Da haben wir die neue Renten-Kampagne. Diesmal ist es nicht die steigende Lebenserwartung, die uns angeblich zwingt, bis 70 oder 73 arbeiten zu müssen. Diesmal sind es nicht zu wenig Kinder, wegen derer die Renten der Älteren gekürzt werden müssten. Nein, jetzt heißt es: Die (Wieder-)Anhebung des Rentenniveaus – eine traditionelle Forderung von LINKEN, Gewerkschaften und Sozialverbänden - bringe gar nichts gegen Altersarmut. So die neugewählte Präsidentin der Rentenversicherung, Frau Gundula Roßbach in der Süddeutschen Zeitung vom 7. Februar 2017.
Ich hätte vorgewarnt sein können. In einer großen Sachverständigenanhörung im Bundestag am 23. Januar hatte der sozialdemokratische Abgeordnete Dr. Martin Rosemann sogar dem selbsternannten, marktradikalen und irrlichternden Rentenpapst Prof. Axel Börsch-Supan Raum gegeben, uns diesen Unsinn zu erzählen.
Bei der Präsidentin der Rentenversicherung könnte man so eine Aussage ja noch verstehen. Laut Satzung führt sie die laufenden Geschäfte der DRV; sie setzt die Gesetze um und sie stellt das alles nach Außen so weit möglich in einem hellen Lichte dar – oder zumindest so, als wenn alles gut laufen würde. Das ist verständlich, aber: Eine ganz große Koalition aus Union, SPD und Grünen hatte ab dem Jahr 2000 das Rentenniveau in den Sinkflug geschickt, Kürzungsfaktoren erfunden und den Menschen erzählt, dass sie die Lücke in der gesetzlichen Rente durch völlig intransparente und kapitalgedeckte Riesterrenten komplett schließen könnten. Dieser Traum ist zerplatzt. Dennoch ist er leider weiterhin die Geschäftsgrundlage, auf der die Rentenversicherung zu arbeiten hat. Richtiger und besser wird es dadurch nicht.
Gar nicht verstehen kann ich es aber, wenn drei Tage vorher Georg Cremer, der Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes in der gleichen Zeitung ins gleiche Horn bläst, wenn auch etwas differenzierter. Die Caritas ist ja der Wohlfahrtsverband der römisch-katholischen Kirche. Und diese redet jetzt einer Absenkung des Rentenniveaus das Wort? Denn eine Anhebung brächte angeblich nichts gegen Altersarmut.
Lieber Herr Cremer und liebe Frau Roßbach, gar nichts bringen die bisherigen Reformen bei der Erwerbsminderungrente denjenigen, die vor 2014 diese Rente beantragen mussten. Gar nichts werden heutige Erwerbsminderungsrentner*innen, die wegen Krankheit frühzeitig in Rente gehen müssen, von den mickrigen Verbesserungen haben, die Arbeitsministerin Andrea Nahles dieses Jahr auf den Weg bringen will. Denn die heutigen Rentnerinnen und Rentner werden bei Leistungsverbesserungen, die ab einem Stichtag gewährt werden, gerne vergessen. Diesen Menschen brächte die Anhebung des Rentenniveaus sehr wohl etwas.
Nein, nicht etwas, sondern bares Geld! Eine Rentnerin mit aktuell 700 Euro Nettorente würde zukünftig 770 Euro Rente bekommen. 70 Euro mehr im Monat sind aber 840 Euro im Jahr. Ein Rentner mit 1.000 Euro Nettorente würde dann 1.100 Euro im Monat erhalten und so weiter. Ist bares Geld kein Beitrag gegen Altersarmut? Ganz sicher ist das einer! Vor allem, wenn man an die vielen zukünftigen Rentnerinnen und Rentner denkt, die erst gar nicht aufs Sozialamt gehen müssten, wenn sie eine um zehn Prozent höhere Rente erhielten.
Aber beide haben selbstverständlich auch Recht. Mit der Anhebung des Rentenniveaus ist vielen Menschen nicht geholfen. Von den jährlichen Rentenanpassungen haben sie rein gar nichts, denn sie werden bei der Grundsicherung im Alter verrechnet. Von einer höheren Rentenanpassung hätten sie auch nicht viel, weil die 2001 von der rot-grünen Bundesregierung eingeführten Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten 10,8 Prozent ausmachen und durch die Rente erst ab 67 Frührentner*innen zukünftig Abschläge bis zu 14,4 Prozent werden hinnehmen müssen. Aber die vielen Verschlechterungen bei der Rente sind kein Grund, um sich gegen eine Anhebung des Rentenniveaus auszusprechen, sondern sie sind ein Plädoyer dafür, an den verschiedenen Stellschrauben des Rentensystems anzusetzen und ein solides Rentenkonzept mit mehreren aufeinander abgestimmten Bausteinen vorzulegen. DIE LINKE hat das mit ihrem Antrag Gesetzliche Rente stärken, Rentenniveau anheben und die Solidarische Mindestrente einführen (Drucksache 18/10891) getan. Dort fordern wir zum Beispiel einen armutsfesten gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 12 Euro und die Wiedereinführung von Rentenbeiträgen für Langzeitarbeitslose. Dort fordern wir eine steuerfinanzierte Anhebung der sogenannten ‚Mütterrente‘ auch für Kinder, die vor 1992 geboren wurden auf heute 91,35 Euro und wir fordern die Entfristung der "Rente nach Mindestentgeltpunkten", die bis 1992 zurückgelegte Zeiten geringer Verdienste in der Rentenberechnung aufwertet.
Aber wir LINKEN fordern auch eine Wiederanhebung des Rentenniveaus auf lebensstandardsichernde 53 Prozent - so wie es im Jahr 2000 war. Niemand soll im Alter von weniger als 1 050 Euro netto leben müssen. Darum fordern wir eine durch die Rentenversicherungsträger auszuzahlende einkommens- und vermögensgeprüfte „Solidarische Mindestrente“.
Gezielte Maßnahmen für besonders benachteiligte Gruppen und eine Anhebung des Rentenniveaus sowie eine Solidarische Mindestrente als Haltelinie nach unten. Das ist es, was wir brauchen und keine durchschaubare Kampagne gegen gute Renten für alle!
Finanzierbar ist das allemal. Ein Rentenniveau von 53 Prozent kostete aktuelle Durchschnittsverdienende nur 33 mehr im Monat - und ihren Arbeitgeber ebenfalls. Dafür könnte sie sich aber die 108 Euro Riesterbeitrag knicken. Die bräuchte sie für eine lebensstandardsichernde Rente dann nicht mehr. Und was hätte die heutige Standardrentner*in davon? Nun, 127 Euro mehr Rente. Und in 2030 wäre das ebenfalls finanzierbar und würde viele Menschen, die in ihrem Leben weniger als den Durchschnitt verdient haben vor dem Gang zum Sozialamt bewahren. Darum gilt: Rentenniveau anheben und eine Solidarische Mindestrente einführen, die heutigen Erwerbsminderungsrentner und -Rentnerinnen nicht im Regen stehen lassen und viele andere Bausteine umsetzen. Für ein neues gutes Leben im Alter. Dafür steht DIE LINKE.