Die Europäische Union vereinbarte am 18. März 2016 mit der Türkei ein Flüchtlingsabkommen, welches die Einreise von Flüchtlingen über die Türkei in die EU verhindern soll. Dafür sollten der Türkei von der Europäischen Union, zur Verbesserung der Lebensumstände von Geflüchteten, bis zu 6 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Die Lage der Schutzsuchenden in der Türkei ist aber in mehrfacher Hinsicht schlecht – sowohl in Hinblick auf die Menschenrechts- als auch die Versorgungslage. Ulla Jelpke hat die Bundesregierung jetzt nach dem Stand der Umsetzung des Abkommens befragt und die Antworten (PDF) ausgewertet.
Auswertung
Der EU-Türkei-Deal ist in vielerlei Hinsicht kritikwürdig (siehe auch Vorbemerkung der Kleinen Anfrage):
- Die Türkei hat die GFK nicht ratifiziert, das Institut für Menschenrechte warnt vor Kettenabschiebungen, schlechte Versorgung von Schutzsuchenden in der Türkei
- Katastrophale Lage in den Hotspots auf den griechischen Inseln
- Der Europäische Rechnungshof kritisiert die Intransparenz und Ineffizienz der Verwendung der Mittel, die der Türkei für die Versorgung und Unterbringung von Geflüchteten und den Ausbau der kommunalen Infrastruktur im Rahmen des Abkommens gezahlt werden
Zur Situation auf den griechischen Inseln:
2016 wurden nach Angaben der griechischen Asylbehörde 1.305 Asylgesuche auf Basis des sicheren Drittstaatskonzepts abgelehnt, 2017 waren es 912, 2018 400.
Die Unterbringung der Asylsuchenden, deren Antrag nach dem Zulässigkeitsverfahren geprüft wird, unterscheide sich nach Kenntnis der Bundesregierung nicht von der Unterbringung anderer Schutzsuchender (Frage 4).
In den fünf Hotspots auf den griechischen Inseln halten sich momentan 11.752 Asylsuchende auf. Die Bundesregierung hat keine Informationen über die durchschnittliche Verweildauer (Frage 5b).
Frage 5: 2018 wurden laut EU-Kommission 322 Asylsuchende im Rahmen des EU-Türkei-Deals von Griechenland in die Türkei abgeschoben. Zudem haben knapp 5.000 Asylsuchende Griechenland im Rahmen von Rückkehrprogrammen „freiwillig“ verlassen. Die EU hat im Gegenzug knapp 7.000 syrische Flüchtlinge aufgenommen.
Zur Situation in der Türkei:
Frage 6: Nach Kenntnis der Bundesregierung ziehen viele syrische Flüchtlinge in türkische Großstädte um dort zu arbeiten und private Unterkünfte zu beziehen. Die EU unterstützt 1,5 Mio. syrische Flüchtlinge, die nicht in Flüchtlingsunterkünften leben, im Rahmen des sog. „Emergency Social Safety Net (ESSN)“ mit gerade einmal 20 Euro im Monat.
Nach Angaben des türkischen Innenministeriums halten sich momentan gut 143.000 Flüchtlinge in Flüchtlingslagern in der Türkei auf (die Verteilung auf acht Provinzen lässt sich der Tabelle auf S. 7 entnehmen).
Nach Angaben des UNHCR leben knapp 3,9 Millionen registrierte Flüchtlinge außerhalb von Lagern - und damit weitgehend ohne staatliche Unterstützung oder Hilfe durch EU.
Frage 7: Nach Kenntnis der Bundesregierung gewährt die Türkei syrischen Flüchtlingen unter temporärem Schutz kostenlosen Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und zum Arbeitsmarkt.
53.000 Syrer hätten die türkische Staatsbürgerschaft erhalten. Zum Vergleich: das ist fast die Hälfte aller Einbürgerungen in Deutschland im Jahr.
Bewertung durch Ulla Jelpke:
„Was auf dem ersten Blick als vorbildlicher Akt der Integration erscheint, dient leider auch dazu, insbesondere in Hochburgen der linken Opposition demographische Veränderungen zu Gunsten der regierenden AK-Partei zu bewirken.“
Frage 14: Seitens der Bundesregierung gibt es momentan keine Vorbereitungen zu einer Übertragung des EU-Türkei-Abkommens auf andere Länder.
Frage 15: Die Frage nach Abschiebungen bzw. Weiterschiebungen aus der Türkei seit dem 1.1.2016 will die Bundesregierung nicht offen beantworten, das lässt Schlimmes befürchten.
Bewertung durch Ulla Jelpke:
„Ganz offensichtlich finden solche Abschiebungen statt, doch die Bundesregierung will mal wieder kein kritisches Wort gegenüber der Türkei verlieren, um den Flüchtlingspakt nicht zu gefährden“
Frage 24: hier geht es um sicherheitstechnische und militärische Einrichtungen und Gerätschaften, für die Gelder aus den Heranführungshilfen für die Türkei verwendet wurden
U.a. seien sechs Rettungsschiffe für die türkische Küstenwache angeschafft worden, im Rahmen eines Migrationsmanagement-Programms, das die IOM 2016-2018 durchgeführt habe, insgesamt wurden dafür 20 Mio. Dollar aufgewendet
Bewertung durch Ulla Jelpke:
„Die Bundesregierung redet sich den EU-Türkei-Flüchtlingsdeal weiterhin schön, Hauptsache die Flüchtlinge werden von der Weiterreise in die EU abgehalten. In Wahrheit ist die Lage syrischer Flüchtlinge in der Türkei alles andere als rosig.“
„Läppische 20 Euro im Monat erhalten rund 1,5 Millionen außerhalb der Flüchtlingslager lebende Flüchtlinge im Monat aus den EU-Zuschüssen, über zwei Millionen weitere erhalten gar nichts. Kein Wunder, dass sich eine Vielzahl der Flüchtlinge einschließlich vieler Kinder zu Hungerlöhnen als Tagelöhner verdingen muss.“
Laden Sie hier die Antworten der Bundesregierung als PDF herunter.