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5 x 5 für ein soziales Land

Positionspapier,

Sofortprogramm, vorgelegt vom Vorstand der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag auf dem 4. Parlamentariertag der LINKEN am 11. Februar 2016 in Magdeburg

Sofortprogramm, vorgelegt vom Vorstand der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag auf dem 4. Parlamentariertag der LINKEN am 11. Februar 2016 in Magdeburg

 

In der seit Monaten anhaltenden Auseinandersetzung zu einer der größten humanitären Krisen der Gegenwart verstellt der herrschende menschenfeindliche Populismus den Blick darauf, dass das gesamte Land von der CSU/CDU-SPD Koalition seit Jahren auf Verschleiß gefahren wurde. Unter dem Druck der Schuldenbremse und der Fixierung auf die Schwarze Null wurden Personalabbau und Privatisierungen im öffentlichen Sektor, Kürzungen beim sozialen Wohnungsbau und der Arbeitsförderung sowie ein enormer Sanierungsnotstand kommunaler Einrichtungen viel zu lange in Kauf genommen. Zuwanderung hat die vielfältigen Probleme nicht hervorgerufen – sondern macht sie besonders sichtbar. Es gilt, die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen und dabei nicht die Schwachen gegen die Schwächsten auszuspielen, wie es derzeit die Große Koalition betreibt.

In Zeiten des koalitionären Hickhacks, das einen enormen Rechtsruck in der Gesellschaft befeuert, und immer nationalistischerer Parolen, die Obergrenzen, Sozialkürzungen für Flüchtlinge und totale Abschottung bis hin zum Schießbefehl fordern, formuliert DIE LINKE den Anspruch, eine radikal solidarische Zeitenwende einzuleiten und hat dazu konkrete Vorschläge:

Wir fordern für 2016 ein 25-Milliarden-Sofortprogramm des Bundes für eine soziale Offensive, mit der dieses Land eine Zukunft für alle einleiten kann.

  • 5 Milliarden Euro für gemeinnützigen, sozialen Wohnungsbau
  • 5 Milliarden Euro für Bildung
  • 5 Milliarden Euro für Sicherheit und die Stärkung des öffentlichen Dienstes
  • 5 Milliarden Euro für öffentliche Beschäftigung und Integration
  • 5 Milliarden Euro für die Bekämpfung von Fluchtursachen

Neben einer verlässlichen Finanzierung aus den Steuermehreinnahmen fordern wir entsprechende Umschichtungen im Haushalt. Mit Hilfe der Einnahmen aus einer Millionärssteuer und einer reformierten Erbschaftssteuer wollen wir die Programme in den Folgejahren ausbauen, verstetigen und finanziell absichern.

Jetzt ist die Zeit für ein entschiedenes Gegen- und Umsteuern gegenüber der Kürzungspolitik der Bundesregierung und für eine radikale Neuordnung der Finanzen im Bund und in den Ländern - für handlungsfähige, funktionierende Kommunen und ein soziales, gerechtes und lebenswertes Land.

5 Milliarden für einen Neustart im sozialen, gemeinnützigen Wohnungsbau

In Deutschland gibt es eine neue Wohnungsnot. Vor allem in Großstädten, Ballungsgebieten und Universitätsstädten ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum eklatant. Mietsprünge von bis zu 50 Prozent in wenigen Jahren sind in vielen Großstädten keine Seltenheit mehr. Und auch in kleineren Städten ziehen die Mieten mehr und mehr an. Dieser Entwicklung haben die Bundesregierungen der letzten Jahrzehnte nicht nur tatenlos zugesehen. Der Bund hat sie durch den Ausverkauf seiner eigenen Wohnungen vorangetrieben. Seit 1994 wurden 352.000 bundeseigene Wohnungen privatisiert. Damit nicht genug gab es einen Kahlschlag im sozialen Wohnungsbau. Von den vier Millionen Sozialwohnungen, die es 1989 noch gab, sind heute gerade einmal knapp 1,4 Millionen übrig. Tendenz weiter sinkend, denn jährlich fallen 80.000 -100.000 Sozialwohnungen aus der Preisbindung. Dem gegenüber stehen nur 9.800 neu gebaute Sozialwohnungen im Jahr 2013.

