Linke thematisiert Fall Assange im Europarat
Angesichts des bevorstehenden Prozesses in London unternahm am Montag, dem 27. Januar, die Fraktion der Vereinigten Linken in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates eine Initiative, um das Schicksal von Julian Assange vor Abgeordneten des Europarates zu thematisieren. Andrej Hunko, der als Bundestagsabgeordneter für DIE LINKE Mitglied der Versammlung ist, hatte prominente Sachverständige zu einer Veranstaltung am Rande der ersten Sitzungswoche in diesem Jahr eingeladen. Neben dem UNO-Sonderbeauftragten für Folter, Nils Melzer, der per Videoschaltung an der Veranstaltung teilnahm, bezog auch Régis Brillat, Exekutivsekretär des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter (CPT) zu dem Fall Stellung. Darüber hinaus beteiligten sich der Generalsekretär der Internationalen Journalisten-Föderation (IFJ), Anthony Bellanger, sowie der Vater von Julian Assange, John Shipton, an der Debatte. Der italienische Senator Gianni Marilotti, Vorsitzender einer Parlamentariergruppe von italienischen Abgeordneten und Mitgliedern des Europaparlaments, berichtete über deren Aktivitäten im Fall Assange.
Grundlegende Rechte schwerwiegend verletzt
Nils Melzer verwies darauf, dass etwa die Regierungen der USA und Großbritanniens in der Vergangenheit viele Kriegsverbrechen, die unter ihrer Verantwortung begangen wurden, nicht verfolgt haben. Zusammen mit dem Umgang mit Julian Assange sei dies für ihn ein Grund gewesen, den Fall zu untersuchen. Gemeinsam mit den medizinischen Experten sei er zu dem eindeutigen Ergebnis gekommen, dass Julian Assange Anzeichen für psychische Folter aufweist. Schließlich würde Julian Assange „ohne jeden Zweifel“ kein faires Verfahren bevorstehen für den Fall, dass er an die USA ausgeliefert würde, betonte der UNO-Sonderberichterstatter.
„Ich bin wirklich sehr besorgt, dass die beteiligten Staaten ihren Verpflichtungen nicht nachkommen“, erklärte Melzer. „Wir alle wissen, dass die USA kein sicheres Land sind, was das Recht auf faire Verfahren und Folter betrifft, spätestens wenn es um Fragen der Nationalen Sicherheit geht.“ Er verwies auf geheim tagende Sondergerichte, die parteiisch besetzt sind.
„Mein aktuell wichtigstes Anliegen ist: Seit er von britischen Behörden gefangen gehalten wird, werden die grundlegenden Rechte von Julian Assange schwerwiegend verletzt.“ So sei Assange noch am selben Tag, als er aus der ecuadorianischen Botschaft geholt wurde, in einem nur 15-minütigen Verfahren verurteilt worden, auf das sich seine Verteidiger nicht vorbereiten konnten. Assange habe bis heute keinen ausreichenden Zugang zu den Akten des Verfahrens. Zudem befinde er sich seit mehr als einem halben Jahr in Isolationshaft. Schon alleine dies erfülle nach UN-Definition klar den Tatbestand der Folter.
Der UNO-Sonderberichterstatter wies abschließend darauf hin, dass die beteiligten Regierungen nicht auf seine Anfragen reagieren. So habe er bereits vor vier Monaten die britische Regierung um eine Stellungnahme gebeten und bis heute keine Reaktion erhalten. Die schwedische Regierung habe auf die angebliche Unabhängigkeit ihrer Justiz verwiesen und es ebenfalls abgelehnt, die Anfragen des Berichterstatters zu kommentieren. „Solche Reaktionen bekomme ich normalerweise nur aus Staaten, denen bewusst ist, dass ihr Vorgehen gegen das Recht verstößt“, ordnete Melzer diese Nicht-Befassung ein.
Kritik an Isolationshaft in Belmarsh
Régis Brillat informierte über die Arbeit des „Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter“ (CPT). Zwar sei diese Institution des Europarates in Straßburg nicht befugt, individuelle Fälle von Misshandlung zu verfolgen. Aber man beobachte systematisch die Menschenrechtslage in den Haftanstalten der 47 Mitgliedstaaten des Europarates. In dieser Funktion besuchen die Mitglieder deren Haftanstalten und kontrollieren, ob dort die Gefahr einer menschenunwürdigen Behandlung bestehe.
