Von Jessica Tatti, Sprecherin der Fraktion DIE LINKE für Sozial- und Arbeitsmarktpolitik
Es braucht Ehrlichkeit in der Existenzsicherung. Die Regierung verteilt völlig willkürlich festgelegte Einmalzahlungen, die nicht einmal den Kaufkraftverlust durch die hohe Inflation ausgleichen. Hartz IV und Sozialhilfe müssen sofort und dauerhaft erhöht werden. Wir haben ehrlich gerechnet: Der Regelsatz in Hartz IV und Sozialhilfe muss 687 Euro betragen, plus Strom, plus „weiße Ware“. Auch für Kinder im Bezug braucht es monatlich 100 Euro mehr.
Die Ampelregierung hat Sonderzahlungen für Sozialleistungsempfänger beschlossen:
- für Erwachsene in Hartz IV und Sozialhilfe (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfe zum Lebensunterhalt) Einmalzahlungen im Juli in Höhe von 100 Euro für pandemiebedingte Ausgaben seit Sommer 2021 und weiteren 100 Euro für den Ausgleich der massiven Preissteigerungen bei Strom und Lebensmitteln;
- für Kinder und Jugendliche in Hartz IV und Sozialhilfe in Höhe von 20 Euro monatlich ab Juli sowie
- für Menschen im Bezug von Arbeitslosengeld bei der Agentur für Arbeit einen einmaligen Zuschlag von 100 Euro im Juli.
Die Anhörung im Bundestag hat gezeigt: Wohlfahrts- und Sozialverbände sowie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) haben unisono festgestellt, dass die Einmalzahlungen bei Weitem nicht ausreichen. Sie sind zwar besser als nichts. Sie reichen aber nicht einmal aus, um auch nur den aktuellen Kaufkraftverlust auszugleichen.
Das einfache Nachrechnen zeigt: Die Erhöhung des Hartz-IV-Satzes zu Beginn des Jahres betrug drei Euro. Zusammen mit der Einmalzahlung von 100 Euro beträgt die Erhöhung rechnerisch 2,5 Prozent pro Monat im Vergleich zum Vorjahr. Die Inflationsrate liegt aktuell bei 7,4 Prozent. Die Inflation für regelsatzrelevante Ausgaben beträgt immer noch satte 6,6 Prozent. Sie liegt damit weit mehr als doppelt so hoch wie die Sonderzahlung auf ein Jahr gerechnet.
Die Regelsätze bei Hartz IV und Sozialhilfe sind ohnehin durch Kleinrechnerei und statistische Tricks viel zu niedrig. Seit vielen Jahren schummeln alle Regierungen bei der Berechnung. Daher haben wir die Höhe der Regelsätze mit den offiziellen Daten und Statistiken des Statistischen Bundesamtes, Destatis, überprüfen lassen.
- Als Vergleichsgruppe für den Regelsatz haben wir den Durchschnitt der ärmsten 20 Prozent der Alleinstehenden angenommen wie das bis 2011 üblich war. Die Bundesregierung nutzt seitdem nur noch die untersten 15 Prozent, um so auf niedrigere Regelsätze zu kommen.
- Aus dieser Vergleichsgruppe nehmen wir die Leute heraus, die Sozialleistungen erhalten oder erhalten würden, falls sie einen Antrag stellen. So wird vermieden, dass aus dem aktuellen Regelsatz auch der neue Regelsatz hergeleitet wird („Zirkelschlüsse“).
- Auf politische, willkürliche Streichungen aus den realen Ausgaben der Vergleichsgruppe verzichten wir. Die Ausgaben der untersten 20 Prozent der Bevölkerung sind deren Ausgaben – da gibt es nichts zu streichen, nur weil gut situierten Abgeordneten das so gefällt. Auch ärmere Menschen brauchen etwas Geld für Pflanzen auf dem Balkon oder im Garten, wollen Verwandten ein kleines Geschenk zum Geburtstag mitbringen oder ihren Kindern Turnschuhe mit drei Streifen kaufen. Auch das gehört zur Teilhabe an Gesellschaft.
Wir kommen mit unserer ehrlichen Berechnung plus eines Inflationsausgleichs von 5 Prozent auf einen Regelsatz von 687 Euro für Alleinstehende und Alleinerziehende. Zusätzlich müssen Strom und größere Anschaffungen („Weiße Ware“) übernommen werden. Die genaue Berechnung und Begründung findet sich in unserem Antrag „Regelsatz ehrlich berechnen – Sonderzahlungen reichen nicht aus“.
Die Sonderzahlungen für Kinder und Jugendliche im Sozialleistungsbezug sind ebenso viel zu niedrig angesetzt und kleingerechnet. Die Lücke zum ehrlichen Bedarf liegt derzeit bei 100 Euro im Monat. Diese 100 Euro müssen bis zur Neuberechnung und der Einführung der Kindergrundsicherung ab sofort ausbezahlt werden. Das fordern wir in unserem Antrag „Kinder-Sofortzuschlag armutsfest ausgestalten“.
Die rot-grün-gelbe Regierung zeigt mit ihren Zuschüssen deutlich, was sie von Menschen mit kleinem Geldbeutel hält. Anstatt dafür zu sorgen, dass sich die Leute nicht Tag und Nacht Sorgen um ihre Existenz machen müssen, rechnet und trickst man so lange, bis sich Finanzminister Christian Lindner (FDP) freut. Das ist respektlos.
Das aktuelle Hartz-IV-System beruht auf Scham, Angst und Druck. Das muss überwunden werden. Der Regelsatz muss zum Leben reichen. Respekt heißt für DIE LINKE: Regelsatz auf 687 Euro!