Zehntausende Hartz-IV-Bezieher:nnen waren direkt oder indirekt von zu niedrigen Richtwerten für Miete und Heizung betroffen. Viele von ihnen haben zu Unrecht nicht ihre volle Miete erhalten und mussten diese Wohnkostenlücke aus dem Regelsatz zahlen. Das zeigen Sozialgerichtsurteile allein aus dem Jahr 2020.
Wie hoch die Miete und die Heizkosten bei Hartz IV bzw. Bürgergeld sein dürfen, wird kommunal festgelegt. Für dieses Berechnungsverfahren der Wohnkosten (juristisch: „Kosten der Unterkunft und Heizung“ bzw. KdUH) gibt es nur sehr allgemeine gesetzliche Vorgaben, deshalb war das Problem lange Zeit ein Dauerbrenner an Sozialgerichten. Es ist auch jetzt noch nicht gelöst, stattdessen werden rechtliche Unklarheit und kommunale Engpässe oft auf dem Rücken von Hartz-IV-BezieherInnen ausgetragen.
Eine Recherche der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags zeigt, dass allein im Jahr 2020 Sozialgerichte in 24 Fällen rechtswidrige Richtwerte feststellten. „Rechtswidrig“ bedeutet: zu niedrig, denn schon aus Spargründen setzen Kommunen keine zu hohen Werte fest, und Hartz-IV-Bezieher:innen würden nicht dagegen klagen. Die Urteile betrafen acht Städte bzw. Kreise zu unterschiedlichen Zeiträumen zwischen 2014 und 2020. Dort lebten mehrere zehntausend Hartz-IV-Bezieher:innen. Sie alle waren direkt oder indirekt von den zu niedrigen Richtwerten betroffen, nicht nur die Kläger:innen.
Direkt betroffen waren diejenigen, die konkret zu wenig Hartz IV erhalten haben: Das sind Hartz-IV-Bezieher:innen, denen im betreffenden Zeitraum nicht die vollen Wohnkosten gezahlt wurden („Wohnkostenlücke“), weil ihre Miete und/oder die Heizkosten die Richtwerte überschritten. Sie hätten also Anspruch auf höhere Leistungen gehabt; eventuell hätten sie sogar die vollen Wohnkosten erhalten.
Aber auch die anderen Hartz-IV-Bezieher:innen – die ihre vollen Wohnkosten erstattet bekommen haben – sind indirekt von den rechtswidrigen Richtwerten betroffen: Sie haben sich möglicherweise an den zu niedrigen Richtwerten orientiert, auf einen Umzug verzichtet oder übermäßig sparsam geheizt.
Die Urteile beziehen sich teilweise nur auf bestimmte Aspekte, z. B. nur auf bestimmte Haushaltsgrößen. Auch hier liegt die Vermutung nahe, dass weitere Teile des Konzepts ebenfalls fehlerhaft waren, sodass alle Hartz-IV-Haushalte betroffen waren.
Diese Fälle sind nur ein kleiner Ausschnitt von rechtswidrigen Richtwerten, denn sie basieren nur auf Urteilen aus dem Jahr 2020, die in der Datenbank juris veröffentlicht wurden. Wenn man noch weiter recherchieren würde, würde man noch zahlreiche weitere Sozialgerichtsentscheidungen finden, in denen Konzepte für Wohnkosten als rechtswidrig erkannt wurden.