Eine erste Bewertung der finanzpolitischen Pläne im neuen Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD von Fabio De Masi, Finanz- und Steuerexperte der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Deutschland ist Ungleichland. Die 45 reichsten Haushalte besitzen hier so viel wie 40 Millionen Menschen. Leistung lohnt sich nicht mehr. Es ist eben wie Kindergeburtstag: Wenn die Superreichen ein immer größeres Stück vom wirtschaftlichen Kuchen wollen, müssen sie den anderen auf den Teller greifen. Explodierende Vermögen und stagnierende Löhne sind siamesische Zwillinge.
Gleichzeitig wird unsere Infrastruktur durch die schwarzen Nullen auf der Regierungsbank auf Verschleiß gefahren. Selbst der Internationale Währungsfonds fordert Deutschland zur Besteuerung von Vermögen, mehr Investitionen und eine Stärkung der Binnennachfrage auf. Die explodierende Ungleichheit untergräbt überdies die Demokratie, denn das große Geld diktiert schon heute die Regierungspolitik. Ob Abgasbetrug oder Privatisierung der Renten: Außer der LINKEN kassierten alle Parteien im Bundestag fette Spenden von A wie Autokonzernen bis V wie Versicherungskonzernen. Wir sind dementsprechend auch die einzige Partei, die Abgeordnetenbestechung strafbar machen und Konzernspenden an Parteien verbieten will.
Der Koalitionsvertrag wird zudem Europa weiter vor die Wand fahren. Denn die Schwarze Null bzw. die Investitionslücke zementiert die chronischen Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands. Wenn wir immer mehr ans Ausland verkaufen – also exportieren – als von dort einkaufen, müssen unsere Handelspartner anschreiben bzw. Schulden machen. Der Euro hat so keine Zukunft.
Die Große Koalition plant steuerpolitisch die teilweise Abschaffung des Solidaritätszuschlags und der Abgeltungsteuer sowie eine Anpassung des Einkommensteuertarifs an die Preisentwicklung. Nichts davon wird die Spreizung der Einkommens- und Vermögensverteilung wirklich aufhalten. Die ärmsten 40 Prozent der Haushalte zahlen schon heute gar keinen Soli. Profitieren werden dagegen Unternehmen und Bezieher von Kapitaleinkommen, da hier der Soli bisher für etwas mehr Besteuerung hoher Einkommen sorgt.
Abgeschafft werden soll die Abgeltungsteuer, d.h. die pauschale Abführung von 25 Prozent Steuern auf Kapitaleinkünfte. Einkommen aus Arbeit wird damit oft höher besteuert als jene, die ihr Geld für sich arbeiten lassen. Der ehemalige Finanzminister Steinbrück führte die Abgeltungsteuer 2008 mit der Begründung ein: „Besser 25 Prozent von X als 42 Prozent von nix“. Auf Deutsch: Ohne Steuerbonus würden die Reichen sonst den Staat bescheißen. Durch den automatischen Informationsaustausch von Steuerdaten ist die Abgeltungssteuer nun hinfällig geworden. Sie soll allerdings nur für Zinseinkünfte abgeschafft werden und für Dividenden und Veräußerungsgewinne fortbestehen. Dabei sind Zinseinkünfte wegen der aktuellen Nullzinsen ohnehin zu vernachlässigen. Wer hingegen an der Börse zockt, zahlt weiterhin oft weniger Steuern, als ein Facharbeiter auf sein Arbeitseinkommen.
Gerechte Steuerreformen sind bei der GroKo Fehlanzeige. Einzig die Linke streitet noch für verfassungsfeste Erbschafts- und Vermögenssteuern. Unser Konzept zur Reform der Einkommens- und Unternehmensbesteuerung würde alle entlasten, die bis zu 7100 Euro brutto verdienen und große Einkommen sowie Konzerngewinne angemessen an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligen. Eine strenge Regulierung der Finanzmärkte sowie eine Finanztransaktionsteuer – wie sie auch die Linke fordert - wird es mit der GroKo auch zukünftig nicht geben. Koalitionsvertrag hin oder her. Denn der französische Präsident und ehemalige Investmentbanker Emmanuel Macron blockiert eine solche Steuer und die Bundesregierung macht keinen Druck. Dabei steht eine neue Finanzkrise vor der Tür.
Angeblich kommt mit der neuen GroKo der große Wurf für Europa. Das sind Nebelkerzen. Die Pläne zur Unternehmensbesteuerung hören sich zwar nach Fortschritt an: Besteuerung von Gewinnen am Ort der wirtschaftlichen Aktivität (die so genannte Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage, GKKB), stärkere Besteuerung von Internetkonzernen und sogar Mindeststeuersätze. Aber die Wahrheit liegt auf dem Platz. Die GKKB facht mit dem aktuellen Vorschlag der Kommission sogar Steuerdumping an, weil es etwa großzügige Möglichkeiten gibt, Verluste in jedem beliebigen EU-Staat abzusetzen. Mindeststeuern wird es aufgrund des Vetos aus mindestens einem halben Dutzend EU-Steueroasen ohnehin nicht geben. Daher helfen nur Quellen- bzw. Strafsteuern auf Finanzflüsse in Steueroasen. Oder Deutschland und Frankreich würden bei Mindeststeuern gemeinsam vorangehen. Bei der Rüstung schaffen sie es ja auch.
Auch die von der SPD behauptete Abkehr vom Kürzungszwang der EU ist Fake News. Der Fiskalpakt zwingt die Mitgliedsstaaten weiterhin zur Kürzung von Investitionen und Sozialstaat. Durch die Überführung in EU-Recht soll er sogar einklagbar werden – angetrieben und überwacht von einem EU-Finanzminister, der nach Gusto der Bundesregierung zukünftig in Paris oder Rom reinregiert. Dabei ist es verrückt, bei niedrigen Zinsen nicht mehr zu investieren. DIE LINKE will ein Investitionsprogramm in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, um Europa wieder aufzubauen. So viel wollen die GroKo-Parteien langfristig in Rüstung investieren. Traurig aber wahr: Die Schlafwandler der GroKo sind Europas Kaiser ohne Kleider.
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