Die Bundesregierung schont in der Energiekrise die Reichen und schröpft die Armen und Arbeitenden. Kanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck haben mit ihrer Opposition zur Übergewinnsteuer einer gerechten Krisenbekämpfung eine Absage erteilt. Gleichzeitig sollen normale Verbraucher mit der Gasumlage die Hauptlast tragen. Laut Verivox verursacht diese Umlage bis zu 2.300 Euro Mehrkosten für eine Kleinfamilie pro Jahr. Die Steuerpläne von Lindner kämen in absoluten Zahlen auch deutlich den Einkommensreichen zugute.
Für Privathaushalte ist ein Energiepreisdeckel dringend erforderlich. Pro Person sollte ein Grundkontingent mit einer Preisgarantie festgelegt werden. Erst bei Mehrverbrauch dürfen die Preise dann steigen. So kann vor allem Verschwendung über den Preis bekämpft werden. Ein solcher Preisdeckel sollte Teil eines dritten Entlastungspakets sein, das für die Mehrbelastungen ab September unbedingt kommen muss.
Die Wirtschaft nicht vergessen
Doch auch die Wirtschaft darf von der Bundesregierung in der aktuellen Notsituation nicht vergessen werden. Es muss verhindert werden, dass Beschäftigte an ihren Arbeitsplätzen frieren, weil den Unternehmen das Gas abgestellt wurde, noch darf es zu Produktionsstopps oder –Drosselungen kommen. Nichts spricht jedoch gegen Einsparungen und die Vermeidung von Verschwendung – im Gegenteil, wo es geht, muss eingespart werden und vor allem exzessiven Luxuskonsum gilt es zu vermeiden.
Auch die Debatte um eine Priorisierung der Gasversorgung im Falle einer Mangellage ist nicht mit einem einfachen Haushalt vor Industrie beantwortet. Aufgrund der Sektorkopplung werden auch viele Wohnungen durch Abwärme von Betrieben beheizt. Wenn in manchen Regionen die Bänder still stehen, würden gleichzeitig die Heizungen ausgehen. Die industrielle Abwärmenutzung sollte ausgebaut werden, auch wenn sie das Problem einer abstrakten Abschalt-Reihenfolge verdeutlicht. Vor allem muss bei einer Priorisierung einer möglichen Gas-Mangellage eine Unterscheidung zwischen systemrelevanten Produktionsstätten (z. B. für Grundnahrungs- oder Arzneimittel) und nicht-systemrelevanten Produktionsstätten vorgenommen werden.
Auf jeden Fall müssen die personellen und technischen Kapazitäten der Bundesnetzagentur ausgebaut werden. Aus einer schriftlichen Frage des Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers der Fraktion DIE LINKE, Jan Korte, geht hervor, dass nur zwölf bis 15 Beschäftigte im Schichtbetrieb im Notfall die Einzelfallentscheidungen über die Gasverteilung treffen sollen und dass die dafür nötige IT- und technische Infrastruktur noch gar nicht vorhanden ist. Es muss oberste Priorität sein, hier einen handlungsfähigen Krisenstab aufzubauen und ihm klare und soziale Leitlinien an die Hand zu geben.
Gaspreise deckeln – Inflation bremsen
Die bisherigen Hilfen für energieintensive Unternehmen sind offensichtlich ein Flopp. Immer mehr Branchen und Unternehmen beschweren sich, nicht berücksichtigt zu werden und von den insgesamt 1.500 antragsberechtigten Unternehmen, der sogenannten KUEBLL-Liste, sind erst von 13 Unternehmen Anträge eingegangen, teilte das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) mit. Hier besteht dringend Handlungsbedarf. Richtig war die Weichenstellung hin zur Vergesellschaftung des systemrelevanten Gasversorgers Uniper. Job- und Versorgungssicherheit müssen bei staatlichem Handeln oberste Priorität haben. Wenn es nicht anders geht, müssen auch für eine kurze Dauer Kohlekraftwerke länger in Betrieb bleiben. Gegenüber Atomkraftwerken haben sie den Vorteil, dass sie auch Wärme produzieren und nicht ausschließlich Strom. Sollte jedoch wirklich ein Engpass drohen, der zu kalten Wohnungen oder massiver Arbeitslosigkeit führen könnte, sollte ideologiefrei über kurzfristig mögliche Alternativen nachgedacht werden.
Ein Preisdeckel für Haushalte und kritische Infrastruktur, aber auch den Mittelstand und energieintensive Unternehmen ist gleichzeitig eine Inflationsbremse. In Frankreich wurden die Gaspreise auf dem Niveau von Oktober 2021 eingefroren, das bremste die dortige Inflationsrate um 1,3 Prozentpunkte. Auch eine Übergewinn- und eine Vermögenssteuer würden nicht nur den beschleunigten Ausbau der Energie- und Wärmewende ermöglichen, sondern gleichzeitig die profitgetriebene Inflation bremsen.
DIE LINKE fordert die Bundesregierung auf, die angekündigte Solarpflicht für Neubauten sofort einzuführen, die Ausbauziele für Windkraft zu erhöhen und gleichzeitig die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Es braucht den behördlichen Tesla-Speed auch für den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Der Energiebedarf für die Wärmeversorgung in Deutschland ist in etwa doppelt so groß ist wie der für Strom. Dabei spielen fossile Energieträger wie Öl und Gas mit etwa 75 Prozent nach wie vor die größte Rolle. Um diese Wärmewende schnellstmöglichst anzugehen, braucht es sogenannte „Power-to-heat“ Technologien, die erneuerbaren Strom in Wärme umwandeln können, wie zum Beispiel Wärmepumpen in Mehrfamilienhäusern. Vor allem für Prozessenergie und die Sektorkopplung in der Industrie müssen die bestmöglichen Technologien schnell zum Einsatz kommen. Gefördert durch Differenzverträge (Carbon Contracts for Differences) und mit einer Ausbildungsoffensive für die benötigen Handwerksfachkräfte können wir anstatt eines kalten Winters doch noch einen warmen erleben. Doch dafür brauchen wir einen heißen Herbst, denn jetzt wird wieder in die Hände gespuckt.