Von Christine Buchholz, verteidigungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Rund 410.000 Rohingya – eine muslimische Minderheit in Myanmar, dem ehemaligen Burma – wurden von der Armee mit Gewalt in die Flucht getrieben. Hunderte sind gestorben, die anderen haben alles verloren. Ganze Ortschaften wurden durch das burmesische Militär zerstört, Menschen willkürlich hingerichtet. Die Berichte über das Elend und die Brutalität der Militärs sind erschütternd. Said Raad al-Hussein, UN-Hochkommissar für Menschenrechte, nannte die Verfolgung der Rohingya ein „Paradebeispiel für ethnische Säuberungen“.
Die Vorgänge kommen nicht völlig überraschend. Bereits seit Jahrzehnten werden die Rohingya ethnisch diskriminiert. Die Militärdiktatur, die das Land seit 1962 beherrscht, hat ihnen 1982 die Staatsbürgerschaft entzogen. Die Rohingya wurden Opfer einer klassischen rassistischen Sündenbockkampagne. Um Unzufriedenheit in der mehrheitlich buddhistischen Bevölkerung umzulenken, wurden die muslimischen Rohingya zu Eindringlingen erklärt, die in Myanmar nichts zu suchen hätten. Ihre Kultur und ihre Religion wurden als Brutstätte von Terror dargestellt, selbst der Name Rohingya nicht anerkannt. Offiziell wurden sie „Bengalis“ genannt. Das sollte signalisieren: Die gehören nicht hier her, die müssen raus aus dem Land, nach Bangladesch.
Hetze gegen Muslime
Diese Logik ist uns in Europa und auch Deutschland nur allzu bekannt. AfD-Spitzenkandidat Gauland ist mit den burmesischen Militärs im Geiste verbunden, als er öffentlich drohte, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung sei in Anatolien zu „entsorgen“. Öffentlich plakatiert die AfD gegen eine angebliche „Islamisierung“ Deutschlands, und bekommt dafür im öffentlich-rechtlichen Fernsehen im Wahlkampf immer wieder eine Plattform. Myanmar zeigt, wohin dieser Hetze gegen Muslime im Extremfall führen kann.
Auf die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi ist im Kampf gegen den Rassismus kein Verlass. Suu Kyi ist Vorsitzende der Nationalen Liga für Demokratie, eine an der internationalen Sozialdemokratie orientierte Partei. Seit 2015 ist sie Regierungschefin und Außenministerin Myanmars. Zu den Übergriffen der Armee hat sie wochenlang geschwiegen. Ebenso zur Behauptung der Militärs, die Rohingyas hätten ihre Dörfer selbst angezündet. San Suu Kyi behauptete dann, „Terroristen“ würden einen „Eisberg an Desinformation“ verbreiten. Hier zeigt sich, wie wenig tiefgreifend der sogenannte Reformprozess in Myanmar war. Er hat das Image des Landes aufpoliert, ohne die tatsächliche Macht des Militärs je gebrochen zu haben.
Bundesregierung gibt schwaches Bild ab
Es ist wichtig, dass das Leid der Rohingya internationale Aufmerksamkeit erlangt. Nur so kann Druck ausgeübt werden, um den Übergriffen Einhalt zu gebieten. Es war dieser Druck, der dazu geführt, dass die britische Regierung einen Monat nach Beginn der jüngsten Gewaltwelle endlich angekündigt hat, die militärische Unterstützung für das Regime in Myanmar einzustellen. Großbritannien hat als ehemalige Kolonialmacht das System des Teile-und-Herrsche eingeführt, dem die Rohingya nun zum Opfer fallen.
Die Bundesregierung gibt ein schwaches Bild ab. Regierungssprecher Steffen Seibert bezeichnete die humanitäre Notlage der Rohingya als „himmelschreiend“. Wir warten aber immer noch auf ein Wort von Kanzlerin Merkel.
Gleichstellung der Rohingya ist notwendig
Diese Ignoranz gegenüber dem Leiden eines mehrheitlich muslimisch geprägten Volkes hat System. Das Interesse der Regierungsfraktionen an den Rohingya ging lange Zeit gegen Null. Im Mai 2015 kam es im Bundestag zur Abstimmung über einen Antrag unter dem Titel „Verfolgt, vertrieben, vergessen – Völkermord an den Rohingya verhindern“. Grüne und LINKE stimmte dafür, die Große Koalition dagegen. Einen alternativen Antrag haben CDU/CSU und SPD nicht eingebracht. Auf offizielle Anfrage der Linken konnte die Bundesregierung im Januar 2017 keinen einzigen konkreten Schritt nennen, den sie selbst gegenüber der burmesischen Regierung unternommen hat, um auf ein Ende der systematischen Diskriminierung der Rohingya hinzuwirken.
Dabei sind die elementarsten Forderungen sehr einfach zu formulieren. Die burmesische Armee muss sich aus der umkämpften Provinz Rakhine zurückziehen, die Flüchtlinge müssen die burmesische Staatsbürgerschaft erhalten und in ihre Orte zurückkehren dürfen. Die Gleichstellung der Rohingya mit den anderen ethischen und religiösen Gruppen in Myanmar ist die Voraussetzung für die Zurückdrängung des Rassismus, der die burmesische Gesellschaft vergiftet und die Herrschaft des Militärs zementiert.