Was den aktuellen Haftort von Julian Assange betrifft, hat das Komitee das Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh bereits mehrere Male besucht. Bei der letzten Untersuchung im Mai 2005 hatte sich das CPT speziell den Hochsicherheitsbereich des Gefängnisses angesehen und die Haftbedingungen von Gefangenen mit physischen und psychischen Behinderungen untersucht. Die dortigen Haftbedingungen seien für Gefangene mit ernsten gesundheitlichen Einschränkungen „nicht angepasst“ und Veränderungen seien „dringend erforderlich“ gewesen.
Zudem sei die Regelung im Hochsicherheitsbereich schon damals „beschränkt“ gewesen und hätte dringend weiterentwickelt werden müssen, um den Gefangenen mehr Zeit und zielgerichtete Aktivitäten außerhalb der Zelle zu ermöglichen. Auf den Bericht hin hatten die britischen Behörden zugestimmt, dass die geforderten Änderungen durchgeführt werden. Allerdings räumte Brillat ein, dass das Komitee seitdem die Haftanstalt nicht mehr besucht habe.
Er verwies ausdrücklich auf die Bedingungen, die das „Komitee zur Verhütung von Folter“ an Isolationshaft formuliert. Isolationshaft könne „sehr schädliche Auswirkungen“ auf die betroffenen Personen haben und zu „inhumaner und entwürdigender Behandlung“ führen. Es sei Konsens im Komitee, dass solch gravierende Maßnahmen nur auf Grundlage einer individuellen Risikoanalyse verhängt werden dürften. Das heißt, Isolationshaft dürfe keinesfalls pauschal als Bestandteil der verhängten Strafe angeordnet werden. Zudem sei sie nur für die kürzest mögliche Zeit zu akzeptieren. Dies bedeute, dass die Entscheidung regelmäßig überprüft werden müsse, so der Exekutivsekretär des CPT.
„Je länger die Einzelhaft anhält, desto gründlicher müsste sie geprüft werden, und desto mehr Anstrengungen müssten unternommen werden, um den Gefangenen in normale Bedingungen zu integrieren“, erläuterte Brillat. Dies könne auch spezielle psychologische oder sogar psychiatrische Hilfe erfordern. Diese Anforderungen gelten selbstverständlich für alle Gefangenen, auch solche, die noch gar nicht verurteilt seien.
Auch wenn Régis Brillat betonte, dass er sich nicht zu dem konkreten Fall Julian Assange äußern könne, machten seine Darstellungen zu den allgemeinen Anforderungen an menschenwürdige Haftbedingungen deutlich, dass dessen aktuelle Behandlung durch die britischen Behörden dem kaum gerecht werden.
Journalist Assange ist „Staatsfeind Nummer eins“ der USA
Besorgte Warnungen äußerte auch Anthony Bellanger von der Internationalen Journalisten-Föderation. Sie ist mit 600.000 Mitgliedern in über 140 Ländern der größte internationale Dachverband gewerkschaftlicher Journalistenverbände. Auch Julian Assange sei über die Australische Mitgliedsorganisation „Media Entertainment and Arts Alliance“ Teil der IFJ.
Assange solle „weiterhin zur Strecke gebracht werden und ist zum Staatsfeind Nummer eins der USA und ihres Präsidenten Donald Trump geworden“, erklärte Bellanger in der Veranstaltung. Methoden wie die komplette Ausspionierung von Assanges Leben in der ecuadorianischen Botschaft und seiner Anwälte, verdeutlichten dies.
Der europäische Ableger der IFJ, die Europäischen Journalisten-Föderation hatte Anfang des Jahres auch eine Warnung auf der Europarats-Plattform für den Schutz und die Sicherheit von Journalisten veröffentlicht. Darin beschreibt sie die Inhaftierung und strafrechtliche Verfolgung Assanges als „Angriff auf die Pressefreiheit und das Völkerrecht“. Die Warnung hat maßgeblich dazu beigetragen, dass der Fall Assange schließlich in die eingangs erwähnte Resolution aufgenommen wurde. Offensichtlich hat das Vereinigte Königreich bisher jedoch keine Antwort an die Generalsekretärin des Europarates geschickt, die sich gleich nach der Warnung an die britische Regierung gewandt hatte.
Abschließend betonte Bellanger, dass sich die IFJ weiterhin für Julian Assange einsetzen werde. Die Organisation sei im Gespräch mit der Menschenrechtsbeauftragten des Europarates, Dunja Mijatović, um die Festnahme und die Haftbedingungen zu überprüfen.