Die Bundesregierung hat in der laufenden Wahlperiode bisher Rüstungsexporte im Wert von 22,5 Milliarden Euro genehmigt. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf meine Anfrage [PDF] hervor, über die zuerst die Deutsche Presseagentur (dpa) berichtet hat. Die Zahlen gelten für den Zeitraum von der Konstituierung des Bundestags am 24. Oktober 2017 bis zum 8. August 2021. In diesen Zeitraum fällt das Rekordjahr 2019, in dem die Regierung aus Union und SPD Rüstungsexporte für 8,02 Milliarden Euro genehmigt hatte.
Damit liegt der Genehmigungswert in der 19. Wahlperiode annähernd bei dem Wert der 17. Wahlperiode (27.10.2009 bis 21.10.2013) mit ca. 20 Milliarden Euro und der 18. Wahlperiode (22.10.2013 bis 24.10.2017) mit ca. 25 Milliarden Euro. In der gesamten Ära von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) seit Ende 2005 summieren sich die genehmigten Ausfuhren auf mehr als 85 Milliarden Euro.
Hauptempfänger in der aktuellen Legislaturperiode waren mit Ungarn (2,66 Milliarden Euro) und den USA (2,36 Milliarden) zwei NATO-Staaten. Auf Platz drei folgt Algerien mit fast zwei Milliarden Euro. Nach Ägypten gingen Exporte in Höhe von knapp 1,9 Milliarden Euro. Auch Katar gehörte mit 722,8 Millionen Euro zu den zehn größten Abnehmern deutscher Rüstungsexporte.
Tödliche Spitzenreiter Bayern und Baden-Württemberg
Vor allem Bayern und Baden-Württemberg profitieren von den Rüstungsexportgenehmigungen. Auf Platz drei folgt Niedersachsen.
Unternehmen in Bayern erhielten bis zum jetzigen Zeitpunkt in der aktuellen Wahlperiode Rüstungsexportgenehmigungen im Wert von 8,2 Milliarden Euro. Der Anteil Bayerns am Gesamtwert aller Genehmigungen betrug 36,4 Prozent. Rang zwei nimmt den Angaben zufolge Baden-Württemberg ein, mit Ausfuhrgenehmigungen im Wert von insgesamt 5,5 Milliarden Euro (24,4 Prozent). Es folgen Niedersachsen mit 2,9 Milliarden Euro (12,9 Prozent), Schleswig-Holstein mit rund 2 Milliarden Euro (8,9 Prozent) und Nordrhein-Westfalen mit 1,4 Milliarden Euro (6,2 Prozent).
Damit profitieren die Rüstungskonzerne im Westen Deutschlands von schmutzigen Deals mit Staaten, die massiv Menschenrechte verletzen sowie nur allzu oft zu Kriegs- und Spannungsgebieten gehören. Die Vorstellung, dass im Jemen, in Libyen oder anderswo auf der Welt mit deutschen Waffen und deutscher Munition aus Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen gemordet wird, ist schrecklich. Diese Mordwerkzeuge sind vielfach die Ursache für Flucht und Vertreibung.
Signifikante Zunahme bei sogenannten Entwicklungsländern
Die Rüstungsexportgenehmigungen an die Gruppe der Drittländer werden vom Wert her in der 19. Wahlperiode auf einem ähnlich hohen Niveau verbleiben wie in der vorherigen. Etwa zwei Drittel gingen da an die Länder, die weder der EU noch der NATO angehören. In der 17. Wahlperiode wurden wertmäßig ca. 45 Prozent der Rüstungsexportgenehmigungen für Drittländer erteilt. Von einer „weiteren“ Einschränkung der Rüstungsexporte für Drittländer, die weder NATO noch EU-Mitgliedsländer, noch diesen gleichgestellt sind, kann also wohl kaum die Rede sein, wie es in der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU/CSU und SPD angekündigt wurde.
Schlimmer noch: Entfielen 2009 bis 2013 und 2013 bis 2017 noch Ausfuhrgenehmigungen in sogenannte Entwicklungsländer in Höhe von jeweils rund 1,8 Milliarden Euro, waren es in der laufenden Genehmigungswerte in Höhe von insgesamt etwa 3,3 Milliarden Euro. Der Anteil am Wert der insgesamt erteilten Genehmigungen verdoppelte sich damit von rund sieben auf aktuell fast 15 Prozent. Neben Ägypten genehmigte die Bundesregierung in der laufenden Legislaturperiode auch Ausfuhren nach Indien, Indonesien und das mit Indien verfeindete Pakistan sowie an Bangladesch, Kenia, Tunesien und die Philippinen.
Nach der Antwort der Bundesregierung auf meine Anfrage [PDF] war auch Afghanistan in dieser Legislaturperiode mit 29,8 Millionen Euro unter den zehn größten Empfängern deutscher Rüstungsgüter unter den sogenannten Entwicklungsländern. Seit Beginn des NATO-Militäreinsatzes in Afghanistan 2001 hat die Bundesregierung den Export von Kriegswaffen und anderen Rüstungsgütern für mehr als 400 Millionen Euro in das Land genehmigt. Nur ein kleiner Teil der Exporte ging zwar an afghanische Sicherheitskräfte oder andere staatliche Stellen, vor allem besonders geschützte Fahrzeuge, Minenräumgeräte, Container, Schutzausrüstung wie Westen oder Helme oder Kommunikationsgeräte. Genau beziffert wird der Anteil in der Antwort allerdings nicht. Völlig unklar ist, in welchem Umfang deutsche Rüstungsgüter in die Hände der Taliban gefallen sind.
Rüstungsexporte stoppen
Mit einer zurückhaltenden Rüstungsexportpolitik hat das alles nichts zu tun. Im Gegenteil: Das Beispiel Afghanistan zeigt auf geradezu dramatische Weise, dass die Bundesregierung einen Endverbleib deutscher Rüstungsgüter nicht gewährleisten kann. DIE LINKE fordert die Bundesregierung entsprechend zu Konsequenzen auf. Eine Lehre aus dem Fiasko in Afghanistan muss sein, die Waffenexporte in den Vorderen und Mittleren Osten sofort zu stoppen. Nur so kann verhindert werden, dass in Zukunft weitere Rüstungsgüter in die Hände von Islamisten geraten.
Die massiven Waffenexporte der letzten Wahlperioden waren und sind Öl ins Feuer der zahlreichen Kriege und Konflikte. Es braucht hier dringend einen Politikwechsel hin zu einem Stopp der Waffenexporte, wenigstens als ein erster Schritt an Entwicklungsländer sowie in Spannungs- und Kriegsgebiete. Kriterien wie die Achtung der Menschenrechte oder das Verbot, in Krisen- und Spannungsgebiete zu liefern, hat die Bundesregierung als politische Richtschnur für die Genehmigung von Rüstungsexporten im geheim tagenden Bundessicherheitsrat in die „Politischen Grundsätze für den Export von Rüstungsgütern“ geschrieben. Doch sind diese rechtlich nicht verbindlich und das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind. Ziel muss deshalb ein gesetzliches Verbot von Rüstungsexporten sein.
DIE LINKE setzt sich in diesem Zusammenhang für ein Konversionsprogramm ein, damit in Zukunft kein Arbeitsplatz in Deutschland mehr vom Export von Kriegswaffen und Rüstungsgütern abhängig ist.