Am 17. September haben 320.000 Menschen in Berlin, Stuttgart, Köln und vier weiteren deutschen Großstädten gegen die umstrittenen Handelsverträge TTIP und CETA demonstriert. Unter den Demonstrantinnen und Demonstranten waren auch viele Mitglieder der SPD. Die Handelsabkommen der Europäischen Union (EU) mit den USA und Kanada, TTIP beziehungsweise CETA, sind in der hiesigen Bevölkerung unbeliebt. Nur zwei Tage später, am 19. September, traf sich die SPD zu einem Parteikonvent in Wolfsburg. Trotz zahlreicher Kritik aus den eigenen Reihen votierte der Konvent mehrheitlich dafür, dass die Bundesregierung CETA absegnen kann. Zuvor hatte die Parteispitze um Wirtschaftsminister und Parteichef Sigmar Gabriel vehement für die Zustimmung geworben.
Gabriel wird nun voraussichtlich im Oktober im Ministerrat mit Ja zu CETA votieren. Klaus Ernst, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE, kritisierte die Entscheidung. Wenn der Ministerrat dem Handelsabkommen CETA zustimme, führe das zu einem »rechtsverbindlichen Abkommen mit Sonderklagerechten für Investoren, Abbau von Standards und Zwang zur Deregulierung«. Zudem würden Kompetenzen von den Parlamenten auf demokratisch nicht legitimierte Ausschüsse verlagert.
Tatsächlich soll der Pakt nach Abstimmung in Ministerrat und Europaparlament vorläufig angewandt werden, ohne dass nationale Parlamente Gelegenheit haben, darüber zu befinden. Da nützt es wenig, dass der SPD-Parteikonvent beschlossen hat, man werde sich für Verbesserungen mittels rechtlicher Klarstellungen in dem umfangreichen Vertragswerk einsetzen. Denn wenn die Verträge erst mal unterschrieben sind, dann ist das Druckpotenzial für Veränderungen geschwunden. Zudem sollen diese Änderungen durch das Europäische Parlament bewirkt werden, in dem die Sozialdemokraten in der Minderheit sind.
Professor Wolfgang Weiß von der Universität Speyer mahnt, dass bis zum endgültigen Inkrafttreten des Vertrags viele Jahre vergehen können. »Präzisierungen, Klarstellungen oder Änderungen, die sich auf die Teile des CETA beziehen, die vorläufig angewendet werden, würden daher erst mit jahrelanger Verspätung greifen«, sagt Weiß. Klaus Ernst bemängelt: »Einen Vertrag unterschreibt man, wenn er gut ist.« Offensichtlich sei er das aber selbst aus Gabriels Sicht nicht, sonst wären keine rechtlichen Klarstellungen erforderlich. Würde Gabriel die Kritik aus der Zivilgesellschaft ernst nehmen, »würde er Verbesserungen nicht auf die Zeit nach seiner Zustimmung zur vorläufigen Anwendung schieben«.
Protest gegen CETA geht weiter
Zwar haben Gabriel und die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland gemeinsam erklärt, dass die Unabhängigkeit der Richter bei den Investor-Staat-Schiedsverfahren in Protokollerklärungen gestärkt und Rekommunalisierung ausdrücklich ermöglicht werden soll, doch mit größeren Änderungen am Vertrag ist nicht zu rechnen: Sowohl die EU-Kommission als auch die kanadische Seite haben bekundet, dass sie den Vertragstext nicht antasten werden. Freeland sagte, man höre sich die Vorbehalte der SPD an. Aber CETA sei »keine bilaterale Angelegenheit zwischen Kanada und Deutschland, sondern zwischen Kanada und der EU«. Die avisierten Protokollerklärungen zwischen EU-Kommission und kanadischer Regierung werden die Probleme bei CETA sicher nicht lösen können (siehe Kasten).
Sigmar Gabriel und die Spitze der SPD haben den Weg für CETA freigemacht. Die Fraktion DIE LINKE hat derweil gegen den Handelsvertrag Klage vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht. Und der Protest auf der Straße gegen die Handelsverträge TTIP und CETA wird auch weitergehen. Bleibt zu hoffen, dass andere Entscheidungsträger mehr Rückgrat beweisen als Gabriel.