Laut Pestel-Institut fehlen in Deutschland mindestens 4 Millionen Sozialwohnungen. Da sind die Flüchtlinge, die im letzten Jahr gekommen sind, noch nicht eingerechnet.

Prof. Voigtländer vom arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW Köln) hat unter diesem Eindruck erst vor kurzem einen durchschnittlichen Baubedarf von jährlich zwischen ca. 402.000 und 447.000 Wohneinheiten für den Zeithorizont von 2015 bis 2020 für den deutschen Wohnungsmarkt berechnet. Die vor kurzem auf eine Milliarde Euro erhöhten Bundesmittel sind vor diesem Hintergrund ein Tropfen auf den heißen Stein. Damit kann vermutlich noch nicht einmal der abzusehende Rückgang von Sozialwohnungen durch den Wegfall von Belegungsbindungen kompensiert werden.

Der Zuzug von Flüchtlingen ist nicht die Ursache der Wohnungsnot, vergrößert aber die Versorgungslücke mit bezahlbarem Wohnraum.

  1. Schnelle Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für alle, die hier leben
    Die eklatante Versorgungslücke von mindestens 4 Millionen Sozialwohnungen muss in den nächsten 10 Jahren durch den Bau von bezahlbaren Mietwohnungen geschlossen werden. DIE LINKE fordert jährlich 5 Milliarden Euro zur direkten Förderung des Sozialen, gemeinnützigen Wohnungsbaus bundesweit.
  2. Gemeinwohl statt Renditeorientierung
    Die öffentlichen Mittel für den Wohnungsbau sollen vorwiegend gemeinnützigen Trägern, insbesondere öffentlichen Wohnungsgesellschaften (Bund, Länder, Kommunen), Genossenschaften und Initiativen, die sich der Gemeinnützigkeit verpflichten, zugutekommen. Die direkte Förderung von nicht-profitorientierten Trägern kann langfristig bezahlbarer Wohnraum gewährleisten.
  3. Dauerhafte Belegungsbindung
    Die Belegungsbindungen für Wohnungen, die mit öffentlichen Geldern bezuschusst werden, laufen nach den bisherigen Förderprogrammen nach in der Regel 15 Jahren aus. Danach sind die Wohnungen wieder frei am Markt verfügbar und die Mieten können drastisch erhöht werden. Wir fordern dauerhafte Belegungsbindung.

5 MIlliarden für Bildung

Die Bundesregierung darf sich nicht länger hinter dem Kooperationsverbot verstecken und muss ihren Teil dazu beitragen, allen Menschen im Land gute Bildung zu ermöglichen und die Länder und Kommunen bei der Umsetzung zu unterstützen.

Deswegen fordert die Linke ein Bund-Länder-Programm für Sofortmaßnahmen in der Bildung.
Und die beginnt in der Kita. Da brauchen wir bundesweit 100.000 weitere Plätze. Das war schon richtig, bevor eine größere Zahl von Geflüchteten zu uns gekommen ist, und jetzt gilt es erst recht. Mehr als ein Drittel der Geflüchteten ist jünger als 18 Jahre. Viele neue Schülerinnen und Schülern müssen in den Schulalltag integriert werden. Dafür braucht es mehr festangestellte, qualifizierte und gut bezahlte Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte, und zwar an öffentlichen Schulen und öffentlichen Einrichtungen. Der Bund muss mithelfen, die mindestens 25.000 Stellen zu schaffen, zu finanzieren und in die Aus- und Weiterbildung von Lehrern zu investieren.
Außerdem könnten mit dem Engagement des Bundes u.a. finanziert werden:

  • ein Weiterbildungsprogramm des Bundes für Lehrkräfte und ErzieherInnen für den Umgang mit Deutsch als Zweitsprache
  • Bedarfsgerechte Erstausstattung an Schulbedarf
  • Zusätzliche Sprach- und Alphabetisierungskurse für erwachsene Flüchtlinge
  • Ein Qualifizierungsprogramm ‚interkulturelle Pädagogik‘ für die Fachkräfte, die mit geflüchteten und traumatisierten Kindern und Jugendlichen arbeiten.

