Von Cornelia Möhring, stellvertretende Vorsitzende und frauenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
An fast jedem Tag versucht ein Mann, seine Frau oder Ex-Partnerin zu töten. Annähernd an jedem dritten Tag gelingt es. Dies führte 2017 zu 147 durch ihren „Partner“ ermordete Frauen, so die erschütternde Zahl aus dem jüngsten Lagebild des Bundeskriminalamts. Und: 113.965 Fälle in denen Frauen Opfer häuslicher Gewalt wurden. Doch über diese Fälle wird in den Zeitungen kaum berichtet. Außer zum 25. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen.
Die von der Familienministerin am 20. November vorgestellten Zahlen zeigen dabei nur das sogenannte Hellfeld, also die Vorfälle, die auch angezeigt wurden. Was sie nicht zeigen: die alltägliche Gewalt, die Demütigungen, Schläge, Vergewaltigungen und den psychischen Terror, den Frauen oft jahrelang erleiden, bevor sie die Polizei einschalten oder sich trennen. Seit der Veröffentlichung der Studie „Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland“ in 2004 wissen wir, dass nur ein Bruchteil der Vorfälle in der Polizeistatistik auftaucht. Es ist davon auszugehen, dass jede vierte Frau von Gewalt in der Beziehung betroffen ist. Was wir nicht wissen, ist, ob sich das Anzeigenverhalten der Betroffenen seitdem geändert hat. In den letzten vierzehn Jahren gab es keine neue Studie mehr zu Gewalt an Frauen. Die Datenlage und die Forschung in diesem relevanten Bereich sind in Deutschland mehr als dürftig und bisher unternimmt die Bundesregierung keinerlei Anstrengungen hier ernsthaft etwas dran zu ändern.
Seit 2013 gibt es das Hilfetelefon gegen Gewalt. Dort wenden sich viele Menschen hin und fragen nach Rat im Umgang mit beobachteter oder erfahrener Gewalt. Eine gute Einrichtung, aber kein Ersatz für Prävention und Schutzräume. Wenn Frauen aus ihrem Zuhause fliehen müssen, aus Angst um ihr Leben und das ihrer Kinder, dann brauchen Sie vor allem unbürokratische ganz konkrete Hilfe. Sie brauchen Schutzräume und zwar ausreichend und barrierefrei. Ob auch eins der 350 Häuser einen freien Platz hat, ist Glücksache. Gerade mal 30.000 Plätze gibt es. Wer diese Zahl von 113.965 abzieht, wird unschwer erkennen, dass die Plätze bei weitem nicht ausreichen. Tausende Frauen und ihre Kinder werden jährlich abgewiesen, weil die Häuser überfüllt sind.
Die Bundesregierung schiebt jedoch die Verantwortung seit vielen Jahren auf die Länder und Kommunen. Nun werden endlich Mittel für die Sanierung der bestehenden Frauenhäuser im aktuellen Haushalt bereitgestellt, die Schaffung der notwendigen zusätzlichen Schutzräume und das erforderliche Personal werden aber immer noch den Ländern und den klammen Kommunen zugewiesen.
Dabei gilt seit Februar 2018 die Istanbul Konvention. Diese Menschenrechtskonvention besagt, dass die Länder dazu verpflichtet sind, ausreichend Schutzräume für Frauen zur Verfügung zu stellen. Optimal wäre dafür ein Schlüssel von einem Platz pro 7.500 Einwohner*innen. Davon ist die Bundesrepublik weit entfernt. Momentan liegt die Quote bei 1:12.000. In 125 Landkreisen gibt es gar keine Frauenhäuser oder Schutzwohnungen.
Das gesamte Hilfesystem muss ausgebaut und deutlich besser finanziert werden und zwar bundeseinheitlich und mit einem verlässlichen Anteil des Bundes an der Finanzierung - damit nicht länger der Wohnort dafür entscheidend ist, welche Hilfe in Anspruch genommen werden kann.