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Ein Kind am Fenster hält einen kleinen roten Blumentopf mit einer Pflanze © iStock/Kyryl Gorlov

Kindern eine Stimme geben – erst recht zu Krisenzeiten

Im Wortlaut von Norbert Müller,

Von Norbert Müller

„Kinder müssen leider draußen bleiben“, hieß es zu Zeiten des ersten Lockdowns noch an vielen Ladentüren. Auch wenn sich dieser Umstand an den meisten Orten mittlerweile gebessert hat: Es bleibt dabei, Kinder und Jugendliche und vor allem ihre Interessen sind von den Entscheidungsprozessen ausgeschlossen. Noch nicht einmal das Bundesfamilienministerium hatte einen Sitz im Corona-Krisenkabinett. 

Man muss auch kein Zyniker sein, um zu bemerken, dass die im zweiten Lockdown lang durchgehaltene Öffnung von KiTas und Schulen eher auf die Interessen der Wirtschaft zurückzuführen ist und nicht etwa in Orientierung am Kindeswohl.

Meine Zeit als Vorsitzender der Kinderkommission habe ich genutzt, um diese Leerstelle zumindest ansatzweise zu füllen. In acht Sitzungen berieten uns erwachsene und jugendliche Expertinnen und Experten über die derzeit zu beobachtenden Auswirkungen. Beteiligt an den schwierigen Entscheidungen wurden Kinder und Jugendliche so gut wie nie. Gerade in Krisensituationen wird der Kreis der Entscheiderinnen und Entscheidern oft klein gehalten, meist mit dem Verweis auf eine schnellere Abstimmungsfähigkeit. Mit diesem Argument wurde übrigens auch eine Mitbestimmung durch das Parlament lange Zeit ausgespart.

Doch genau umgekehrt wird ein Schuh draus: Erst wenn alle sich widerstreitenden Interessen zumindest bekannt sind, können sie gegeneinander abgewogen werden. Sind sie im Moment der Entscheidungsfindung nicht bekannt, muss später nachjustiert werden – ein deutlich ineffizienterer Weg. Dies gilt im Kleinen wie im Großen. Vor Ort heißt das zum Beispiel, mit den Stammbesucherinnen und -besuchern einer Freizeiteinrichtung gemeinsam abzuwägen, wie mobile Jugendarbeit möglichst kontaktarm ablaufen kann. Als Politik haben wir dann im Großen die Aufgabe, aus der Sammlung der vielen Einzelerfahrungen Richtlinien zu formulieren. Letzteres ist in den vergangenen Monaten und Monaten mitnichten passiert, sodass wir nach einem Jahr genauso schlau sind wie vorher. Denn während die Bundesregierung es mit Müh und Not schafft, Wirtschafts- und Gesundheitsinteressen miteinander in Einklang zu bringen, fallen die übrigen Belange eines solidarischen Miteinanders hinten runter.

Als Fraktion DIE LINKE fordern wir seit Beginn der Krise einen vom Kanzleramt ausgerichteten Kindergipfel, um die mannigfaltigen Lagen der Jüngsten sichtbar zu machen. Auch das ist mit Sicherheit nicht der Weisheit letzter Schluss, wenn es um eine nachhaltige Beteiligung junger Menschen gehen soll. Dafür braucht es einen langen Atem und ernsthaftes Interesse. Über beides scheint die Bundesregierung nicht zu verfügen, wie auch im jüngsten Gesetzentwurf für die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz sichtbar wird. Als Fraktion DIE LINKE werden wir weiterhin an der Seite der Schwächsten und Leisesten der Gesellschaft stehen, ihnen unsere Stimmen leihen und ihr Gehörtwerden einfordern. 


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