„Sie als Politikerinnen und Politiker haben die Entscheidung, an einem veralteten Vertrag festzuhalten oder einen neuen Vertrag einzufordern, der Klima, Umwelt und natürliche Ressourcen nicht zerstört“, appellierte die Greenpeace-Handelsexpertin Lis Cunha im April in einer öffentlichen Anhörung zum EU-Mercosur-Abkommen im Bundestag. Doch diese Chance wird wohl ungenutzt verstreichen, wie die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von DIE LINKE zu diesem Thema zeigt.
Das geplante Handelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) soll unter anderem den Export von Futtersoja und Rindfleisch aus Südamerika erleichtern und umgekehrt die Zölle auf Auto-Ausfuhren aus der EU senken. Erkauft wird dies mit Regenwaldabholzung, Umweltzerstörung, Landraub, Vertreibung der indigenen Bevölkerung und der Missachtung von Arbeitsrechten.
Was die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Anfrage als „modernes Handelsabkommen“ bezeichnet, ist ein altbekanntes, neoliberales und neokoloniales Instrument, das die multiplen globalen Krisen weiter verschärfen wird.
Der Deal mit den Mercosur-Staaten wurde hinter verschlossenen Türen verhandelt, ohne Beteiligung von Zivilgesellschaft, Gewerkschaften oder Vertreter*innen der indigenen Völker. Der gesamte Text ist der Öffentlichkeit nicht zugänglich, der Vorschlag einer Zusatzvereinbarung wurde nur durch einen Leak bekannt und die enthaltenen Klimaschutzmaßnahmen sind unzureichend und unwirksam.
Das gesamte Verfahren ist an Demokratiemangel und Intransparenz kaum zu überbieten, der Einfluss mächtiger Lobbygruppen ist enorm, während die Zivilgesellschaft rausgehalten wird.
Die Bundesregierung behauptet, das Abkommen würde „die wirksame Umsetzung multilateraler Nachhaltigkeitsstandards“ wie dem Pariser Klimaabkommen oder der ILO-Kernarbeitsnormen fördern. Tatsächlich enthält der Vertragstext jedoch keinerlei Sanktionsmechanismen oder Maßnahmen, um die Umsetzung dieser Standards zu garantieren.
Ganz im Gegenteil – und auch das zeigt die Antwort deutlich – steht das Mercosur-Abkommen im direkten Widerspruch zu diesen Standards. So erwartet die Bundesregierung, dass der „geringe Rückgang der globalen CO2-Emissionen durch einen geringen Anstieg der Emissionen anderer Treibhausgase ausgeglichen“ werde. Während in der EU die Emissionsintensität leicht abnehmen werde, sei in den Mercosur-Staaten ein „geringer Anstieg“ zu erwarten.
Nicht mal die Bundesregierung geht also davon aus, dass das Mercosur-Abkommen klimapolitische Fortschritte bringt. Und Studien zeigen, dass bei einer Betrachtung des gesamten Bildes – also auch des zu erwartenden Anstiegs internationaler Warentransporte auf dem Seeweg, der Beschleunigung der Regenwaldabholzung etc. – sogar viel eher von einem deutlichen Rückschritt auszugehen.
Der Vertrag wird den CO2-Ausstoß erhöhen und so zu einer Verschärfung der Klimakrise beitragen. Ebenso ist durch den zusätzlichen Preisdruck von einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in den Mercosur-Staaten auszugehen, insbesondere im Agrarsektor.
Eine verpflichtende Ratifizierung der Kernarbeitsnormen der ILO ist im Abkommen nicht vorgesehen. Stattdessen sollen sich die Staaten nach Einschätzung der Bundesregierung lediglich zu „nachhaltigen Anstrengungen“ verpflichten.
Leere Worte, keine Durchsetzungsmechanismen.
Auch die unzureichende Verankerung des Rechts auf Tarifverhandlungen und die unsichere Finanzierung der Gewerkschaften würde das Abkommen weiterhin zulassen und die damit verbundene Ausbeutung weiter verschärfen.
Wir plädieren daher für einen kompletten Neustart der Verhandlungen unter demokratischen Vorzeichen, um ein Abkommen auf den Weg zu bringen, das Menschenrechte und Klima schützt sowie für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen sorgt.
Der Text wurde zuerst bei Euractiv.de veröffentlicht.
Alexander Ulrich, Sprecher für europäische Wirtschafts- und Sozialpolitik der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag.