Von Alexander Ulrich, industriepolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Sigmar Gabriel hat recht, wenn er feststellt: "Im Ruhrgebiet bahnt sich ein strukturpolitisches Erdbeben an." Denn sollten die beiden Finanzinvestoren Cevian und Elliott ihr Ziel erreichen, Thyssenkrupp zu zerschlagen, wird es ernst für die weltweit 160.000 Beschäftigten.
Zwar konnte die IG Metall für die 27.000 deutschen Beschäftigten erst vor wenigen Monaten eine Arbeitsplatzgarantie aushandeln, doch die steht schon wieder zur Disposition. Denn auch die bevorstehende Fusion mit dem indischen Konkurrenten Tata Steel dürfte für die Beschäftigten ein schmerzhafter Weg sein. So soll beispielsweise der Firmensitz des neuen Stahlriesen vom Ruhrgebiet nach Rotterdam umziehen, was einer Zäsur für die Region bedeuten würde. Zudem könnte die zur Fusion notwendige bilanzielle und organisatorische Herauslösung des Stahlgeschäfts aus dem Gesamtkonzern den drängelnden Hedgefonds ein Anlass sein, die Zerschlagung des Mutterkonzerns in einzelne Sparten zu forcieren.
»Filetierung« auf Kosten der Beschäftigten
Thyssenkrupp ist ein diversifizierter Industriekonzern, der vom Rohmaterial bis zu fertigen Industrieanlagen eine breite Palette an Produkten anbietet. Wenn es nach dem schwedischen Investor Cevian und dem US-Hedgefonds Elliott ginge, würde der der Konzern "filetiert", wie es in der Sprache der Investoren heißt. Dabei werden Unternehmensteile verkauft und Beschäftigte entlassen, um nach dem Shareholder-Value-Prinzip das kurzfristige Gewinnlevel zu maximieren. Beim Verkauf der Einzelteile könnten sie mehr Geld verdienen als bei der Erhaltung des Ganzen. Damit ist die angestrebte "Filetierung" nichts anderes als die Zerschlagung eines produzierenden Unternehmens auf Kosten der Beschäftigten.
Die "aktivistischen Investoren" Cevia und Elliott gehen äußerst aggressiv vor. Im Juli sind sowohl Thyssenkrupp-Vorstandschef Heinrich Hiesinger als auch der Aufsichtsratsvorsitzende Ulrich Lehner zurückgetreten. Offensichtlich aufgrund des starken Drucks von Seiten der Fonds. Besonders Elliott, der Hedgefonds in den Händen des Multimilliardärs Paul Singer, ist für seine rabiaten Methoden bekannt. Manager berichten von Psychoterror und Erpressung durch Wirtschaftsdetektive im Auftrag von Elliott. Kollegen des ehemalige Siemens-Chef Klaus Kleinfeld ließen nach seinem Rücktritt verlautbaren, dass sogar seine Kinder und die Nachbarn im Auftrag des Fonds ausgehorcht wurden.
Erneuerung nur mit den Beschäftigten
Geschäftsmodelle, die darauf aufbauen, Menschen einzuschüchtern, Unternehmen zu zerstückeln und zu verhökern, die Beschäftigen auf die Straße zu setzen und nach dem großen Reibach einen Trümmerhaufen zurückzulassen, müssen verboten werden. Klar ist, dass sich Thyssenkrupp erneuern und zukunftssicher werden muss. Das Management hat sich mit dem Engagement in Brasilien verzettelt. Es muss ein nachhaltiges industrielles Konzept entwickelt werden, das die Beschäftigung sichert und auf Weiterbildung setzt. Aber dieser Transformationsprozess kann nicht gegen, sondern nur mit den Beschäftigten gelingen. Die Belegschaftsbeteiligung muss gesichert und ausgeweitet werden. Es muss zu einer echten Montan-Mitbestimmung zurückgekehrt werden, damit die Beschäftigten eine ernsthafte Chance bekommen, die Unternehmensstrategie mitzubestimmen. Nur so kann die Wirtschaft wieder dem Allgemeinwohl verpflichtet werden.
Stattdessen sieht die Bundesregierung nun tatenlos zu, wie die Finanzjongleure sich die Taschen vollstopfen, indem sie produzierende Unternehmen zerschlagen und tausende Arbeitsplätze vernichten. Es darf im Ruhrpott kein westdeutscher "Rust Belt" entstehen. Wenn eine ganze Region durch Deindustrialisierung erschüttert wird, schwindet die Perspektive auf ein sozial sicheres Leben einer ganzen Generation.
Zerschlagung verhindern, Arbeitsplätze schützen
Die Bundesregierung muss daher alle erdenklichen Schritte unternehmen, die Zerschlagung von Thyssenkrupp zu verhindern, alle 160.000 Arbeitsplätze zu schützen und die Montan-Mitbestimmung zu stärken und auszubauen. Rein spekulative Fonds und ihre schädliche Finanzgeschäfte gehören verboten.