Bereits vor der Corona-Krise war unser Gesundheitssystem auf Kante genäht. Der Irrweg der Privatisierung und Ökonomisierung in den neunziger Jahren, der Krankenhäuser auf Effizienz und Gewinn getrimmt hat, hatte insbesondere den Effekt, dass Personal als größter Kostenfaktor reduziert wurde, um Gewinnmargen zu erhöhen. Gesundheitsminister Jens Spahn räumte im Tagesspiegel am 11. Januar 2020 massiven Personalmangel in der Pflege ein, es gäbe „regional und phasenweise ernsthafte Probleme“. Die Sperrung von Intensivbetten wegen Unterschreitungen der Mindestbesetzung geschehe „zum Schutz der Patienten“, Studien hätten eine erhöhte Sterblichkeit von PatientInnen bei Unterbesetzung aufgezeigt. Das alles wohlgemerkt zu einer Zeit, in die Corona-Pandemie noch weit weg war.
Es bringt heute nichts, auf den Fehlern der Vergangenheit herumzureiten. Gleichwohl muss man sie benennen, um sie grundlegend zu korrigieren. Zentral dabei ist die Erkenntnis aus den letzten Jahren und der aktuellen Situation, dass sich die Gesundheit der Bevölkerung nicht für Geschäftemacherei eignet. Das Gesundheitssystem ist ein elementarer Bestandteil der Daseinsvorsorge, dessen reale Kosten – Gehälter, Abschreibungen, Material, Forschung, etc. – von den Kassen erstattet werden müssen. Aber zukünftig muss ausgeschlossen werden, dass Klinikkonzerne mit der Gesundheit der Bevölkerung auch nur einen Cent Profit erwirtschaften können.
Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Bundesregierung am System der Kostenpauschalen festhält – selbst dann noch, wenn sie mit 4 Milliarden Euro Finanzspritzen und der zentralen Beschaffung von Geräten und Material eine Katastrophe zu verhindern sucht. Auf keinen Fall darf es nach Bewältigung der Krise so weiter gehen wir bisher.
Deshalb fordere ich eine Selbstverpflichtung der Bundesregierung und der im Bundestag vertretenden Parteien zum gemeinwohlorientierten Wiederaufbau des Gesundheitssystems und der Durchführung bzw. Unterstützung folgender Maßnahmen:
- Parallel zur Bekämpfung der Corona-Pandemie mit den Ländern eine Entprivatisierungsstrategie zu erarbeiten und das Gesundheitssystem nach dem Prinzip „Staat vor Markt“ kostendeckend und gemeinwohlorientiert aufzustellen,
- sicherzustellen, dass für die Dauer der Krise kein Cent der Krisenhilfen, Bettenprämien oder anderer Zahlungen an Krankenhausbetreiber auf den Konten von Anteilseignern landet,
- die Krisenfestigkeit des Gesundheitssystems als weitgehend öffentliche Infrastruktur zu erhöhen und dafür: a) durch deutliche Lohnsteigerungen Berufe und Ausbildung in der Pflege attraktiver machen, die MedizinerInnenausbildung an den Universitäten massiv auszubauen und den Zugang zu erleichtern, b) die Material- und Medikamentenversorgung durch mehr regionale Produktion weitgehend unabhängig von globalen Lieferketten aufzustellen.