5 Milliarden für Sicherheit und Stärkung des Öffentlichen Dienstes

In den vergangenen Jahren haben wir einen Ausbau von Befugnissen von Geheimdiensten und Polizei erlebt, der zuletzt mit der Einführung der Speicherung aller Kommunikationsdaten der Bürgerinnen und Bürger auf Vorrat einen Höhepunkt erfahren hat. Zugleich wird die Polizei gerade in ländlichen Räumen aus der Fläche zurückgezogen, fehlen Kriminalistinnen und Kriminalisten für Ermittlungen im Bereich der Kinderpornographie, leiden Polizistinnen und Polizisten an massiver Überlastung. Statt neuen Befugnissen und mehr technischen Überwachungsmöglichkeiten wollen wir mehr Personal für die Bekämpfung der Alltagskriminalität. Zur Öffentlichen Sicherheit gehört für uns auch ein gut ausgestatteter Katastrophen- und Zivilschutz, Technisches Hilfswerk und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe müssen deutlich gestärkt werden. Die Förderung des Ehrenamtes ist uns dabei ein besonderes Anliegen.

Insbesondere heißt das auf Bundesebene:

  • Stellenaufwuchs BKA Kinderpornographie/Einbruchsdiebstahl/Organisierte Kriminalität: 300 Stellen – ca. 30 Mio. Euro
  • Technische Modernisierung Katastrophen/Bevölkerungsschutz, Förderung THW: 500 Mio. Euro
  • Stärkung Präventionsprogramme Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, Islamismus: 50 Mio. Euro

Wie bei der Polizei, fehlt auch im Öffentlichen Dienst an allen Ecken und Enden Personal. Monatelange Wartezeiten für Termine auf Behörden, überlastete und demotivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und fehlende Reaktionsmöglichkeiten auf besondere Herausforderungen sind die Folge. Die Schwierigkeiten bei der Aufnahme und Versorgung der Flüchtlinge führen dies vor Augen. Wir wollen den Öffentlichen Dienst auf allen Ebenen personell deutlich stärken. Dies gilt insbesondere für den Bereich Digitalisierung und IT-Infrastruktur der Behörden. Fachkundiges Personal wollen wir mit attraktiven Beschäftigungsbedingungen gewinnen. Nur so können die Chancen der Digitalisierung für mehr Transparenz und Bürgernähe genutzt werden. Die Stärkung des öffentlichen Dienstes ist für uns auch eine Frage demokratischer Teilhabe. Nur ein handlungsfähiger Staat kann demokratische Entscheidungen wirkungsvoll durchsetzen und damit der Politikverdrossenheit entgegenwirken.

Wir wollen:

  • die Beendigung der Befristungen in der Bundesverwaltung
  • eine Einstellungsoffensive, mit der wir mittelfristig zum Beschäftigungsniveau im Jahr 2000 mit 4,44 Mio. Beschäftigten in Bund und Ländern (2014: 4,08 Mio.) zurückkehren (Bund: 2005: 740.000, 2014: 696.500)
  • eine Ausbildungsoffensive – bis 2020 scheiden 25% der Mitarbeiter altersbedingt aus. Eine Ausbildungsoffensive sollte explizit für Flüchtlinge offen sein.

5 Milliarden Euro für Integration und öffentlich geförderte Beschäftigung

Es ist an der Zeit, endlich mehr für Langzeiterwerbslose zu tun. Gleichzeitig müssen Flüchtlinge zügig in den Arbeitsmarkt integriert werden. Deshalb ist die Unterfinanzierung in der Arbeitsförderung zu beenden und der Eingliederungstitel um 1,6 Milliarden Euro aufzustocken. Daneben ist zur Bekämpfung der Langzeiterwerbslosigkeit ein  öffentlich geförderter Beschäftigungssektor zu schaffen, finanziert aus einer Sonderabgabe der Arbeitgeber von 0,5% der Lohnsumme.

Das Personal in den Arbeitsagenturen und Jobcentern ist im Interesse der Erwerbslosen deutlich aufzustocken. Der Bund erhöht im SGB II den Titel für Verwaltungs- und Personalkosten um 1,1 Mrd. Euro.

