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Matthias Höhn

Mehr als überfällig: Bundestag beschließt Rehabilitierung homosexueller Soldaten

Im Wortlaut von Matthias Höhn,

von Matthias Höhn

Die Bundeswehr kündigte ihm, weil er auf Männer stand. Das war im Jahr 1998. Oberleutnant Winfried Stecher konnte trotzdem in der Bundeswehr bleiben. Viele Soldaten waren solidarisch. Sie sammelten Unterschriften für seinen Verbleib. Doch Oberleutnant Stecher musste bis zum Bundesverfassungsgericht gehen, um Recht zu bekommen. Erst angesichts dieses Verfahrens sah sich der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping zur Streichung der Dienstvorschrift gezwungen, die es verbot, homosexuelle Männer in der Bundeswehr zu befördern. Die Bundeswehr schätzt, dass 1.000 Soldaten bis zum Jahr 2000 völlig legal wegen ihrer Homosexualität nicht befördert wurden, ihre Position verloren oder Gehaltskürzungen hinnehmen mussten. Ein neues Gesetz der Bundesregierung hebt diese Urteile nun endlich auf, rehabilitiert und entschädigt die Betroffenen.

Entschädigungszahlung ist zu niedrig

Dieses Gesetz ist längst überfällig, viel zu lange mussten die Betroffenen darauf warten! Die Rehabilitierungen und Entschädigungen sind vor allem ein großer Verdienst der queeren Community. Sie hat über viele Jahre Druck gemacht.

Die Linksfraktion begrüßt die Grundsatzentscheidung des Gesetzes. Dennoch hätten wir uns mehr erhofft. Wer wegen Homosexualität entlassen wurde, dessen Karriere war nicht nur in der Bundeswehr zu Ende. Der Betroffene verlor auch seine Rentenansprüche, oft geriet die gesamte Lebensplanung aus den Fugen. Die Entschädigungssumme von 3.000 Euro ist deshalb viel zu niedrig und sollte mindestens verdoppelt werden. Auch viele Sachverständige bemängelten die geringe Entschädigung in der Anhörung des Verteidigungsausschusses. Unsere Änderungsanträge, die eine Entschädigung von 6.000 Euro vorsahen, scheiterten im Ausschuss an CDU/CSU und SPD.

Bundeswehr: Vielfalt ist unsere Stärke!?

„Vielfalt ist unsere Stärke“ – das ist der Anspruch der Bundeswehr. Doch diesem Anspruch wurde und wird sie nicht gerecht. Noch immer finden Diskriminierungen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, trans- und intergeschlechtlichen sowie queeren Personen (Abkürzung: LSBTTIQ) in der Bundeswehr statt. Der jüngste Wehrbericht benennt exemplarisch einen Fall, bei dem ein Kamerad aufgrund seiner Homosexualität Mobbing erfährt. „So sei das Wort ‚Schwuchtel‘ ihm gegenüber geradezu inflationär gebraucht worden. Er habe sich an einem Tag die Mühe gemacht, die Verwendung des Wortes ihm gegenüber zu zählen. Allein an diesem Tag sei er auf eine Zahl von 54 gekommen. Im Ergebnis musste die Bundeswehr eingestehen, dass das kameradschaftliche Gefüge innerhalb des betreffenden Hörsaals nicht den gewünschten und gelebten Werten der Bundeswehr entsprach.“

Weitere Aufklärung nötig

Umso bedauerlicher ist, dass CDU/CSU und SPD unseren Vorschlag ablehnten, stärker über die Diskriminierung von LGBTQI in der Bundeswehr aufzuklären. Unser Änderungsantrag sah vor, die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld finanziell besser ausstatten. Die Stiftung hat zum Ziel, der gesellschaftlichen Diskriminierung von LSBTTIQ mit ihren Aktivitäten entgegenzuwirken.

Nötig ist zudem eine öffentliche Kampagne, um Betroffene über ihre Entschädigungsansprüche durch die jetzt beschlossene Rehabilitierung zu informieren. Schließlich zeigen Erfahrungen, dass Entschädigungsinitiativen dieser Art nur mit einer breit angelegten Öffentlichkeitskampagne funktionieren.
Dennoch: Trotz dieser Mängel  – das Gesetz ist längst überfällig, es ist zu begrüßen, dass es nun endlich kommt. Seine Verabschiedung ist ein guter Tag für die Betroffenen  – und für die Bundeswehr insgesamt.