Von Jan Korte, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Laut dem im Oktober 2015 verabschiedeten Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten (VerkDSpG), besser bekannt als Vorratsdatenspeicherung, müssen die Telekommunikationsunternehmen bis zum 1. Juli 2017 die nötigen Voraussetzungen zur Datenspeicherung erfüllen. Mit anderen Worten: noch knapp fünf Wochen haben die Telekommunikationsdienstleister Zeit, dann müssen unsere Kommunikationsdaten wieder auf Vorrat nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes gespeichert werden. Für die entsprechende Technik und erhöhten Personalaufwand wird mit Kosten in dreistelliger Millionenhöhe gerechnet.
Dabei ist auch das neue Gesetz der Bundesregierung nicht konform mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Am 21. Dezember 2016 bekräftigte nämlich der EuGH, dass eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung nicht mit der EU-Grundrechtecharta vereinbar ist. Nachdem auch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zu dem Ergebnis gekommen ist, dass das VerkDSpG diese zentrale Vorgabe des EuGH nicht erfüllt, hat DIE LINKE. im Bundestag in zwei Kleinen Anfragen zur Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung den Stand zu Kosten, Fristen, rechtlichen Grundlagen, Datenschutz, Technik und Sicherheit bei der Bundesregierung abgefragt (Siehe Antworten der Bundesregierung, BT-Drucksache 18/11862; 18/11863)
Das Ergebnis ist alles andere als beruhigend und die Antworten offenbaren die anhaltende Ignoranz der Bundesregierung. Entweder wird Unkenntnis vorgegeben oder jegliches Problem geleugnet. Auf unsere Frage, welche Auswirkungen das Urteil des EuGH nach Einschätzung der Bundesregierung auf den Beginn der Speicherung in Deutschland haben werde, antwortete diese, dass die Prüfung, "welche Schlussfolgerungen aus dem EuGH-Urteil vom 21. Dezember 2016 zu ziehen sind, […] derzeit noch nicht abgeschlossen" sei. Trotzdem gehen die Überwachungsplanungen der Koalition ungebremst weiter. Wie Bundesnetzagentur und Bundesdatenschutzbeauftragte, die für die Kontrolle zuständig sind, angesichts des relativ geringen Personals und rund 2.500 betroffenen Unternehmen mindestens alle zwei Jahre die Einhaltung der Verpflichtungen zur Datensicherheit und Löschung überprüfen können sollen, bleibt ebenfalls völlig unklar. Auch hier zeigt sich, dass der Regierung die Folgen ihrer Politik herzlich egal sind. Die Behauptungen von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), dass Geheimdienste keinen Zugang zu den begehrten Verbindungs- und Standortinformationen erhalten würden, haben sich bereits jetzt als dreiste Lüge entpuppt, um den Widerstand in der eigenen Partei gegen das Überwachungsgesetz zu befrieden. Die rechtlichen Unsicherheiten, die unklare Kontrolle und der ungehinderte Datenzugriff der Geheimdienste sind allerdings nicht alles: Damit die Provider wissen, wie sie die Verkehrsdaten ab Juli speichern und übermitteln müssen, brauchen sie klare Richtlinien. Doch die sind noch nicht in ihrer finalen Version offiziell bekanntgegeben und dies wird auch nicht vor Mitte Juni passieren. Nicht nur aus unserer Sicht ist es alles andere als hinnehmbar, dass die Regierung die Bürgerinnen und Bürger sowie die Telekommunikationsunternehmen bis zwei Wochen vor Start der Speicherpflicht über die Details der technischen Anforderungen im Unklaren lassen will.
Zudem deutet vieles darauf hin, dass die Vorratsdatenspeicherung erneut gerichtlich gekippt wird: Derzeit laufen mehrere Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz. Es kann also passieren, dass Provider nun Geld in notwendige Infrastruktur investieren, deren Einsatz später für verfassungswidrig erklärt wird. Doch was soll passieren, wenn die Provider das Geld für die Speicher- und Übermittlungsinfrastruktur ausgegeben haben und das Gesetz dann doch wieder gekippt wird? Einen Ausstiegsplan hat die Bundesregierung jedenfalls nach eigener Aussage nicht. Sie verfährt lieber weiter nach dem Motto: "Hauptsache speichern, alles andere ist egal!"