Von Fabio De Masi, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Das Verhandlungsergebnis, das EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit US-Präsident Donald Trump in Washington erreicht hat, ist kein Grund zum Feiern. Auch wenn Wirtschaftsminister Altmaier den Deal mit Trump feiert wie einen Sieg bei der Fußball-WM.
Der vorübergehende Verzicht auf neue Strafzölle ist lediglich eine Feuerpause im transatlantischen Handelskrieg. Zum Schutz der deutschen Automobilindustrie hat die EU weitreichende Zugeständnisse gemacht. Der rauchende Colt von US-Autozöllen bleibt aber geladen, bis eine Untersuchung des US-Handelsministeriums abgeschlossen ist.
Neue Gefahren für Umwelt-, Arbeits- und Verbraucherschutzstandards
Trump wollte ein neues TTIP-Abkommen und die Bundesregierung und die EU Kommission stehen bei Fuß. Nun sollen Zölle und sogenannte nicht-tarifäre Handelshemmnisse – also Umwelt-, Arbeits- und Verbraucherschutzstandards – für Industriegüter außer Autos abgebaut werden. Zudem sollen Hemmnisse im Handel mit Dienstleistungen, Chemikalien, Arzneimitteln, Medizinprodukten und Sojabohnen beseitigt werden. Letzteres ist ein Erfolg für Trump vor den Halbzeitwahlen im November. Denn innenpolitisch steht er unter Druck, weil China im Handelskrieg mit den USA, Sojaproduzenten mit Strafmaßnahmen belegt hat. Die Verpflichtung der EU, mehr US-Sojabohnen zu importieren, ist daher gut für das US-Agrobusiness und Trump, aber schlecht für Landwirte in Europa.
Zudem verpflichtet sich die EU, mehr US-Frackinggas (LNG) zu kaufen. Dies birgt neues Konfliktpotential mit Russland, denn LNG ist mit russischem Erdgas preislich nicht konkurrenzfähig. Der Deal geht also zu Lasten von Ländern wie Italien, die bisher vor allem russisches Gas importieren. Um dem US-Produkt einen Vorteil zu verschaffen, wird Trump wohl bald neue Sanktionen gegen Russland oder gegen Unternehmen ankündigen, die an Pipeline-Projekten wie
Nord Stream 2 beteiligt sind.
Im Handelskrieg mit den USA rächen sich die deutsche Wirtschaftspolitik und die Europolitik der vergangenen Jahre. Die einseitige Förderung des Exports durch Lohndumping hat die Bundesregierung diplomatisch entwaffnet. Denn nicht erst seit Trump gibt es heftige internationale Kritik an den deutschen Leistungsbilanzüberschüssen, die dazu führen, dass sich das Ausland für Waren "Made in Germany" verschuldet.
Die Kürzungspolitik in der Eurozone hat zudem die Binnenwirtschaft geschwächt und somit die Abhängigkeit vom Export und den USA vertieft. Deutschland und die EU sind daher gegenüber Trump verwundbar.
EU muss unabhängiger von den USA werden
Anstatt mit einem neuen TTIP zu versuchen, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, muss die EU unabhängiger von den USA werden. Dies erfordert die Stärkung der Binnenwirtschaft über höhere öffentliche Investitionen, Löhne und Renten, um die Exportabhängigkeit zu reduzieren. Überdies brauchen wir eine neue Entspannungspolitik mit Russland.
Mehr Investitionen in Krankenhäuser, Brücken, digitale Infrastruktur oder Universitäten wären gut für Deutschland und gut für Europa und würden die Abhängigkeit gegenüber den USA verringern. Zudem müssen US-Konzerne wie Google, Amazon & Co in der EU endlich hinreichend besteuert werden. Dies wäre eine Sprache die Trump versteht.