Von Zaklin Nastic, menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE.
Zwar enthält der zwischen SPD und CDU/CSU ausgehandelte Koalitionsvertrag ein – zugegebenermaßen kurzes - Unterkapitel „Menschenrechte, Krisenprävention und humanitäre Hilfe“. Bei genauerem Hinsehen wird aber sofort klar, dass es sich dabei um eine reine Aneinanderreihung leerer Floskeln handelt. Bedeutende Fragen wie das Eintreten für die Abschaffung der Todesstrafe, das Verbot von Folter, die Stärkung von Frauen- und Kinderrechten sowie Gewerkschaftsrechte oder der notwendige Kampf gegen Ausgrenzung aufgrund von sexueller Orientierung werden nacheinander aufgezählt. Darauf eingegangen, wie diesen schwerwiegenden Problemen begegnet werden soll, wird aber nicht.
Religionsfreiheit heißt im Koalitionsvertrag vor allem die für Christen
Weit detailreicher sind hingegen die im Koalitionsvertrag enthaltenen Ausführungen bezüglich der Frage von Religionsfreiheit. Schnell wird klar warum: wie von der CDU/CSU seit Langem forciert, geht es explizit um die Religionsfreiheit von Christinnen und Christen weltweit. Andere Konfessionen werden nicht genannt und auch mit keinem Wort darauf eingegangen, wie es um die Religionsfreiheit in Deutschland, wo die künftige Regierung ja immerhin regieren soll, bestellt ist. Ebenfalls ist festgeschrieben, dass der im zweijährigen Rhythmus erscheinende Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit weitergeführt werden soll.
Die Fraktion DIE LINKE hat sich immer für das Menschenrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit eingesetzt. Zugleich gibt es aber in unseren Augen keinen Grund, warum es außerhalb des Menschenrechtsberichts der Bundesregierung behandelt werden sollte. Es gibt ja auch keinen eigenständigen Bericht der Bundesregierung über rassistische Diskriminierung oder über die weltweite Diskriminierung aufgrund der Herkunft oder der sexuellen Orientierung. Der Bericht der Bundesregierung zur Lage der Religionsfreiheit wurde bisher vor allem dazu genutzt, sich auf die Verfolgung von Christen zu kaprizieren. Mit eben diesem Ziel will die alte-neue große Koalition jetzt einen Beauftragten der Bundesregierung für die weltweite Religionsfreiheit einsetzen.
Menschenrechte: für deren Einhaltung auch in Deutschland sorgen
Ich hielte es für weitaus sinnvoller, endlich einen Beauftragten für die Einhaltung der Menschenrechte einzusetzen, der sich nicht nur mit Menschenrechtsverletzungen überall auf der Welt, sondern auch in Deutschland beschäftigt. Es ist schon bezeichnend, dass das Schlagwort Menschenrechte im Koalitionsvertrag nur im außenpolitischen Bereich fällt. Sucht man nach „wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte“ (WSK-Rechte) oder eben nach dem Begriff „WSK-Rechte“ schlägt einem nur gähnende Leere entgegen. Statt die offensichtlichen Verletzungen von Menschenrechten durch das Hartz IV-System auch nur zu erwähnen, atmet das ganze Dokument den Geist eines „weiter so“. Da können Merkel, Schulz und Seehofer noch so oft betonen, das Gegenteil sei der Fall. Wer Hartz IV bekommt, dessen WSK-Rechte können nicht verwirklicht sein: Über Generationen werden Menschen stigmatisiert und ökonomisch abgehängt. Gerade die Kinder von Betroffenen leiden unter diesem entwürdigenden System: sie haben kein Geld, mit Freunden ins Kino oder ins Theater zu gehen, den Mitgliedsbeitrag für den Sportverein können sich ihre Eltern genauso wenig leisten wie den Unterricht in der Musikschule.
Das Menschenrecht auf gute Bildung wird für Kinder aus finanziell schwachen Familien eben nicht verwirklicht. In einem der reichsten Länder der Welt ist Armut immer noch erblich und es ist an keiner Stelle im Koalitionsvertrag zu erkennen, dass die neue Bundesregierung hieran etwas Grundlegendes ändern will.
UN-Sozialpakt: endlich das Fakultativprotokoll ratifizieren
Es gibt ganz offensichtlich Gründe, aus denen das Fakultativprotokoll zum UN-Sozialpakt, das ein Individualbeschwerdeverfahren bei den Vereinten Nationen ermöglicht, von Deutschland noch nicht ratifiziert wurde. Der alten und auch neuen Koalition ist klar, dass sie hier ein deutliches Feedback bekommen würde. So schreiben die Koalitionspartner auch ein weiteres Mal fest, eine Ratifikation des Zusatzprotokolls zum UN-Sozialpakt werde „angestrebt“, genau wie die Ratifikation der ILO- Konvention 169 zum Schutz der indigenen Völker. Die Fraktion DIE LINKE fordert gemeinsam mit zahlreichen NGOs die Bundesregierung seit vielen Jahren dazu auf, diese internationalen Übereinkommen zu ratifizieren. Das Fakultativprotokoll zum UN-Sozialpakt wurde immerhin schon im Dezember 2008 von der UN-Generalversammlung zur Ratifikation freigegeben! Dass die Bundesregierung seitdem eine Ratifizierung „anstrebt“ aber bis heute auch auf Nachfrage keine nachvollziehbaren Gründe vorgebracht hat, warum dies einen so langen Zeitraum in Anspruch nimmt, ist nicht hinnehmbar.
Fast zehn Jahre nach seiner Freigabe zur Ratifikation muss man leider davon ausgehen: auch am Ende dieser Legislaturperiode wird das Zusatzprotokoll von deutscher Seite nicht ratifiziert sein. Zudem wird von der zukünftigen Bundesregierung alles andere als eine soziale Offensive für die Menschen in diesem Land zu erwarten sein.
Eine menschenwürdige Gestaltung der Lebensverhältnisse, die konsequente Bekämpfung von Armut und einen Stopp von Rüstungsexporten wird es nur mit einer starken linken Bewegung geben.
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