Harald Weinberg, Sprecher ür Krankenhauspolitik und Gesundheitsökonomie der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
In der gesetzlichen Krankenversicherung werden bei Selbstständigen über Mindestbeitragsbemessungen prozentual höhere Beiträge erhoben als bei Pflichtversicherten. Für viele Selbstständige mit kleinem Einkommen und insbesondere für Soloselbstständige wie z.B. Kreativschaffende, Clickworker oder Paketzusteller stellen diese Mindestbeiträge eine erhebliche Belastung dar – auch im Vergleich zu anderen gesetzlich Versicherten. Ein Fünftel der Solo-Selbständigen zahlen derzeit etwa die Hälfte ihres Bruttoeinkommens für die Krankenversicherung. Hier klafft eine Gerechtigkeitslücke, die die Bundesregierung nicht schließen will. Dies hat sich erneut in der Anhörung des Gesundheitsausschusses zu unseren Anträgen http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/097/1809711.pdf und http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/097/1809712.pdf gezeigt. Die Ungerechtigkeit ist seit Langem bekannt. Endlich ist festzustellen, dass viele Expertinnen und Experten die höhere Belastung der (Solo)Selbständigen als Problem erkennen. Oft bauen sich dadurch Beitragsschulden bei den Krankenkassen auf, die kaum zurückgezahlt werden können.
Der Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland sprach von „nicht einkommensgerechten Beiträgen für Selbstständige“. Der DGB führte an, dass die Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik der Bundesregierung die prekäre Beschäftigung als Solo-Selbständige erst ermöglicht hat. Der Sachverständige Dr. Stefan Etgeton bezeichnete dies als „Sozialstaatsversagen“. Selbst die Krankenkassen, die von den hohen Beiträgen profitieren, sahen dringenden Handlungsbedarf.
So viel Einigkeit habe ich nicht oft in Anhörungen erlebt. Doch die Bundesregierung ließ sich von den Aussagen der Verbände und Sachverständigen nicht beeindrucken. Statt zu handeln und die Betroffenen vor hohen Zahlungen und Beitragsschulden zu schützen, überlies die CDU/CSU stolze fünf Minuten (in einer 60minütigen Anhörung) dem Verband der Privaten Versicherung (PKV), damit diese für ihre eigene Existenz werben durfte. Schon seit einer Weile ist zu beobachten, dass die PKV mittels Öffentlichkeitsarbeit versucht, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Viele Versicherte der PKV leiden schon seit geraumer Zeit unter hohen Mitgliedsbeiträgen.
Wenn vieles dafür spricht, gerechte Krankenkassenbeiträge einzuführen, die Bundesregierung aber weiterhin die Ärmsten am Stärksten belasten will, werden außerdem auch recht kuriose Begründungen aus dem Hut gezaubert: So behauptete der von CDU/CSU und SPD geladene Sachverständige Prof. Dr. Wolfgang Greiner, wenn die Mindestbemessung wie von uns gefordert auf 450 Euro abgesenkt würde, würden Selbstständige niedrigere Beiträge als Studentinnen und Studenten zahlen. Ich habe nachgerechnet, die Differenz beträgt 60 Cent im Monat. Auf meine Nachfrage kam der von den Koalitionsparteien geladene Sachverständige ins Stottern.
Trotz dieser Augenwischerei seitens der Bundesregierung werden wir weiterhin für gerechte Krankenkassenbeiträge streiten. Die Fraktion DIE LINKE steht dabei an der Seite der Betroffenen.