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Klimapolitik ist eine Frage sozialer Gerechtigkeit: Klimagerechtigkeit braucht eine andere Produktionsweise

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Stellvertretend für fünf Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE (Eva Bulling-Schröter, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger und Sabine Leidig) übergeben Annette Groth und Inge Höger den Scheck an Nnimmo Bassey. 

                                                                                                           Foto: Uwe Hiksch

 

Es war wie ein Vorbote des Klimawandels: Bei brütender Hitze diskutierten am 3. und 4. Juli 2015 über 80 Expert*innen und Klimaaktivist*innen aus dem globalen Norden und dem globalen Süden gemeinsam mit sieben Bundestagsabgeordneten der Linksfraktion auf der von der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag ausgerichteten Konferenz: „Auf der Flucht vor humanitären Krisen: zur sozialen Dimension des Klimawandels“.

Dietmar Bartsch, der 2. Stellvertretende Fraktionsvorsitzende, machte zu Beginn der Konferenz deutlich, dass sich DIE LINKE für einen sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft einsetzt hin zu einer nachhaltigen und sozial gerechten Gesellschaft. Er wies ebenso wie Annette Groth, die Sprecherin für Menschenrechtspolitik, auf den direkten Zusammenhang von sozialer Gerechtigkeit, Ökologie und Nachhaltigkeit hin und auf die Notwendigkeit zur Umverteilung von Vermögen, Arbeit, Zeit und Einkommen.

Verfehlte Klimapolitik

Am ersten Tag der Konferenz führte der Bundesvorsitzende der NaturFreunde Deutschlands, Michael Müller, sehr grundsätzlich in die Problematik ein. Er betonte, dass nur ein grundsätzlicher Wandel der herrschenden Wirtschaftslogik und eine Beendigung der Wachstumsideologie den zunehmenden Klimawandel verlangsamen könne. Eva Bulling-Schröter, Sprecherin für Energie- und Klimapolitik der Fraktion DIE LINKE, erklärte die bisherigen marktbasierten klimapolitischen Instrumente wie der Emissionshandel, der Clean-Development-Mechanismus und die „REDD“-Waldschutzprogramme für gescheitert.

Menschenrechtsexpert*innen wie Sabine Minninger von Brot für die Welt wiesen auf die gravierenden Menschenrechtsverletzungen und auf die soziale Ungerechtigkeit sowohl durch Klimawandel als auch durch verfehlte Klimapolitik hin. Diese Sichtweise und die Notwendigkeit des sofortigen Handelns des Nordens wurde auch von den Vertreter*innen des Südens wie Nnimmo Bassey von der „Health of Mother Earth Foundation“ (Nigeria) und Joan Carling vom „Asia Indigenous Peoples Pact“(Thailand) immer wieder in den Vordergrund gestellt. Ebenso wichtig seien aber auch die Organisation und das ‘Empowerment’ der lokalen Gruppen, Basisbewegungen und lokalen Gemeinden, die als allererste gezwungen würden, mit den Folgen des Klimawandels umzugehen. Deren Erfahrungen und Forderungen müssten in den Klimaverhandlungen in Paris gehört und als entscheidend wahrgenommen werden.

Allerdings machte sich niemand große Illusionen über die Bereitschaft von Regierungen, in Klimakonferenzen konkrete Verbesserungen zu erreichen. Ganz im Gegenteil, der Kampf gegen die Verursacher wurde in den Mittelpunkt gestellt. Professor Kai Niebert von der Universität Zürich machte in seinem Vortrag deutlich, dass auch in Deutschland die Klimapolitik zutiefst sozial ungerecht ist und vor allem Kinder aus sozial benachteiligten Familien unter den Folgen von Umweltgiften in Kohleabbaugebieten, in der Nähe von Atomreaktoren und durch eine marktradikal belastende Lebensweise leiden und sogar vermehrt daran sterben. So kamen in den Diskussionen des ersten Tages alle Teilnehmenden zu dem Schluss, dass die zerstörerische Lebens- und Wirtschaftsweise des kapitalistischen Nordens sozial benachteiligte Menschen sowohl im Norden als auch im Süden tötet.

Klimadiskurs entpolitisiert

Der zweite Tag der Konferenz war dem zutiefst menschenrechtsrelevanten Thema der „Klimaflüchtlinge“ gewidmet (siehe auch Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE). In dem Einführungsvortrag machte Professorin Angela Oels von der Universität Lund (Schweden) mit einem kritischen Überblick über die wissenschaftlichen Diskurse in der Debatte über ‘Klimaflüchtlinge’ deutlich, dass der Resilienz-Diskurs den Klimadiskurs entpolitisiert und dass die Klimaflüchtlinge unter Berufung auf den Selbsthilfediskurs von den Ländern des Nordens im Stich gelassen werden. „Wir sollten uns dagegen wehren, ‘gefährlich’“ leben zu müssen. Es gilt, den Diskurs wieder zu öffnen und eine andere Welt zu erstreiten – ohne Klimawandel“, betonte Angela Oels in der Debatte.

In den verschiedenen Workshops zu Militarisierung, Flüchtlingspolitik und zu dem aktuellen Thema der Klimaversicherungen wurde übereinstimmende Kritik an dem Verhalten der Industrienationen in den Klimaverhandlungen und der Flüchtlingspolitik sowie an der nicht wahrgenommenen Verantwortung für die Realität und ihre Opfer laut. Inge Höger, abrüstungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, machte deutlich, dass die deutsche Rüstungsindustrie sogar von dem aktuellen Diskurs der ‘Flüchtlingsabwehr’ profitiert, denn aufgrund der zunehmenden Nachfrage nach der Sicherung von Landesgrenzen und Niederschlagung von Aufständen kann sie mehr Militärgüter exportieren. Es wurden verschiedene Lösungen und Konzepte diskutiert, wie zum Beispiel die Anerkennung von Naturkatastrophen als Fluchtgrund und die Entschädigung von klimabedingten ‘Schäden und Verlusten’ durch die Verursacher oder durch private Klimaversicherungen. Klar wurde, dass es immer einen Mix aus verschiedenen legalen Regelungen zur Migration sowie von Entschädigungszahlungen geben muss, um den Leidtragenden von Klimaschäden ein Leben in Würde zu ermöglichen.

Am Ende der Konferenz überreichten fünf Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE Nnimmo Bassey einen Scheck in Höhe von 2500 US-Dollar, um dem Umweltaktivsten Lukman Sawadogo aus Burkino Faso ein zweijähriges Forstwirtschaftsstudium zu ermöglichen. Lukmans Vater hat ein aufsehenerregendes Projekt gestartet, was auch in einem Film („The man who stopped the desert“) dokumentiert wurde. Der Sohn wird nach seinem Studium das Projekt seines Vaters fortsetzen. Das Stipendium für Lukman ist die Grundlage für das Studium und ein Stück praktische Solidarität.

Eine sozial und ökologisch gerechte Welt schaffen

Die Teilnehmenden der Konferenz stellten abschließend fest, dass es immens wichtig sei, die Klimapolitik mit allen anderen Politikfeldern zu verbinden: Die kapitalistische Wirtschaftsweise beeinflusst und zerstört in allen Bereichen die Umwelt und das Klima, wie sie es zum Beispiel in der Verkehrspolitik tut, wie Sabine Leidig, verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion, herausstellte.

Eine vertiefte Zusammenarbeit der Umwelt- und Klimagruppen mit Menschenrechtsorganisationen und sozialen Bewegungen ist notwendig, um Veränderungen zu erreichen. Der Klimawandel ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit und eine Frage der Wahrung des Friedens auf unserer Erde. Und alle waren sich einig – es geht nicht darum, das Leben der Leidtragenden an den Klimawandel anzupassen. Es geht vielmehr darum, alles Menschenmögliche zu unternehmen, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels zu verhindern und eine sozial und ökologisch gerechte Welt zu schaffen.

linksfraktion.de, 6. Juli 2015