Mit der auf EU-Ebene beschlossenen Einrichtung des Europäischen Verteidigungsfonds (EVF) erreicht die Militarisierung der EU-Außen- und Sicherheitspolitik eine neue Stufe. Die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag hat den EVF von Beginn an politisch bekämpft. Nun erhebt sie Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Denn mit diesem Fonds setzt die EU nicht nur einen sicherheitspolitisch falschen und gefährlichen Weg fort, sondern bricht darüber hinaus ihre eigenen Verträge!
Von Andrej Hunko, europapolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Am heutigen Montag ist beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Klageschrift der Linksfraktion gegen Bundesregierung und Bundestag eingegangen: DIE LINKE klagt, weil Regierung und Parlament die Einrichtung des EU-Militärfonds nicht verhindert haben, obwohl dieser gegen EU-Recht verstößt und die parlamentarischen Kontrollrechte der nationalen Parlamente aushöhlt und auch dem EU-Parlament wirksame Einflussmöglichkeiten vorenthält. Am Donnerstagabend hatte der Bundestag einen Antrag der LINKEN abgelehnt, in der die Fraktion gefordert hatte, die Einrichtung dieses Fonds mit einer Subsidiaritätsklage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) noch zu stoppen. Deshalb hat die Fraktion jetzt in Karlsruhe eine Organklage eingereicht, die der Europa- und Völkerrechtler Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano in Auftrag der Linksfraktion ausgearbeitet hat.
Nächste Stufe der Militarisierung der EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik
Politisch bekämpft DIE LINKE den EVF seit Jahren. Denn mit diesem rund acht Milliarden Euro schweren Fonds sollen nun Rüstungsvorhaben aus Mitteln des EU-Haushalts mitfinanziert werden. Er ist somit Ausdruck des höchst gefährlichen Kurses, den die EU seit Jahren verfolgt (u.a. Militarisierung der EU beenden; Prüfung der Grundsätz von Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit). Der EVF befördert die Militarisierung der EU-Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Er soll den Aufbau militärischer Kapazitäten anschieben und militärische Kooperationsprojekte wie die PESCO unterstützen, die die EU zur Erreichung ihres Ziels der "strategischen Autonomie" (der Fähigkeit zu militärisch eigenständigem Handeln) zu benötigen glaubt.
Derzeit befindet sich der Fonds noch im Aufbau, an einer konkreten Projektliste wird noch gearbeitet. Förderfähig ist aber ein breites Spektrum von Rüstungsforschungs- und Entwicklungsprogrammen wie unter anderem die Entwicklung von (Waffen-)Prototypen in den Bereichen künstlicher Intelligenz, Robotik und Cyberabwehr. Auch die Weiterentwicklung und Beschaffung von Waffensystemen ist ausdrücklich vorgesehen. Seit Langem spekulieren Expert*innen, dass über den Fonds beispielsweise die Weiterentwicklung der Eurodrohne (zugleich ein PESCO-Projekt) und auch die Erstellung von Prototypen im Rahmen des Großprojektes FCAS (dem zukünftigen Luftkampfsystem) angeschoben werden sollen.
Gefährlicher Präzedenzfall
Der Fonds ist nach Rechtsauffassung der LINKEN illegal und zudem ein gefährlicher Präzedenzfall. Artikel 41 des EU-Vertrags verbietet eindeutig und unmissverständlich die Finanzierung von Ausgaben "mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen". Dieses Finanzierungsverbot war bis vor wenigen Jahren auch innerhalb der EU geltende Rechtsauffassung. Jetzt wollen EU und ihre Mitgliedstaaten es umgehen, indem sie diesen Militärfonds zu einem industrie- und forschungspolitischem Förderinstrument umdefiniert haben. Mit einer derartigen Neuinterpretation der EU-Verträge ließe sich zukünftig auch ein veritabler, eigener Militärhaushalt der EU umsetzen (ein "Nukleus" ist bereits mit der neu geschaffenen Rubrik "Sicherheit und Verteidigung" im aktuellen mehrjährigen Finanzrahmen der EU angelegt.)
Der juristische "Trick", den EVF auf die Rechtsgrundlage für ein industrie- und forschungspolitisches Programm (Artikel 173, 182 183 und 188 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)) zu stellen, ist allerdings unzulässig: Die Klage legt dar, dass die verteidigungspolitischen Bezüge in Verordnungstext, in den Erwägungsgründen, verbundenen Dokumenten und dem politischen Kontext des Vorhabens so deutlich sind, dass sie mindestens gleichrangige oder primäre Ziele sind und die vorgegebene Industrie- und Forschungsförderung nur Mittel zu diesem Zweck ist. Auch ein Rückgriff auf die Rechtsgrundlagen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheits- sowie Verteidigungspolitik (GASP und GSVP, Artikel 42 und 45 EUV) wäre keine zulässige Rechtsgrundlage für den Verteidigungsfonds. Daher muss dieser EU-rechtswidrige und politisch gefährliche Fonds gestoppt werden.
Klage gegen Bundestag und Bundesregierung
Weil der Verteidigungsfonds gegen EU-Recht verstößt, wären Bundestag und Bundesregierung unserer Rechtsauffassung nach verpflichtet gewesen, die Einrichtung des EVF zu verhindern. Hinzu kommt, dass durch die Einrichtung des EVF die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten des Bundestags im Bereich der Verteidigungspolitik ausgehöhlt (und auf EU-Ebene keine wirksamen Kontrollrechte eingeführt) werden. Da sie das Zustandekommen eines illegalen Rechtsaktes nicht verhindert haben, haben Bundestag und Bundesregierung gegen ihre "Integrationsverantwortung" verstoßen, die ihnen gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit den Artikeln 59, 20 und 79 zukommt. Sie haben somit auch gegen die Verfassung verstoßen.
Dies soll das Verfassungsgericht nun feststellen. Unser Ziel ist, dass das BVerfG diese Frage vorab zur Klärung an den EuGH überstellt und dieser unserer Rechtsauffassung folgt und die EVF-Verordnung für ungültig erklärt. Dann müsste der Verteidigungsfonds EU-weit rückabgewickelt werden.