Von Caren Lay, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und mietenpolitische Sprecherin
Die hohen und weiter steigenden Mieten sind Brandbeschleuniger für die soziale Ungleichheit und die Spaltung der Gesellschaft. Während Immobilieneigentümer:innen und vermögende Anleger:innen von den seit Jahren anhaltenden Preissteigerungen profitieren, lebt mehr als die Hälfte der Mieter:innen in zu kleinen oder für ihre Verhältnisse zu teuren Wohnungen. Wer heute in den großen Städten eine Wohnung sucht, muss sich auf Mietpreise von 12 Euro nettokalt pro Quadratmeter aufwärts einstellen, in München sind 20 Euro oder mehr schon die neue Normalität. Angesichts solcher Preise weichen viele Menschen in das Umland aus, und sehen sich auch dort mit erheblichen Mietsteigerungen und hohen Kaufpreisen konfrontiert. Die Angst, sich die nächste Mieterhöhung nicht mehr leisten zu können oder gar die eigene Wohnung zu verlieren, gehört zum Alltag vieler Menschen. Der Graben zwischen reichen Stadtteilen und den wenigen Gegenden, in denen Geringverdienende noch Wohnungen finden, vertieft sich immer mehr. Besserung ist kaum in Sicht.
Mieten steigen weiter
Denn die Mieten, die bei der Wohnungssuche aufgerufen werden, steigen weiter, seit 2017 um etwa 5 Prozent im jährlichen Durchschnitt, und damit deutlich schneller als Einkommen und Verbraucherpreise. Einzig in Berlin sind die Mieten zuletzt gesunken – dank des Berliner Mietendeckels. Doch weil die Grundstücks- und Wohnungspreise noch weit schneller steigen als die Mieten, wird der Druck auf die Mieten auch in Zukunft anhalten. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Sozialwohnungen. Weil Sozialbindungen auslaufen, verschwindet rechnerisch alle 12 Minuten eine Sozialwohnung, mindestens 160.000 seit 2017. Doch neu gebaut wird meist im gehobenen Segment. Mehr als 13 Euro pro Quadratmeter nettokalt kostet eine Neubauwohnung in den Großstädten im Durchschnitt – unbezahlbar für die Mehrheit der Mieter:innen.
Teure Neubauwohnungen sind weder eine Antwort auf die Vernichtung günstigen Wohnraums durch Mietsteigerungen, noch auf den Niedergang des sozialen Wohnungsbaus. Deswegen ist die „Wohnraumoffensive“ der Bundesregierung ein Flop. Das ungezielt geförderte „Bauen, bauen, bauen“ und die milliardenschwere Eigenheimförderung „Baukindergeld“ schaffen zugleich neue Probleme: Der Bau immer neuer Eigenheimsiedlungen an Ortsrändern und im Umland der Städte erhöht den Flächenverbrauch, fördert die Zersiedelung und schafft damit viele Folgeprobleme, auch und vor allem beim Klimaschutz. Mit löchrigen Gesetzen wie der sogenannten Mietpreisbremse oder den jüngst beschlossenen Einschränkungen für die Umwandlung von Miet- und Eigentumswohnungen hat die Große Koalition einen Flickenteppich an Regelungen geschaffen, die Mieter:innen nicht effektiv vor Verdrängung schützen. Gleichzeitig kommt die relative Laissez-faire-Politik in der Mietenfrage den öffentlichen Haushalten teuer zu stehen. Mehr als 17 Milliarden Euro zahlen Bund, Länder und Kommunen jedes Jahr für Mietzuschüsse wie das Wohngeld oder die Kosten der Unterkunft. Das Geld wäre in Investitionen in einen gemeinnützigen, nicht-profitorientierten Wohnungsbestand besser angelegt.
Für einen bundesweiten Mietendeckel
Die Bundestagswahl 2021 ist auch eine Richtungswahl in der Mieten- und Wohnungsfrage. Denn während die Union ihre investorenfreundliche Baupolitik und ihre Blockadehaltung gegenüber Verbesserungen im Mietrecht fortführen will – und dafür mit großzügigen Spenden aus der Immobilienwirtschaft bedacht wird, und sich FDP und AfD mit marktradikalen Ideen gegenseitig überbieten, lassen SPD und Grüne offen, ob sie sich in der Wohnungspolitik wirklich mit Investoren- und Vermieterinteressen anlegen wollen. Ein schwarz-grüner Mix aus Wohnungsbauoffensive, Runden Tischen mit der Immobilienwirtschaft, Eigenheimförderung und energetischer Sanierung wird die Wohnungskrise nicht lösen. Nötig sind stattdessen ein bundesweiter Mietendeckel, ein öffentliches Wohnungsbauprogramm nach Wiener Vorbild für Investitionen in den kommunalen, genossenschaftlichen und gemeinnützigen Wohnungsbau, sowie der konsequente Umbau des Gebäudesektors zu Klimaneutralität ganz ohne Mieterhöhungen.