Bereits 1970 entwickelte die DDR mit dem „Führungsdokument“ zur „Grippebekämpfung“ einen Drei-Punkte-Plan zur Bekämpfung von Seuchen, dessen Krisenmanagement vom Ansatz her dem 1999 verabschiedeten „influenza preparedness plan“ der WHO oder dem 2005 beschlossenen „Nationaler Pandemieplan“ der Bundesrepublik entsprach. Nach der Wiedervereinigung wurde dieser fortschrittliche Ansatz zusammen mit dem Institut für angewandte Virologie in Berlin abgewickelt und die dortige Forschung eingestellt.
Angesichts der Probleme bei der Bewältigung der aktuellen Covid-19-Pandemie wollten Jan Korte und die Fraktion DIE LINKE in der Kleinen Anfrage „Lehren aus den Pandemieplänen der Deutschen Demokratischen Republik“ (PDF) u.a. in Erfahrung bringen, ob die Bundesregierung in der Struktur des DDR-Gesundheitssystems und insbesondere der Polikliniken vorbildhafte oder nachahmenswerte Aspekte sieht, die bei einer pandemie- und krisenfesten Umgestaltung des deutschen Gesundheitssystems zum Tragen kommen sollten? Nun liegt die Antwort vor, und sie ist einigermaßen ernüchternd. Letztlich vermeidet die Regierung konsequent fast alle konkreten Aussagen zu Bewertungen, Schlussfolgerungen und Lehren. Einzig zu folgender unverbindlicher Aussage lässt sie sich herab:
„Neben der Bewältigung der aktuellen COVID19-Pandemie wird die Bundesregierung die gemachten Erfahrungen auswerten ("lessons learned") und daraus Schlussfolgerungen für die Weiterentwicklung der Pandemieplanung im Besonderen und des Krisenmanagements zu gesundheitlichen Schadenslagen im Allgemeinen ziehen.“
Für Jan Korte liegen die Ursachen für das nicht vorhandene Interesse der Bundesregierung, in der DDR erarbeitete Konzepte zur Bekämpfung von Pandemien auszuwerten, tiefer:
„Auch wenn der antikommunistische Beißreflex nicht mehr ganz so stark ausgebildet ist, so bekommt die Bundesregierung es auch heute noch nicht übers Herz, einfach mal einzugestehen, dass eventuell doch nicht alles in der DDR des Teufels war. Dies ist insofern logisch, weil sie nach wie vor in der Verteidigung des Kapitalismus offenbar ihre wichtigste Aufgabe sieht. Gerade angesichts der während der aktuellen Pandemie offensichtlich gewordenen Defizite eines auf Profitabilität ausgerichteten Gesundheitssystems muss sie folglich jegliche positive Bewertung der Pandemiebekämpfung in der DDR vermeiden. Denn sonst könnte man vielleicht zu der Schlussfolgerung kommen, dass die besseren Ergebnisse der DDR beispielsweise bei der Tuberkulose- oder Seuchenbekämpfung, trotz deutlich geringerer wirtschaftlicher Kräfte, auf das DDR-Gesundheitswesen zurückzuführen waren. Und dieses war eben fast ausschließlich öffentliches Eigentum, wurde staatlich organisiert und in der Regel ärztlich geleitet. Es wäre gut, wenn daraus 30 Jahre nach der Wiedervereinigung endlich die richtigen Lehren gezogen werden würden, denn dass wir schnell zu einer Pandemie- und krisenfesten Umgestaltung des Gesundheitssystems kommen müssen, dürfte mittlerweile den Meisten klargeworden sein“, so Korte.
Die Antwort auf die KA „Lehren aus den Pandemieplänen der Deutschen Demokratischen Republik“ (19/24316) finden Sie hier (PDF).
René Heilig berichtet in ‚neues deutschland‘ über die Lernverweigerung der Bundesregierung: „Kaum Lernbedarf“ (neues deutschland vom 13.12.2020)