von Anrej Hunko, Sprecher für Europapolitik der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Heute beginnt in Spanien der historische Prozess gegen zwölf führende Vertreterinnen und Vertreter der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung. Unter ihnen sind mehrere ehemalige Minister, die wegen der Organisation des katalanischen Unabhängigkeitsreferendums am 1. Oktober 2017 angeklagt sind, sowie die ehemalige Präsidentin des katalanischen Parlaments. Andere Persönlichkeiten wie Ex-Präsident Carles Puigdemont sitzen nicht auf der Anklagebank, weil sie ins Exil gegangen sind.
Für den Prozess hat die spanische Justiz schwere Geschütze aufgefahren. So sitzen die Betroffenen seit über einem Jahr in Untersuchungshaft und ihnen wird unter anderem „Rebellion“ und „Aufruhr“ vorgeworfen. Die spanische Staatsanwaltschaft fordert hierfür langjährige Haftstrafen von bis zu 25 Jahren. Die als Nebenklägerin zugelassene rechtsextreme Partei VOX fordert gar bis zu 74 Jahre.
Dass es sich um einen Schauprozess handelt, der sich gegen die katalanische Unabhängigkeitsbewegung richtet, zeigt schon diese abenteuerliche juristische Konstruktion. Denn beide Vorwürfe setzen Gewaltanwendung voraus, die offenkundig nicht gegeben ist. Ich hatte das Referendum als Teil einer internationalen Abgeordnetendelegation beobachtet und werde deshalb im Prozess auch als Zeuge aussagen. Dort werde ich bestätigen, dass ich Gewalt ausschließlich von Seiten der spanischen Guardia Civil beobachten konnte.
Hintergrund des Prozesses ist weniger eine juristische, als eine politische Frage. Die Bewegung für ein unabhängiges Katalonien ist vor allem dadurch stark geworden, dass Madrid politisch und juristisch ein bereits ausgehandeltes und abgestimmtes neues Autonomiestatut unterband. Erst in diesem Zuge wurde der Wunsch nach Unabhängigkeit in Katalonien mehrheitsfähig. Nun soll offenbar ein Exempel statuiert werden, das in der Tradition des spanischen Nationalismus jede Infragestellung des aus der Franco-Diktatur hervorgegangenen Zentralstaats vehement unterbindet.Im Januar hatte ich die Möglichkeit, fünf der Angeklagten im Gefängnis zu besuchen. Mich hat ihre positive Ausstrahlung und Energie tief beeindruckt. Bei den Gesprächen wurde klar, dass sie kein Vertrauen in die spanische Justiz haben und mit Verurteilungen rechnen. Sie sind aber auch zuversichtlich, dass sie am Ende beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte des Europarates Recht bekommen werden.