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Parlamentsvorbehalt stärken statt schleifen

Nachricht von Sevim Dagdelen,

 

Unter dem Titel „Parlamentsvorbehalt in Gefahr? Wird im Bundestag noch über Krieg und Frieden entschieden?“ fand auf Einladung der Linksfraktion am 18. Mai 2015 eine Anhörung zur geplanten Reform des „Parlamentsbeteiligungsgesetzes“ im Bundestag statt. In seiner Begrüßung sprach sich der Fraktionsvorsitzende Dr. Gregor Gysi explizit für einen Ausbau des Parlamentsvorbehalts aus.



Sevim Dagdelen kritisierte in ihrer Einführung die mangelnde Information von Abgeordneten durch die sogenannte „Rühe-Kommission“ (Kommission zur Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr). So wurde ihr als Parlamentarierin eine Einsichtnahme in Unterlagen der Kommission verwehrt, weil sie nicht Mitglied der Kommission ist. Insgesamt mahnte sie in der Anhörung eine bessere Informationspolitik sowie Kontrolle des Parlaments bei Bundeswehreinsätzen an. Auch der ehemalige Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Willy Wimmer, sprach sich für eine Stärkung der Rechte des Bundestages aus. Nach seiner Meinung bedeute ein Verzicht auf den Parlamentsvorbehalt einen Verlust demokratischer Souveränität. Ebenso wäre ein weiteres Aufgehen der Bundeswehr in NATO-Missionen gleichbedeutend mit einer starken Beschneidung der souveränen Rechte des Bundestages. Bereits jetzt zeigen „zustimmungslose Bundeswehreinsätze“, wie wichtig ein Parlamentsvorbehalt sei und wie dringend notwendig Widerstand gegen diese ist. Er warnte zugleich davor, dass am Ende nicht der Bundestag sondern die NATO und damit vor allem Washington über Einsätze der Bundeswehr befinden. Statt sich auf eine Verlässlichkeit gegenüber der NATO und EU zu orientieren, solle man darauf achten, dass die Bevölkerung in Deutschland sich darauf verlassen müsse, dass es keine Angriffskriege mit deutscher Bundeswehr geben darf. In diesem Zusammenhang müsste es strafrechtliche Konsequenzen haben, wenn der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) offen zugebe, dass er mit seinem Angriffskrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien gegen das Völkerrecht sowie das Grundgesetz verstoßen habe. 



Der Vorsitzende der IALANA, Rechtsanwalt Otto Jäckel, wies auf die Lücken und Widersprüche im rechtlichen Umgang mit dem Parlamentsvorbehalt hin. Ausgehend von einer dezidierten Betrachtung der Rechtsentwicklung seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1994, wies er insbesondere auf das Lissabon-Urteil hin. Das Lissabon-Urteil hatte im Hinblick auf neue Beistandsklauseln mehr parlamentarische Rechte angemahnt. Zu einer Stärkung des Parlamentsvorbehalts durch den Gesetzgeber sei es aber nicht gekommen.



Auch in anderen Staaten würden hier Defizite überwiegen. Derzeit ist kein allgemeiner Trend zur rechtlichen Verankerung des Parlamentsvorbehalts zu beobachten, wie Nadja Douglas vom Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität ausführte. 

Dagegen unterstich Ministerialdirigent Jürgen Schulz, dass die neuen Verteidigungskooperationen im Sinne des „Pooling und Sharing“ eine „gute multinationale Arbeitsteilung“ bedeuteten und die neuen „Verantwortlichkeiten der Bundeswehr“ eine sinnvolle Ergänzung der verteidigungspolitischen Ausrichtung Deutschlands seien. 



Eine grundsätzlich andere Auffassung zu Schulz vertrat Christoph Marischka. In Bezug auf die Entwicklung der Bundeswehr zur Berufsarmee attestierte er „fehlende konzeptionelle Überlegungen“. Er wies auf „brandgefährliche Einsätze“ hin, an denen die Bundeswehr schon jetzt beteiligt sei und die ein enormes Eskalationspotenzial bergen würden. Beispielhaft sei hier das „Air-Policing Baltikum“ und forderte die Linksfraktion dazu auf das Vereinfachte Verfahren im Parlamentsbeteiligungsgesetz aufzuheben, das Quorum für die Einsätze auf eine zwei drittel Mehrheit anzuheben und aus den militärischen Strukturen der NATO auszutreten. 



In der Diskussion mit den über 40 Gästen wurde einhellig eine Stärkung des Parlamentsvorbehalts angemahnt. Vorratsbeschlüsse für NATO- und EU-Einheiten wurden als Angriff auf die demokratische Souveränität abgelehnt. Die Bundeswehr sei als Lehre aus der Niederlage des deutschen Faschismus und Militarismus als Parlamentsarmee konzipiert worden. Eine Aushöhlung des Parlamentsvorbehalts wäre gleichbedeutend mit einem Abschied von dieser historischen Lehre.