muss dies dazu führen, dass betroffene Kolleg*innen nicht mehr im Kunden- oder Klientenbetrieb eingesetzt werden und ihnen längere Fahrtwege im ÖPNV erspart bleiben. Sollten keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, so sind sie bei voller Entgeltzahlung freizustellen. Außerdem brauchen wir gute Regelungen für Eltern und pflegende Angehörige, damit die Doppelbelastung von Homeoffice und Betreuungspflichten nicht zu gesundheitlichen Problemen führt.