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Demoteilnehmer halten Schilder mit den Aufschriften »Wir wollen kein rumgeCETA« und »Einbahnstraße CETA« © Jakob Huber/CampactFoto: Jakob Huber/Campact

Wir stimmen CETA nicht zu - Keine Sonderklagerechte für Investoren

Im Wortlaut von Amira Mohamed Ali, Dietmar Bartsch,

Der Deutsche Bundestag hat das CETA-Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada am 1. Dezember 2022 ratifiziert. Die Zustimmung des Bundesrates steht noch aus. Die Länderkammer wird sich am 16. Dezember 2022 mit dem Abkommen befassen.

Der Handelsteil des Abkommens wird bereits seit einigen Jahren vorläufig angewendet. Jetzt geht es darum, ob Deutschland auch der Anwendung der Bestimmungen zum Investorenschutz zustimmen will, die in CETA vereinbart wurden. DIE LINKE. hat sich im Bündnis mit globalisierungskritischen Organisationen, Verbraucher- und Umweltschützer:innen und vielen anderen gegen Freihandelsabkommen wie CETA ausgesprochen.

Im Bundestag stimmte die Linksfraktion gegen die Ratifizierung. Auch aus den Landesregierungen, an denen DIE LINKE. beteiligt ist, wird es keine Zustimmung zu CETA geben. In dieser Haltung stimmen wir überein mit der Europäischen Linken, die in der Fraktion THE LEFT des Europäischen Parlaments organisiert sind.

Milliardengeschäft der Konzern-Klagen gegen Regierungen

Das Verklagen von Regierungen hat sich weltweit zu einem Milliardengeschäft entwickelt. Spezialisierte Anwaltskanzleien nutzen aus, wenn Unterzeichnerstaaten in Abkommen ausländischen Investoren ein Klagerecht vor Sondertribunalen einräumen und Gewinnerwartungen vor einer neuen Umweltgesetzgebung oder der Einrichtung eines Naturschutzgebietes geschützt werden sollen.

Ein Beispiel: Der kanadische Bergbaukonzern Gabriel Resources verklagt derzeit die Regierung von Rumänien. Der Konzern wollte in Rosia Montana die größte Goldmine Europas errichten. Eine frühere rumänische Regierung hatte dem Unternehmen die Lizenz dafür verkauft. Das Gold sollte mit hochgiftiger Zyanid-Technik aus dem Gelände gewaschen werden. Die Menschen vor Ort stemmten sich unterstützt von Umweltschutzorganisationen dagegen. Landesweit schlossen sich viele Tausend Menschen an. Als eine neue rumänische Regierung Rosia Montana für seine historische römische Goldmine auf die Liste der UNESCO-Weltkulturerbestätten setzen lassen wollte, drohte der kanadische Konzern mit Klage vor einem Investorenschutz-Sondergericht aufgrund eines bilateralen Abkommens, dass Rumänien in den 90er Jahren mit Kanada abgeschlossen hatte. Nachdem Rosia Montana es auf die Liste der UNESCO geschafft hatte, rollte der Konzern seine Klage aus und verlangte 4,4 Milliarden Dollar Entschädigung. Das Verfahren läuft noch. Rumänien droht eine ruinöse Verurteilung durch ein Sondertribunal.

Laut der UNO-Organisation UNCTAD gab es bis Ende 2021 weltweit 1.190 solcher Investorenklagen (ISDS). Die meisten dieser Klagen hatten die Bestimmungen des Energiecharter-Vertrages (ECT) als Grundlage. An Nummer zwei stand das alte Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA, kanadischer Bergbau- und Energiekonzerne erwiesen sich als besonders klagefreudig. In 2021 gab es 42 neue Klagen, darunter auch gegen die EU-Mitgliedstaaten Finnland, Malta und die Niederlande.

