In Deutschland fehlen zurzeit rund vier Millionen Sozialwohnungen. In den Krankenhäusern und Kliniken herrscht Pflegenotstand, weil es an etwa 150.000 Fachkräften mangelt. Viele Schulen in diesem Land sind in miserablem Zustand, immer weniger Lehrerinnen und Lehrer müssen immer mehr Kinder und Jugendliche unterrichten. Der Neubau von Kitas bleibt weiterhin weit hinter den Erfordernissen zurück. Zeit für eine Trendwende – könnte man meinen. Diese Missstände zu beheben, kostet Geld. Das weiß auch die Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD. Trotzdem hat sie jüngst beschlossen, den Militäretat drastisch zu erhöhen: Die Bundeswehr bekommt für die Jahre 2017 bis 2030 insgesamt 130 Milliarden Euro allein für neue Rüstungsaufträge. Das entspricht einer jährlichen Erhöhung der Rüstungsausgaben um rund 3,5 Milliarden Euro. Zudem soll die Bundeswehr erstmals seit dem Jahr 1990 um bis zu 14.300 Soldatinnen und Soldaten verstärkt werden.
Verteidigungsexpertin Christine Buchholz (DIE LINKE) kritisierte im Bundestag, dass im Haushalt 2017 die Mittel für Auslandseinsätze der Bundeswehr verdoppelt werden. CDU/CSU und SPD rüsteten die Bundeswehr auf, um sie »an immer mehr Kriegen wie in Syrien zu beteiligen«. Und Alexander Neu, für DIE LINKE Obmann im Verteidigungsausschuss, erinnerte in einer Plenardebatte daran, dass bereits im Jahr 2016 »Deutschland den achtgrößten Militäretat der Welt« hatte. Im vergangenen Jahr habe jede Steuerzahlerin und jeder Steuerzahler 450 Euro für die Bundeswehr gezahlt.
Grundlage für die Doktrin der Aufrüstung bildet das Weißbuch der Bundeswehr, das im Juli von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) herausgegeben wurde (siehe Seite 34). Hierin wird festgestellt: Mit dem aktuellen Haushaltsentwurf der Bundesregierung wurde »eine Trendwende bei der Finanzausstattung der Bundeswehr eingeleitet«. Das Verteidigungsministerium behauptet, die Bundeswehr müsse sich für weitere Auslandseinsätze rüsten. Diese seien notwendig, um »Deutschlands Verantwortung in der Welt« gerecht zu werden. Tatsächlich liegt die Vermutung nahe, dass durch Aufrüstung vor allem die Profite deutscher Rüstungskonzerne gesichert werden sollen.
Extra-Profite für Rüstungskonzerne
Die Trendwende bei der Bundeswehr, mit der bereits in diesem Jahr begonnen wurde, ist teuer. Deutschland hat 131 zusätzliche Transportpanzer Boxer, und 100 weitere Leopard-II-Kampfpanzer sollen angeschafft werden. Hinzu kommen die Entwicklung und Produktion einer europäischen Kampfdrohne und ein neues Luftabwehrsystem. Beide Projekte werden in den nächsten Monaten in Auftrag gegeben und kosten zusammen schätzungsweise mehr als fünf Milliarden Euro. Auffällig ist, dass die Rüstungsprojekte des Verteidigungsministeriums und der Bundeswehr meist viel teurer werden als ursprünglich geplant. Die Rüstungskonzerne liefern häufig mit großer Verspätung, die Qualität der gelieferten Sturmgewehre, Panzer und Kampfflugzeuge ist oft mangelhaft. Vor dem Hintergrund zahlreicher Rüstungsskandale hatten CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag im Jahr 2013 vereinbart: »Die Neuausrichtung des Beschaffungsprozesses (bei der Bundeswehr) muss konsequent umgesetzt werden.« Die Vertragsbeziehungen mit der Rüstungsindustrie müssten klar und deutlich sein.
Was sich wie die Ankündigung einer rigorosen Auseinandersetzung mit den deutschen Waffenschmieden liest, entpuppte sich rasch als heiße Luft. So hat die Lieferung von militärischen Transportflugzeugens des Typs A400M durch Airbus die Steuerzahlerinnen und -zahler bisher 9,4 Milliarden Euro gekostet – 1,4 Milliarden Euro mehr als ursprünglich vertraglich vereinbart. Bis heute sind lediglich 3 von 57 Maschinen ausgeliefert. Der Airbus-Konzern ist laut Bundesregierung rund 107 Monate im Verzug. Insgesamt sind die Ausgaben für die wichtigsten 20 Rüstungsprojekte seit dem Jahr 2013 beständig gestiegen. Die aktuellen Kosten für diese Projekte liegen insgesamt um etwa 12,7 Milliarden Euro über den ursprünglichen Kalkulationen. Weil Rüstungskonzerne selten Regressforderungen fürchten müssen, zahlen Steuerzahlerinnen und -zahler die Zeche.
Lehrer und Erzieherinnen statt Panzer und Drohnen
DIE LINKE fordert, dass mit all diesen Milliarden Euro Steuergeld eine andere Trendwende finanziert wird, eine Trendwende für mehr soziale Gerechtigkeit. Mit den bis zu fünf Milliarden Euro, die für Raketenabwehrsystem und Drohne verpulvert werden sollen, könnten Länder und Kommunen in den nächsten vier Jahren rund 35.000 neue Pflegekräfte einstellen. Mit weiteren 3,5 Milliarden Euro könnten sie eine Bildungsoffensive finanzieren und die Anzahl der angestellten Erzieherinnen und Erzieher in Kitas und Kindergärten bedeutend erhöhen. Rund 3,2 Milliarden Euro wären nötig, um 35.000 neue Lehrerinnen und Lehrer sowie 7.500 Sozialarbeiter und Integrationsbegleiterinnen einzustellen.
Und verzichtete die Bundesregierung vollständig auf die weitere Aufrüstung der Bundeswehr, könnten mit den eingesparten 130 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 vier Millionen neue Sozialwohnungen gebaut werden. Das wäre eine Trendwende, von der nicht die Rüstungskonzerne, sondern die Menschen in diesem Land profitierten.