Speziell zur Integration von Flüchtlingen muss die Integrationsförderung des Bundes um 1,5 Mrd. Euro aufgestockt werden, insbesondere im Etat für Integrationskurse, damit alle Asylsuchenden einen Zugang zu Sprachkursen finden, Lehrkräfte angemessen und gut bezahlt und sozial abgesichert werden können, aber auch für die Verbesserung der Beratungsstruktur für neu Eingewanderte und der Projektförderung für lokale Integrationsprojekte sowie die Neuschaffung eines Fonds zur Stärkung der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe.

Der Bund hat die Kosten für die Berufsanerkennungsverfahren zu übernehmen. Dies ist eine längst überfällige Maßnahmen und kommt vor allem auch den bereits seit Jahren in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten zu Gute.

Der Mindestlohn wird zügig auf 10 Euro angehoben und die Finanzkontrolle Schwarzarbeit, die seine Einhaltung überwacht, wird schnellstmöglich um 5.000 Stellen aufgestockt.

5 Milliarden zur Bekämpfung der Fluchtursachen

Deutschland hat sich international verpflichtet, die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) anzuheben. Dieses Ziel wird regelmäßig und deutlich unterschritten. Im Jahr 2014 lag die sogenannte ODA-Quote (Anteil der EZ am BNE) bei 0,41 Prozent. Die Bundesregierung hat zwar die ODA im Jahr 2015 angehoben und der Zuwachs soll verstetigt werden (insgesamt plus 8,3 Mrd. Euro von 2015 bis 2019). Auch begrüßen wir die recht hohen Zusagen der Bundesregierung auf der Londoner Geberkonferenz für die syrischen Kriegsopfer (2,3 Mrd. Euro in drei Jahren). Aber von der 0,7 sind wir nach wie vor weit entfernt.

Allein an diesem Finanzierungsversprechen gemessen, gibt es einen Investitionsstau in der EZ in Höhe von rund 8 Mrd. Euro – pro Jahr! Dabei sehen wir in der EZ nicht einfach ein Mittel zur Beseitigung von Fluchtursachen, sondern ein Instrument, mit dem wir partnerschaftlich eine gerechtere Welt für alle erreichen wollen. Auf einzelnen Feldern der EZ entscheidet sich aber auch ganz direkt, ob Menschen in den Ländern des Südens Perspektiven für sich sehen oder ob sie gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, um für sich und ihre Familien das Überleben zu sichern – das gilt insbesondere für die Situation von Kriegsflüchtlingen, die sich über Jahre in den Zufluchtsländern aufhalten müssen und dort Perspektiven für ihre Kinder aufbauen wollen.

Wir fordern deshalb:

  1. Der Pfad zum 0,7-Prozent-Ziel muss sich konkret im Haushalt abbilden. Bis 2020 muss das Ziel erreicht sein. Die Linksfraktion will die EZ auf die Bekämpfung sozialer Ungleichheit, die Stärkung staatlicher Funktionen, auf Infrastrukturausbau und Beschäftigung ausrichten.
  2. Wir fordern insbesondere die Aufstockung der humanitären Hilfe um 500 Mio. Euro, der Übergangshilfe um 250 Mio. Euro und der Sonderinitiative Fluchtursachen um 250 Mio. Euro im Haushalt – sowohl bei den Barmitteln als auch bei den Verpflichtungsermächtigungen.
  3. Wir fordern die Aufstockung der regelmäßigen Sockelbeiträge an die großen Flüchtlings- und Entwicklungsorganisationen der Vereinten Nationen (VN), damit diese nicht bei jeder Krise betteln gehen müssen: plus 100 Mio. für das Entwicklungsprogramm der VN, plus 250 Mio. für das Welternährungsprogramm (WFP) und plus 100 Mio. Euro für das VN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR).
  4. Die Instrumente der zivilen Krisenprävention und Konfliktbearbeitung wollen wir um 300 Mio. Euro, den Zivilen Friedensdienst um 40 Mio. Euro aufstocken und um eine Initiative für einen Europäischen und einen Afrikanischen Zivilen Friedensdienst ergänzen (plus 60 Mio. Euro).
  5. Deutschland muss seinen gerechten Anteil an der Klimafinanzierung leisten. Dieser Beitrag muss zusätzlich sein, d.h. er darf nicht auf die EZ angerechnet werden. Die Bundesregierung rechnet bislang ihre Klimamittel gegen die EZ-Mittel auf.