Der frühere DFB-Junioren-Nationalspieler und Ex-St. Pauli Profi Deniz Naki wurde kürzlich in Deutschland in seinem Auto beschossen. Die Hintergründe der Tat sind noch unklar, aber ein politischer Angriff ist denkbar. Der Hamburger Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi beobachtete im April 2016 den Prozess gegen Deniz Naki in Diyarkabir (Türkei) gemeinsam mit dem früheren Bundestagsabgeordneten Norman Paech.
Fabio De Masi, Sie sind nicht nur förderndes Mitglied des FC St. Pauli, für den Deniz Naki kickte, sondern haben auch den Prozess gegen ihn in der Türkei im vergangenen Jahr beobachtet. Wie kam er in Konflikt mit der türkischen Regierung?
Fabio De Masi: Deniz Naki wurde nach einem Facebook-Post, der Militäroperationen der Türkei kritisierte, wegen angeblicher Terrorpropaganda zu 18 Monaten und 22 Tagen auf Bewährung verurteilt. Dabei hat er jegliche Form der Gewalt stets abgelehnt und sich für Dialog und Frieden in der Türkei eingesetzt. Der selbe Richter, der Deniz Naki in 2015 vom Vorwurf der Terrorpropaganda freigesprochen hatte, verurteilte ihn dann 2016. Der Richter stand offensichtlich unter Druck des Regimes. Der Wunsch nach Frieden ist in der Türkei mittlerweile strafbar.
Warum sind Sie zur Prozessbeobachtung in die Türkei gereist?
Deniz Naki hat Mut bewiesen - nicht nur auf dem Rasen. Er hätte sich dem Regime entziehen und seine sportliche Karriere bei einem Spitzenclub in Deutschland oder anderswo verfolgen können. Aber er wollte seine Mannschaft - einen kurdisch geprägten Club, der einzige bei dem er selber in der Türkei noch spielen kann - nicht im Stich lassen und ist dem Prozess nicht ausgewichen. Mir sagte er: „Ich kann nicht im Mannschaftsbus an zerstörten Häusern vorbeifahren und dann Bälle treten, als ginge mich das alles nichts an!“ Als er um meine Prozessbeobachtung bat, war klar, ich darf ihn nicht hängen lassen. Ich habe als damaliger Europaabgeordneter die Solidarität des Fanclubs des FC St. Pauli übermittelt und versucht, auf seinen Fall aufmerksam zu machen. Wir standen dabei auch mit dem Präsidium des FC St. Pauli im Austausch.
Nun wurde Naki auch in Deutschland angegriffen? Was wissen wir, was steckt dahinter?
Es gibt bisher keine gesicherten Erkenntnisse über die Täter des Mordanschlags auf Deniz Naki, der auf der A4 aus einem anderen fahrenden Auto beschossen wurde. Aber laut Deniz scheint es naheliegend, dass politische Motive bei der Tat eine Rolle spielen. Das war ein Warnschuss. Es ist untragbar, dass türkische Regimekritiker in Deutschland nicht sicher sind.
Wie sollte die Bundesregierung auf den Angriff reagieren?
Wenn Regimekritiker mitten in Deutschland um ihr Leben fürchten müssen, darf die Regierung nicht länger schäbige Waffen- und Flüchtlingsdeals mit dem türkischen Despoten Erdogan machen. Erdogans Terror-Netzwerke in Deutschland gehören zerschlagen. Die fühlen sich bei uns offenbar sicher. Es ist ja ein offenes Geheimnis, dass Erdogans Regime und der türkische Geheimdienst - etwa über Ditib Imame - mit staatlichem Segen in Deutschland ihr Unwesen treiben. Während Außenminister Gabriel neue Rüstungsdeals eintütet, führt die türkische Armee Krieg gegen die eigene Bevölkerung sowie die Kurden in Syrien. Das Erdogan-Regime hat dabei direkt und indirekt auch lange Zeit den Islamischen Staat und andere Terrorgruppen unterstützt.
Stehen Sie in Kontakt mit Deniz Naki?
Ich habe ihm eine Nachricht auf sein türkisches Handy geschickt. Aber er befindet sich ja unter Polizeischutz in Deutschland. Ich hoffe daher einfach, dass es ihm den Umständen entsprechend gut geht. Ich denke eine Einladung zu seinem früheren Club - dem FC St. Pauli - oder zur Linken in den Bundestag wäre ihm sicher. Aber jetzt ist erst einmal wichtig, dass er sicher ist.