3,43 Euro für Kinder unter 5 Jahren, 4,48 Euro für Kinder bis 13, 6,09 Euro für Jugendliche zwischen 14 und 17 und schließlich 4,59 Euro für junge Erwachsene bis 25 Jahre. So wenig ist im Bürgergeld für Essen und Trinken pro Tag vorgesehen. Jeder, der einkaufen geht, weiß, dass das nicht reicht, um sich zu ernähren – schon gar nicht gesund und halbwegs ausgewogen.
Jessica Tatti, Sprecherin für Arbeitsmarktpolitik der Fraktion DIE LINKE, hat die Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage mit den Kritiken aus ernährungswissenschaftlicher, sozialpolitischer, rechtlicher und verbandlicher Sicht an der Höhe der im Regelbedarf vorgesehenen Ernährungsanteile für Kinder und Jugendliche in der Grundsicherung konfrontiert. Diese hat darauf im Wesentlichen nur eine Antwort: Die Eltern seien selbst verantwortlich dafür, wofür sie die Regelbedarfe ausgeben.
Die Bundesregierung ignoriert dabei, dass die Regelbedarfe keinerlei praktischen Spielraum lassen, umzuverteilen. Alles ist knapp berechnet, viele Waren wurden nach der Berechnung von der Politik gestrichen.
Die Bundesregierung kennt die zahlreichen Studien. Sie weiß, dass der Ernährungsanteil in der Grundsicherung nicht ausreicht, Kinder gesund zu ernähren. Es drohen Wachstumsstörungen und sogar kognitive Beeinträchtigungen, wenn Kinder aus Geldmangel heraus ungesund ernährt werden. Wenn die Bundesregierung hier nur individuelle Präferenzen sieht, dann drückt sie sich vor ihrer Aufgabe, die Existenzsicherung so zu berechnen und zu gewährleisten, dass sie ein Aufwachen in Gesundheit und Würde erlaubt.
Jessica Tatti kommentiert: „Statt endlich eine Kindergrundsicherung einzuführen, die allen Kindern eine gesunde Ernährung ermöglicht, schiebt die Ampel den Eltern im Bürgergeld den Schwarzen Peter zu. Es ist an Zynismus nicht zu überbieten, wenn die Ampel behauptet, die Eltern müssten das Bürgergeld einfach nur so ausgeben, dass es für eine gesunde Ernährung reiche. Die Menschen im Bürgergeld wissen wegen der krassen Preissteigerungen gerade nicht, wie sie ihren Wocheneinkauf noch bezahlen sollen. Sie können nicht einfach woanders sparen, um Vollkornbrötchen beim Bäcker statt Toast im Discounter zu kaufen. Es gibt im Bürgergeld keinen Spielraum für Einsparungen. Die Eltern sind doch froh, wenn sie ihre Kinder irgendwie satt bekommen. Die Bundesregierung muss die Regelbedarfe so anheben, dass Kinder gesund aufwachsen können. Ansonsten beweist die Ampel, dass ihr die Lebensrealitäten armer Familien völlig egal sind.“
Hintergrund
In letzter Zeit häufen sich fachliche Kritiken, dass gesunde Ernährung nicht für alle finanziell möglich ist: Der Betrag, der beim Existenzminimum für Ernährung angesetzt wurde, genügt nicht für eine gesunde Ernährung – so u. a. der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.
Die Fraktion DIE LINKE hat die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages gefragt, wie teuer eine gesunde Ernährung ist und ob sie mit dem Regelsatz möglich ist. Diese haben für ihre Antwort viele Studien der letzten Jahre gesichtet und in einer Dokumentation zusammengefasst.
Zentrales Ergebnis: Fünf Studien, die sich auf das geltende Berechnungsmodell des Regelbedarfs beziehen und jeweils auf eigenständigen empirischen Untersuchungen basieren, kommen zu dem Ergebnis, dass der Regelbedarfs-Anteil für Ernährung nicht für eine gesunde Ernährung ausreicht. Von allen Studien und sonstigen Fachäußerungen, die die Wissenschaftlichen Dienste ausgewertet haben, kommt nur eine Arbeit aus dem Jahr 2008 zu dem Ergebnis, dass der Regelsatz-Anteil für Ernährung ausreicht, und genau diese Arbeit ist extrem umstritten.
Grund dafür ist, dass sich die Methodik der Berechnung der Regelbedarfe in der Grundsicherung nicht am tatsächlichen Bedarf orientiert, sondern an statistischen Durchschnittswerten. Die Behauptung, dass gesunde Ernährung vor allem eine Frage des Wissens und Wollens wäre, geht bei der Grundsicherung an der Realität vorbei – es fehlt bereits am ausreichenden Geld für eine gesundheitserhaltende Ernährung. Daran hat auch die Erhöhung zur Einführung des Bürgergelds zum 1. Januar dieses Jahres nicht geändert. Die Bundesregierung negiert dieses Problem weiterhin. Selbst auf explizite Nachfragenragen hin (vgl. Kleine Anfragen aus der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 20/3847, 20/4852, S. 95) wurde lieber ein Gutachten des WBAE falsch wiedergegeben, als einen Reformbedarf anzuerkennen.
Auswertung der Antwort der Bundesregierung
Auswertung der Dokumentation der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags