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Eine ältere Arbeiterin in einer Lebensmittelfabrik © iStock/kali9

Kontingentierte kurzzeitige Beschäftigung: Bundesregierung nimmt Ausbeutung billigend in Kauf

Nachricht von Susanne Ferschl,

Mit der kontingentierten kurzzeitigen Beschäftigung (KKB) wird ab März 2024 ein (niedrigschwelliger) Arbeitsmarktzugang für ausländische Arbeitskräfte aus Drittstaaten ohne besondere Qualifikationsanforderungen eingeführt. Erwartet werden laut Gesetzentwurf jährlich 30.000 Beschäftigte, die vor allem im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie in der Landwirtschaft tätig sein sollen. Erlaubt ist im Rahmen der KKB eine Beschäftigung von acht Monaten in einem Zeitraum von 12 Monaten, ausschließlich bei tarifgebundenen Arbeitgebern bzw. in Branchen, in denen ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wurde. Außerdem muss es eine vollzeitnahe, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sein, die mindestens 30 Stunden pro Woche umfasst. Hinzu kommt, dass der Arbeitgeber die erforderlichen Reisekosten tragen muss. Klingt soweit gut, doch der Teufel steckt – wie so oft – im Detail. Es reicht nämlich nicht, nur die Etiketten Tarifbindung und Sozialversicherungspflicht an die kontingentierte kurzzeitige Beschäftigung anzukleben. Beschäftigte aus Drittländern müssen konsequent vor Ausbeutung geschützt werden und dürfen bei der Durchsetzung ihrer Rechte nicht alleine gelassen werden.

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnte im Vorfeld vor Ausbeutungsrisiken, die mit der Einführung einer solchen »befristeten Einwanderung, die von vornherein nur auf die Arbeitskraft der Beschäftigten und nicht auf eine Lebensperspektive in Deutschland abzielt« einhergehen. Ich habe die Bundesregierung gefragt, wie die Regelungen denn nun konkret aussehen sollen und wie der erforderliche Schutz garantiert werden kann – schließlich ist die Regelung nun ja beschlossene Sache. 

Die Antwort ist ernüchternd: Noch immer sind viele Umsetzungsfragen unklar. Klar ist, dass für betroffene Beschäftigte aus Drittstaaten die Ausbeutungsrisiken steigen. Um die Details und vor allem den Schutz soll sich – nach dem Willen der Bundesregierung – das Beratungsnetzwerk »Faire Integration« kümmern. Das wird der Sache nicht gerecht! Faire Integration ist ein wichtiges und gutes Beratungsangebot, aber eben keine Kontrollbehörde und auch keine Anwaltskanzlei. Es kann nicht sein, dass so viel Verantwortung auf dieses Beratungsnetzwerk abgeschoben wird. Die Bundesregierung ist in der Pflicht, geltendes Arbeitsrecht in Deutschland durch wirksame Kontrollen durchzusetzen. Erst recht, wenn es sich um so vulnerable Beschäftigtengruppen handelt, die oft weder die Sprache beherrschen, noch ihre Rechte kennen.

Hinzu kommt, dass Arbeitsgeber ohnehin erst ab 2026 verpflichtend auf »Faire Integration« hinweisen müssen. Es kann also davon ausgegangen werden, dass viele der betroffenen Beschäftigten bis auf weiteres gar nichts von der Existenz des Beratungsangebots erfahren.

Kriminelle Arbeitgeber nutzen die strukturell schwächere Position ausländischer Beschäftigter schamlos aus. Die Probleme sind aus der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Ausbeutung meist osteuropäischer Beschäftigter – ob auf den Feldern, in der häuslichen Pflege, auf dem Bau oder der Fleischindustrie - inzwischen hinreichend bekannt. Umso weniger ist nachvollziehbar, dass die Bundesregierung nun ein neues Instrument für Drittstaatsangehörige schafft, ohne die bekannten Risiken dabei wirksam einzudämmen.

Gerade vor diesem Hintergrund sind die schlichten Verweise der Bundesregierung auf den individuellen Rechtsweg oder die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) scharf zu kritisieren.  Denn es bestehen bekanntermaßen erhebliche Zugangsbarrieren. Klagen benötigen ausreichend Zeit und Geld sowie Kenntnisse des Rechtssystems. Und auch die FKS ist keine »Behörde für Arbeitnehmerrechte«, sondern nimmt zu einem großen Teil auch Verstöße von Arbeitnehmer*innen ins Visier. Viele Beschäftigte scheuen sich daher, sich an die FKS zu wenden – insbesondere wenn sie oder ihre Kolleg*innen keine gültigem Arbeits- oder Aufenthaltspapier verfügen. Die Bundesregierung muss gute Arbeitsbedingungen für alle hierzulande Beschäftigten sicherstellen und die notwendigen Instrumente dafür in Stellung bringen!  Andernfalls muss sie sich den Vorwurf gefallen lassen, zum Wohle der deutschen Wirtschaft, Ausbeutung billigend in Kauf zu nehmen. 

Weitere Details – etwa, dass die Bundesregierung sich scheinbar selbst nicht im Klaren ist, inwiefern KKB unter die EU-Richtlinie für Saisonarbeiter fällt, dass der tatsächliche Nutzen der Sozialversicherungspflicht für die Beschäftigten unklar bleibt oder dass die Regierung Probleme mit privaten Vermittlungsagenturen ausblendet – findet ihr in unserer Auswertung.