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Quellenschutz vor Aufklärung

Im Wortlaut von Petra Pau,

Petra Pau, Obfrau für DIE LINKE im Untersuchungsausschuss des Bundestages, der die NSU-Mordserie aufklären soll, mit einem Ausblick auf die Anhörung in dieser Woche, über das Agieren der Innenminister Bouffier, Schily und Henkel sowie zum Versagen politisch Verantwortlicher
 

In dieser Woche wird es im Untersuchungsausschuss zu den NSU-Nazi-Morden mit Hessens Ministerpräsidenten Volker Bouffier, CDU, als Zeugen einen weiteren Höhepunkt geben.

Petra Pau: Aus Sicht von Journalisten bestimmt, tatsächlich geht es um einen Tiefpunkt im Zuge der Mordserie.

Warum?

2006 wurde in Kassel der Betreiber eines Internet-Cafés hingerichtet. Zur Tatzeit war ein Verfassungsschutzmann am Tatort. Er führte zugleich V-Leute, auch im rechtsextremen Milieu. Die ermittelnde Polizei wollte ihn und seine "Quellen" befragen.

Klingt logisch, oder?

Es wurde unterbunden. Und nach allem, was wir wissen, auch vom damaligen hessischen Innenminister Volker Bouffier.

Mit welchen Recht?

Das interessiert mich auch. Aber die Begründung hieß: Quellenschutz sei wichtiger als Mordaufklärung.

Noch mal: Der Schutz von Nazis als geheimdienstliche Quellen wird höher gewichtet, als die polizeiliche Aufklärung eines Mordes?

Ja. Das gehört offenbar zum System Verfassungsschutz.

Was hat das mit dem Schutz der Verfassung zu tun? 



Nichts. Ich will an dieser Stelle auch mal mit einem Irrtum aufräumen. Richtig ist: Das Grundgesetz befürwortet Ämter für Verfassungsschutz. Von Geheimdiensten ist da allerdings keine Rede.

Zurück zum Ausschuss: Es geht diese Woche erneut auch um einen Nagelbomben-Anschlag 2004 in Köln, der ebenfalls der NSU-Nazibande zugeschrieben wird.

22 Menschen türkischer Herkunft wurden dabei verletzt, vier davon schwer.

Ja und schlimm, aber warum noch mal?

Bislang gibt es bei allen NSU-Tatorten Ungereimtheiten. Ich nenne mal zwei zu Köln. Das Attentat war kaum geschehen, schon meldete sich ungefragt das Bundesamt für Verfassungsschutz bei der Polizei vor Ort. Warum? Woher wusste man von dem Bombenanschlag? Und was hatte der Bund mit einem Attentat im Kiez zu tun?

Die zweite Merkwürdigkeit?

Nur wenige Stunden später befand der damalige Bundesinnenminister, dass ein rechtsextremistischer Anschlag auszuschließen sei.

Das war Otto Schily, richtig?

Ja. Offenbar, weil nicht sein sollte, was nicht sein durfte.

Habe ich das jetzt richtig verstanden: Es gab zwei Mal politische Einmischungen in polizeiliche Ermittlungen, in Köln und in Kassel?

In Ländern und im Bund. Das Versagen der Sicherheitsbehörden war immer auch ein Versagen der politisch Zuständigen. Nicht nur abstrakt, sondern auch konkret. Das wird aktuell gern ausgeblendet.

Seit voriger Woche steht Berlins Innensenator Frank Henkel, CDU, massiv in der Kritik. Warum?

Er hat Akten zurückgehalten, die für den Untersuchungsausschuss des Bundestages wichtig sind und obendrein brisant. Dabei ging es auch um eine "Quelle", also einen Nazi, der ganz nah am NSU-Trio dran war.

Wieder Quellenschutz vor Aufklärung?

Das wird uns demnächst Frank Henkel erklären müssen.

Die SPD fordert seinen Rücktritt. DIE LINKE nicht?

So einfach ist es nicht. Die Rücktrittsforderung kommt aus der Bundes-SPD, die Landes-SPD stützt Henkel.

Muss ich das verstehen?

Nein. Das ist Partei-Schnick-Schnack und hilft weder der Aufklärung, noch den Hinterbliebenen der NSU-Mord-Serie.

Interview: Rainer Brandt

linksfraktion.de, 24. September 2012