Von Cornelia Möhring, stellvertretende Vorsitzende und frauenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Seit dem 1995 mühsam erarbeiteten Kompromiss zur Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen herrschte dazu ein gewisser Burgfriede im Parlament. Viele Abgeordnete hielten sich dabei wohl auch deshalb zurück, weil die Angst vor möglichen Verschlechterungen zu groß war, sollte die Büchse der Pandora erstmal geöffnet sein.
Diese Situation hat sich inzwischen grundlegend geändert. Anlass ist der Gerichtsprozess gegen die Ärztin Kristina Hänel auf Grundlage des § 219a – dem sogenannten Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche – und der großen Solidarität, die sie erfahren hat. Parlamentarische Veränderungen brauchen außerparlamentarische Bewegung.
6000 Euro Strafe muss sie zahlen, weil sie auf ihrer Homepage darüber informierte, dass sie in ihrer Praxis Schwangerschaftsabbrüche anbietet. Es geht also nicht nur um Werbung, wie der Titel des Gesetzes nahe legt, sondern auch um Information. Angezeigt hatten sie Abtreibungsgegner*innen, die dieses Mittel immer häufiger zur Einschüchterung nutzen. Dümpelte die Zahl der Anzeigen in den letzten Jahren zwischen zwei und 14 pro Jahr, ist sie gerade in den letzten Jahren rapide angestiegen: Für 2015 weist die Polizeiliche Kriminalstatistik 27, für 2016 sogar schon 35 erfasste Fälle aus. Die meisten Verfahren wurden eingestellt, dennoch erzeugen solche Anzeigen natürlich Verunsicherung bei den Betroffenen.
Mit dem Fall Kristina Hänel ist der §219a mit Wucht ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Und damit ist auch deutlich geworden, wie absurd dessen Existenz ist. Er steht nämlich im Widerspruch dazu, dass es Frauen prinzipiell möglich ist, einen Abbruch vornehmen zu lassen, denn er kriminalisiert Ärzt*innen, die diese medizinische Leistung als normale medizinische Regelleistung anbieten. Sie dürfen darüber aber nicht informieren. In der Folge können sie auch nicht darüber aufklären, welche Methode sie anbieten, worin die Vor- aber auch die Nachteile eines medikamentösen oder eines chirurgischen Eingriffs liegen. Sowohl Schwangere als auch Ärzt*innen werden so in Unsicherheit versetzt. Er ist damit verfassungswidrig und ist Ausfluss der Gesinnung der NSDAP, die ihn erdacht hat, wie mein Kollege Niema Movassat treffend formulierte.
).Was der Prozess gegen Kristina Hänel auch gezeigt hat: Gesellschaftliche Stimmungen können sich ändern, Gesetze in die Mottenkiste gesteckt werden. Und: Eine Erlaubnis, einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu können, ist noch kein Recht darauf. Deshalb müssen Schwangerschaftsabbrüche komplett aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden. Parlamentarisch stehen die Chancen für einen ersten Schritt gut. Die Linksfraktion hat einen Gesetzentwurf zur Streichung des § 219a StGB vorgelegt [Drucksache 19/93, PDF]. Die SPD hat inzwischen nachgezogen. Auch aus anderen Fraktionen gibt es Signale für ein gemeinsames Vorgehen. Da momentan noch niemand für an einen Koalitionsvertrag gebunden ist, ist eine Mehrheit für eine Änderung möglich.
Es ist zu hoffen, dass die gesellschaftliche und auch parlamentarische Debatte damit nicht aufhört. Als LINKE zielen wir weiterhin darauf, auch § 218 StGB zu streichen und die sexuelle und körperliche Selbstbestimmung von Frauen endlich umzusetzen.