Investorenschutz-Abkommen kündigen – Widersprüchliches Verhalten der Ampelparteien

Immer mehr Staaten kündigen inzwischen ihre Investorenschutz-Abkommen. Südafrika machte den Anfang, weitere Mitgliedstaaten der EU kündigen etwa ihre Mitgliedschaft im Energiecharter-Vertrag ECT. Italien und Polen vollzogen diesen Schritt, die Regierungen von Frankreich und Spanien haben ihn beschlossen und auch die deutsche Bundesregierung will aus dem ECT aussteigen. Leider enthält der Vertrag eine Klausel, die noch für weitere 20 Jahre nach dem Austritt Klagen ermöglicht.

Als LINKE begrüßen wir den Austritt Deutschlands aus dem ECT-Vertrag. Wir setzen uns im Europäischen Parlament dafür ein, dass auch die Europäische Union aus dem ECT-Vertrag aussteigt, nachdem eine versuchte Reform am Widerstand einflussreicher Kanzleien scheiterte, die ihr Geschäftsmodell bewahren wollten.

Nachdem die Ampelparteien SPD, FDP und Grüne beschlossen haben, aus dem ECT auszusteigen, wäre es wenig konsequent, CETA zu ratifizieren und damit ein neues Klageportal zu öffnen.

Der gefährliche Klagemechanismus bei CETA heißt nicht ISDS, sondern ICS (Investitionsgerichtssystem = investment court system). Das Wirkungsprinzip ist dasselbe: Ausländischen Investoren wird ein Klageweg vor einer Sonderinstanz eröffnet, die ihre Entscheidungen über die Abwägung von Werten nicht auf Basis des deutschen Grundgesetzes trifft, sondern nach dem Wortlaut des Freihandelsabkommens CETA.

Als LINKE sind wir der Auffassung, dass es inländischen wie ausländischen Investoren genügen muss, im Zweifel ihren Rechtsanspruch auf eine Entschädigung im deutschen Gerichtssystem klären zu lassen. In der Ablehnung des ISDS-Systems sind wir uns etwa mit dem Deutschen Richterbund einig, der die Schaffung von Tribunalen hinterfragt, für die noch gar kein internationales Recht geschrieben wurde.

Die gute Nachricht: Selbst wenn eine Mehrheit der Länder im Bundesrat zustimmt, sind die Klagen auf Basis von CETA damit nicht sofort möglich sind. Erst muss das Verfahren in allen EU-Mitgliedstaaten und Kanada durchlaufen sein. Sollte Deutschland das CETA-Abkommen ratifizieren, stehen folgende Ratifizierungen Stand Dezember 2022 weiter aus: Belgien, Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Polen, Slowenien, Ungarn, Zypern sowie Kanada und die EU.

Das Oberste Gericht von Irland hat am 11. November 2022 geurteilt, dass das Klagerecht für Investoren in CETA nicht im Einklang mit den bestehenden Gesetzen steht und eine Ratifizierung durch die irische Regierung damit gegen die Verfassung verstoßen würde. Es ist derzeit zweifelhaft, ob sich eine irische Regierung an entsprechende Gesetzesänderungen machen wollen würde.


Amira Mohamed Ali, MdB / Dietmar Bartsch, MdB (Vorsitzende Linksfraktion im Deutschen Bundestag)

Janine Wissler, MdB / Martin Schirdewan, MdEP (Parteivorsitzende DIE LINKE.)

Martina Michels, MdEP / Helmut Scholz, MdEP (Delegation DIE LINKE. im Europaparlament)

Klaus Lederer, Bürgermeister und Senator für Kultur und Europa / Lena Kreck, Senatorin für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung (Berlin)

Kristina Vogt, Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa (Bremen)

Simone Oldenburg, Ministerin für Bildung und Kindertagesförderung / Jacqueline Bernhardt, Ministerin für Justiz, Gleichstellung und Verbraucherschutz (Mecklenburg-Vorpommern)

Bodo Ramelow, Ministerpräsident / Benjamin-Immanuel Hoff, Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten (Thüringen)