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Amira Mohamed Ali spricht am 25. Februar 2022 auf der Friedesmahnwache für die Ukraine © Martin HeinleinFoto: Martin Heinlein

»Halte Aufrüstung für absolut falsch«

Im Wortlaut von Amira Mohamed Ali, Augsburger Allgemeine,

Interview: Stefan Lange

Frau Mohamed Ali, die Ampel-Parteien leiten die Aufrüstung der Bundeswehr ein. Die CSU hat gar schon eine konkrete Bestellliste präsentiert. Nach Jahren der Abrüstung nun also die Kehrtwende in Deutschland. Wundert Sie das?

Amira Mohamed Ali: Ehrlich gesagt, wundert mich das schon. Ich kann diesen Wunsch nach Veränderung, nach einer Reaktion, in Anbetracht des furchtbaren russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine verstehen. Gleichwohl halte ich dieses Vorgehen für absolut falsch.

Warum?

Ein Rüstungsetat von 100 Milliarden Euro wird nicht den gewünschten Effekt haben, er wird den Krieg in der Ukraine auch nicht beenden. Darüber hinaus gilt, dass der Rüstungsetat bereits 50 Milliarden Euro umfasst und dieses Geld offensichtlich nicht besonders sinnvoll ausgegeben wurde, sondern einfach versickert ist. Es ist zu hören, dass die Soldatinnen und Soldaten nicht mal ausreichend warme Kleidung haben. Was soll es da bringen, jetzt 100 Milliarden in den Etat zu pumpen? Einen positiven Effekt sehe ich da höchstens auf die Aktienkurse von Rheinmetall und Co., aber nicht für die Verteidigungsfähigkeit.

Wohin gehen die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr?

Es ist zu befürchten, dass jetzt eine weitere Aufrüstungsspirale startet. Das hat in der Vergangenheit noch nie zum Frieden beigetragen. Besonders wenn man bedenkt, dass die Nato-Staaten schon jetzt einen Militäretat haben, der den von Russland um das Siebzehnfache übersteigt.

Sie sagen, Wettrüsten schaffe keine Sicherheit. Mit Wladimir Putin scheint indes kein Dialog möglich. Verstehen manche Regierungen vielleicht gar nichts anderes als die Sprache der Gewalt?

Ich halte es für absolut richtig, dass man konsequent alle diplomatischen Wege zu beschreiten sucht. Ich halte es auch für richtig, dass man das System Putin mit gezielten Sanktionen unter Druck setzt. Aber wohin sollen Drohungen oder die Sprache der Gewalt, wie Sie es nennen, denn führen? Russland ist eine Atommacht, das dürfen wir in der Debatte nie vergessen.

Die Ampel-Koalition will das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro im Grundgesetz verankern. Die eigene Mehrheit reicht dafür nicht. Kann die Regierung mit Stimmen Ihrer Fraktion rechnen?

Nein, auf gar keinen Fall. Wenn es darum ginge, die Schuldenbremse insgesamt abzuschaffen, dann hätte uns die Ampel auf ihrer Seite. Aber die Schuldenbremse nur zu umgehen, um aufrüsten zu können, ist kein Weg, den wir mitgehen.

Putin und seine Nomenklatur müssen sich vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag verantworten. Es geht um den Vorwurf des Völkermordes. Ist solch ein Verfahren pure Symbolik oder hat es eine Wirkung?

Ich denke, dass es ein bisschen beides ist. Natürlich ist ein solches Verfahren zunächst ein Symbol. Es hat am Ende aber auch Auswirkungen, vor allem für Wladimir Putin. Ich glaube, wenn dieser Krieg beendet ist - was er hoffentlich bald sein wird -, dann wird das Konsequenzen für ihn persönlich haben. Ich denke nicht, dass das mit Putin so weitergehen kann.

Es kommen immer mehr Flüchtlinge aus der Ukraine auch in Deutschland an. Die Verteilung dieser Menschen ist staatlicherseits kaum organisiert, Bund und Länder schieben sich da gegenseitig die Verantwortung zu. Wie beobachten Sie die Lage gerade?

Es gibt eine ganz große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung. Das ist bewundernswert und gut. Allerdings ist es jetzt dringend notwendig, dass die Versorgung und Verteilung von staatlicher Seite gut und konsequent organisiert wird. Man darf es nicht wieder nur auf freiwillige Helferinnen und Helfer abladen. Da muss die Bundesregierung mehr tun. Wichtig ist dabei, dass man allen Menschen hilft, die aus der Ukraine flüchten, und nicht nur denen mit einem ukrainischen Pass. Unter den Menschen, die jetzt bei uns ankommen, sind zum Teil Flüchtlinge aus anderen Ländern. Ihnen allen muss gleichermaßen geholfen werden.

Augsburger Allgemeine,