Die aktuell rasant steigenden Energiepreise verweisen auf ein bereits länger bestehendes Problem, das die vergangenen Bundesregierungen egal welcher Zusammensetzung ignoriert haben. Haushalte mit geringen Einkommen müssen einen immer größeren Teil ihrer Einnahmen für Energiekosten aufwenden. Sie können Preissteigerungen nicht mehr schultern. In armutsbetroffenen Haushalten geht sprichwörtlich das Licht aus und bleibt die Wohnung kalt.
Stromsperren sind keine Lösung
Dass das kein theoretisches Problem ist, zeigt der letzte Monitoringbericht der Bundesnetzagentur. Jedes Jahr mehr als 4,8 Millionen Sperrandrohungen der Stromnetzbetreiber, von denen 911.000 in Sperrbeauftragungen münden, sind ein deutliches Warnsignal. Bereits heute kann jede/r zwölfte, der in Deutschland als armutsgefährdet gilt, die eigene Wohnung nicht adäquat heizen. Die betroffenen Haushalte haben kaum Möglichkeiten Energie einzusparen. Für die Anschaffung energieeffizienter Haushaltsgeräte fehlt ihnen häufig schlicht das Geld. Der Standard von Wohnungen in den unteren Preissegmenten ist meist von geringer Energieeffizienz. Nur ein kleines Segment neu gebauter und entsprechend teurer Wohnungen nutzt Erneuerbare als Heizenergie. Bundesweit sind dies lediglich 5,8 Prozent. Der überwiegende Anteil der Bevölkerung ist nach wie vor auf Gas und Öl angewiesen, wenn die Wohnung nicht kalt bleiben soll.
Der aktuelle Preisschock bei Energieträgern lässt Untote in der Debatte wiederauferstehen. Schon jetzt wollen einige die Energiewende noch weiter ausbremsen, als es die Koalition aus Union und SPD in den vergangenen Jahren getan hat. Abseitigere Zeitgenossen verkünden Zombiemärchen vom vermeintlich günstigen Atomstrom. All das ist kein Teil der Lösung, sondern eine Verschärfung des Problems.
Für einen sozial-ökologischen Energiepakt
Auch wenn ich bei den derzeitigen möglichen Regierungskoalitionen wenig Hoffnung hege, wäre es höchste Zeit für einen sozial-ökologischen Energiepakt. Die erste Komponente eines Energiepakts ist schlichte Armutsbekämpfung. Denn in den unteren Einkommensbereichen ist Energiearmut nur ein Ausdruck eines generellen Armutsproblems. Maßnahmen wie die Einführung eines armutsfesten Mindestlohns, einer ebensolchen Mindestrente sowie einer sanktionsfreien und armutsfesten Mindestsicherung statt der bekanntermaßen nicht nur beim Strom- und Haushaltsenergie kleingerechneten Hartz-IV-Regelbedarfs. Das Wohngeld muss endlich reformiert werden und ein Heizkostenzuschuss wieder eingeführt werden. Die zweite Komponente müsste darauf zielen, Energiesperren zu verhindern und den Energiegrundbedarf aller Haushalte zu sichern. Darüber hinaus sollte eine bundesweite Energiepreisaufsicht eingeführt werden. Statt Elektroautos für ohnehin wohlhabende Haushalte zu fördern, wäre eine Unterstützung von Haushalten mit kleineren und mittleren Einkommen beim Wechsel auf energiesparende Haushaltsgeräte angesagt. Die Anschaffung von energiesparenden Großgeräten könnte durch die Einergieeinsparungen teilweise refinanziert werden. Und schließlich muss die energetische Sanierung von Gebäuden sozialverträglich gestaltet werden, damit eine klimagerechte Stadtsanierung nicht zu Verdrängung führt. Ohne einen solchen sozial-ökologischen Energiepakt werden wir in den kommenden vier Jahren mit der Abwehr von Zombiedebatten verbringen und das Erreichen der Klimaziele in noch weitere Ferne rücken.
Wie durch den Winter kommen?
Doch all das ist Zukunftsmusik. Viele Haushalte müssen durch den Winter kommen. Deswegen muss die Bundesregierung jetzt Sofortmaßnahmen ergreifen. Infrage kommt dafür ein Energiekostenaufschlag für Menschen im Wohngeldbezug sowie ein Haushaltsenergieaufschlag bei Hartz IV und Grundsicherungsbeziehenden. Bei ihnen müssen zudem die tatsächlichen Heizkosten übernommen werden. Für Haushalte mit niedrigen Einkommen, die keine Sozialleistungen erhalten, braucht es eine niedrigschwellige Lösung wie einen Heizkostenzuschuss sowie Energieschecks. Bis zum Ende der Heizperiode müssen zudem alle Netzsperren durch ein Moratorium ausgesetzt werden.