Auswertung der Antwort der Bundesregierung vom 07. Mai 2020 auf die Kleine Anfrage "Stärkung der Demokratie – erinnerungspolitisches und zivilgesellschaftliches Engagement der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) e.V. (BT-Drs. 19/17233) von Brigitte Freihold u.a und der Fraktion DIE LINKE im Bundestag
Hintergrund/Zusammenfassung
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschist*innen (VVN-BdA) ist die älteste Organisation von Überlebenden der Verbrechen des Naziregimes in der Bundesrepublik. Getragen vom Protest gegen die Schlussstrichmentalität sowie von dem Wunsch nach einem demokratischen Neubeginn, versucht die VVN seit 1947 Gedenken und Erinnerung mit Aufklärung und Mahnung zu vereinen. Sie vertritt bis heute die Interessen von Verfolgten und Widerstandskämpfer*innen sowie deren Nachkommen und hat gegen große gesellschaftliche Widerstände wesentlich dafür gesorgt, dass die Verbrechen des Nazi-Regimes nicht in Vergessenheit geraten sind.
Am 4. November 2019 hat das Finanzamt für Körperschaften I des Landes Berlin unter Berufung auf § 51 Absatz 3 der Abgabenordung (AO) der ältesten überparteilichen und generationenübergreifenden antifaschistischen Organisation Deutschlands, die steuerrechtliche Gemeinnützigkeit entzogen. Hintergrund ist eine Nennung im bayerischen Verfassungsschutzbericht.
Der VGH München stellte jedoch bereits 2018 fest, dass die Nennung keine "eines Nachweises zugängliche Tatsachenbehauptung" darstellt, sondern lediglich eine von der Behörde vorgenommene "Bewertung" durch ihre Mitarbeitenden. Vor Gerichten können solche "Bewertungen" jedoch gar nicht durch einen Gegenbeweis wiederlegt werden. Damit stellt der Entzug der Gemeinnützigkeit auf der Grundlage einer Nennung im VS-Bericht eine Rechtsbeugung dar.
Die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten der Fraktion DIE LINKE Brigitte Freihold hat nun darüber hinaus ergeben, dass vermeintliche Hinweise auf verfassungsfeindliche Bestrebungen in der Satzung der VVN-BdA als geheim eingestuft werden und die Bundesregierung jegliche Auskunft über den Sachverhalt verweigert, was einen eklatanten Wiederspruch zum parlamentarischen Auskunftsanspruch darstellt.
Hinzukommend hat die Kleine Anfrage aufgedeckt, dass es in Behörden, Ministerien und im öffentlichen Dienst ein ernsthaftes Problem mit rechtsgesinnten Mitarbeitenden gibt. Allein bei der Polizei gab es in den vergangenen Jahren 35 Ermittlungen wegen rechtsextremer Äußerungen. Hinzu kommen 12 Untersuchungen wegen Äußerungen, die dem Spektrum der Reichsbürgerszene zugeordnet werden sowie diverse Ermittlungen beim Bundeskriminalamt und auch beim Verfassungsschutz. Bei der Bundeswehr wurden zwischen 2010 und 2013 insgesamt 79 Extremisten identifiziert, zwischen 2014 und 2019 waren es 29, wovon über die Hälfte auch Mitglied einer rechtsextremen Partei oder Organisation waren.
Dazu erklärt Brigitte Freihold, erinnerungspolitische Expertin der LINKEN im Bundestag:
"Die Bundesregierung muss sich endlich dafür einsetzen, dass rechtsextremistische Tendenzen im öffentlichen Dienst sowie den Ministerien und Behörden erkannt und unterbunden werden. Darüber hinaus müssen die Gründe für die Überwachung zivilgesellschaftlicher Aktivitäten der VVN-BdA offengelegt und die Rolle rechtsgesinnter Mitarbeiter aufgeklärt werden, um zu verhindern, dass das erinnerungspolitische Engagement der VVN-BdA unter Missachtung des Grundgesetzes als Bedrohung der Sicherheit der Bundesrepublik diffamiert wird."
Der Tagesspiegel berichtete: Bundesregierung verteidigt Vorgehen gegen Antifaschisten, 20. Mai 2020