Von Kerstin Kassner, Sprecherin für Kommunalpolitik der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Wer sich vom Koalitionsvertrag von Union und SPD konkrete Vorschläge zur strukturellen Verbesserung der Situation der Kommunen erhofft hat, sieht sich enttäuscht. Im vorliegenden Werk finden sich vor allem vage Bekenntnisse und Gemeinplätze.
Im Laufe der vergangenen Legislatur hat sich die Einstellung der Großen Koalition zum Thema Kommunen verändert. Die Erzählung von einer weitgehend problemfreien und heilen Welt konnte nicht durchgehalten werden. Inzwischen hat sich – auch angestoßen durch das kommunale Bündnis "Für die Würde unserer Städte“ – ein Problembewusstsein etabliert. Das spiegeln auch die kommunalrelevanten Passagen im Koalitionsvertrag wieder.
Ohne konkrete Handlungsvorgaben
So bekennen sich die Koalitionäre dazu, ein gesamtdeutsches Fördersystem für strukturschwache Regionen, Städte, Gemeinden und Kreise schaffen zu wollen, um wachsenden Ungleichheiten entgegenzuwirken und gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen. Dieses Bekenntnis impliziert immerhin, dass derzeit keine gleichwertigen Lebensverhältnisse existieren. Damit macht sich die künftige Bundesregierung eine Analyse der LINKEN zur Lage der Kommunen zu eigen. Auswirkungen des demografischen Wandels in ländlichen Räumen soll entgegengewirkt und Armutszuwanderung insbesondere aus dem östlichen Europa in die Kommunen verhindert werden. Eine der wichtigsten Festlegungen ist die Einsetzung einer Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse" gemeinsam mit Vertretern der Länder und der kommunalen Spitzenverbände, die sich mit Aspekten der Daseinsvorsorge sowie Maßnahmen im Sinne der "Hilfe zur Selbsthilfe" in Bezug auf die Altschuldenproblematik, Kassenkredite und Schulden kommunaler Wohnungsbauunternehmen befassen soll. Bisherige Programme zur finanziellen Entlastung der Kommunen in Bereichen wie Integration und Städtebau sollen fortgeführt werden. Um eine größere Zahl an Kommunen als bisher bei Schulsanierungsprogrammen unterstützen zu können, soll das Grundgesetz geändert werden. In Artikel 104 c soll das Wort "finanzschwach" vor Gemeinden gestrichen werden. Erwähnenswert ist zudem, dass der Erstzugriff der Kommunen auf Grundstücke der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben erweitert werden soll. Neben einigen weiteren Maßnahmen in Bereichen wie Digitalisierung und öffentlicher Personennahverkehr findet sich im Vertrag auch das allgemeine Bekenntnis zum Prinzip "Wer bestellt, bezahlt". Wer also eine Leistung veranlasst, muss auch für ihre Finanzierung aufkommen. Gerade das war in der Vergangenheit so eben nicht der Fall.
Der Koalitionsvertrag enthält damit zwar kommunalrelevante Themen, aber zu den drängenden Fragen – Altschulden, Kassenkredite, steigende Sozialausgaben – fehlen vollständig konkrete Handlungsvorhaben. Das Problem hoher Altschulden wird zwar benannt, aber lediglich eine Kommission einzusetzen, reicht natürlich nicht aus. Die Aufsetzung eines Altschuldenfonds wäre dringend nötig. Auch die hohen – und in den vergangenen Jahren beständig weiter gestiegenen Kassenkredite – werden ausgeklammert. Die Sozialausgaben der Kommunen liegen derzeit bei 62 Milliarden Euro und steigen um etwa zwei Milliarden Euro jährlich. Wie damit umgegangen werden soll, bleibt offen. Um die Kommunalpolitik stärker ins Bewusstsein der Bundespolitik zu rücken, hat die Linksfraktion in der vergangenen Legislatur die Einsetzung eines Kommunalausschusses gefordert. Die SPD hat das zwar seinerzeit abgelehnt, aber später mehrfach verbal befürwortet. Auch dazu findet sich in der Vereinbarung der drei Parteien nichts.
Quälend langsamer Erkenntnisprozess
Zum Thema Kommunales enthält der Koalitionsvertrag also vor allem neben kleineren Maßnahmen vage Bekenntnisse zu ohnehin verfassungsmäßigen Grundsätzen wie der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse und der kommunalen Selbstverwaltung. Die Lösung der drängenden strukturellen kommunalen Finanzprobleme – etwa durch die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer originären Kommunalsteuer – findet nicht statt. Die Koalition befindet sich noch in der Phase der Problemfeststellung. Die große Finanznot und der Investitionsstau vieler Kommunen – laut KfW mittlerweile bei 126 Milliarden Euro – lassen diesen quälend langsamen Erkenntnisprozess der Koalitionäre nicht zu.
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