2. Zeugenvernehmung des NSU-Untersuchungsausschuss
Von Gerd Wiegel
Der NSU-Untersuchungsausschuss hat fünf Zeugen zum 4. November 2011 in Zwickau, zur Brandstiftung in der Wohnung des NSU-Kerntrios in der Frühlingstraße, zu den Ermittlungen zu den im Brandschutt gefundenen Asservaten und zum Umfeld des Trios in seiner zweiten Zeugenvernehmung gehört.
Unklärte Beziehungen zur Naziszene des NSU-Trios
Neben drei ermittelnden Polizeibeamten aus Sachsen wurden auch der ehemalige Hausmeister und der Verwalter der Wohnung in der Frühlingstraße vernommen. Die Bilanz des Tages fällt gemischt aus: Während zwei der drei Polizisten wenig Substantielles zur Aufklärung offener Fragen beitragen konnten, bot der Hausmeister Winkler einige Überraschungen. Der Hausverwalter konnte zumindest eine offene Frage klären und durch den letzten Polizeizeugen wurde deutlich, dass engagierte Beamte auch vier Jahre nach dem Geschehen noch sehr viel zur Aufklärung beitragen können.
Während der Revierleiter Zwickau, POR Beitz, nur zum 4. November 2011 und den ersten Maßnahmen der Polizei vor Ort berichten konnte und in weitere Ermittlungen nicht eingebunden war, wusste auch der Leiter der Kriminalpolizei, Hoffmann, nur wenig mehr. Obwohl schnell klar wurde, dass aus dem Brand in der Frühlingstraße der größte Fall rechtsterroristischer Gewalt in der Geschichte der Bundesrepublik wurde, konnten beide zur Frage des rechten Umfelds, in dem sich das Trio in Zwickau bewegt haben könnte, nichts beitragen. War es damals nicht ihr fachliches Thema, so verwunderte umso mehr, dass auch im Nachhinein die Frage, in welchem Beziehungsgeflecht der Naziszene das Trio über 11 Jahre in Zwickau lebte, offenbar keine Rolle spielte.
Kein Interesse an »Umfeldaufklärung«
Ermittlungen und Befragungen im Zusammenhang mit einem Polizeikollegen, der in die Familie Eminger eingeheiratet und der sich selbst gegenüber seinen Vorgesetzten offenbarte hatte, wurden nicht systematisch geführt. Interesse an einer Umfeldaufklärung ließen beide Polizisten nicht erkennen.
Ganz anders der Polizeidirektor Philipp, der als Verbindungsbeamter der Polizeidirektion Südwestsachsen bis Juni 2012 in der vom Bundeskriminalamt (BKA) geführten Ermittlungsgruppe (EG) Trio mitarbeitete und in seiner Erinnerung und prononcierten Bewertung noch jeden BKA-Beamten in den Schatten stellte. Philipp war mit zahlreichen Komplexen der Tatortarbeit befasst und wusste auch davon zu berichten, dass ein Staatsschutzbeamter aus Thüringen bereits am 5. November in Zwickau vor Ort war, sehr viele Informationen abgriff, aber selbst wenig Infos an die Sachsen zurückgab. Überhaupt, so Philipp, habe man sich schon geärgert, wenn es über Monate keine tiefgreifenden Erkenntnisse von Seiten der Verfassungsschutzbehörden zum Umfeld des Trios gegeben habe und die Polizeiarbeit von dieser Seite nur wenig unterstützt worden sei.
Ein zentraler und von den LINKEN-Abgeordneten Petra Pau und Frank Tempel eingebrachter Punkt war der Hinweis in den Polizeiakten auf Ralf "Manole" Marschner schon am 11. November 2011. Marschner war von 1994 bis 2001 als V-Mann "Primus" für das Bundesamt für Verfassungsschutz tätig. Im Dezember 2011 gab es einen Hinweis eines ehemaligen Neonazis, der Marschner 1998 mit Mundlos und Böhnhardt in Greiz gesehen haben will und von diesen auf Waffen angesprochen worden sei. Was aus dem Hinweis auf Marschner wurde und welche Ermittlungsschritte dazu eingeleitet wurden, konnte in der Sitzung nicht geklärt werden. Der Zeuge Philipp machte darauf aufmerksam, dass sich der mit dem Namen Marschner in den Akten verbundene Hinweis auch auf ein Fundstück zum Beispiel im Brandschutt des Hauses in der Frühlingstraße beziehen könnte. Jedenfalls erscheint es lohnend, einem möglichen Kontakt des Trios zu einem V-Mann des Verfassungsschutzes weiter nachzugehen.
Biertrinkerrunden unter dem Bild von Adolf Hitler
Das wird auch mit der Frage geschehen, woher die Polizei am 4. November die Telefonnummer von Frau Zschäpe hatte, bei der Dutzende von Anrufen der Polizei eingingen. Der in den Akten als Hinweisgeber genannte Hausmeister Winkler bestritt, die Nummer an die Polizei gegeben zu haben. Er habe sie nicht einmal selbst besessen. Winkler wollte sich aber auch nicht mehr genauer an die Biertrinkerrunden im Keller eines Nachbarn in der Frühlingstraße erinnern. Unter dem Bild von Adolf Hitler soll hier auch Beate Zschäpe häufiger teilgenommen haben.
Schließlich konnte der Verwalter des Hauses, Escher, Fragen zur Rückzahlung der Kaution für die Wohnung des Trios aufklären, die sich durch einen Besitzerwechsel der Wohnung aufklärten.
Am 17. März soll der Themenkomplex Zwickau mit Beamten des BKA zu konkreten Spurenermittlungen abgeschlossen werden.
linksfraktion.de, 29. Februar 2016