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»Es hat sich eine Zone der Unsicherheit zementiert«

Nachricht von Jutta Krellmann,

Jutta Krellmann wollte mit einer Kleinen Anfrage [Drs. 18/13484, PDF] Auskunft von der Bundesregierung über die Entwicklung des Normalarbeitsverhältnisses in den einzelnen Bundesländern. Die Antwort [PDF] der Bundesregierung bestätigt: Die Arbeitswelt von heute besteht zu weiten Teilen aus Leiharbeit, Mini-Jobs und Befristungen - kurz: aus Unsicherheit.

Jeder Fünfte arbeitete 2016 in einem unsicheren Beschäftigungsverhältnis: Vollzeit ist in den vergangenen 20 Jahren rückläufig (-4,5 Prozent), parallel wächst die atypische Beschäftigung auf 20,7 Prozent und stabilisiert sich seit 2013 auf hohem Niveau an den Rändern des Arbeitsmarktes.

Die Zahl der Kernerwerbstätigen ist von 1996 bis 2016 auf 37,1 Millionen gestiegen (+11,7 Prozent) und auch die Zahl der abhängig Beschäftigten hat sich auf 33,3 Millionen erhöht (+11,9 Prozent). Das Arbeitsvolumen ist ebenfalls auf 59,3 Milliarden Stunden gestiegen (+3,3 Prozent). Gleichzeitig ist das Normalarbeitsverhältnis rückläufig und liegt anteilig nur noch bei 69,2 Prozent (-5,3 Prozentpunkten).

Gleichzeitig wächst die Zahl der atypisch Beschäftigten auf 7,6 Millionen (+53,5 Prozent): Leiharbeit hat sich mehr als verdreifacht (+327 Prozent), geringfügige Beschäftigung sich nahezu verdoppelt (+ 97,5 Prozent), Befristungen nehmen zu (+40 Prozent) und Teilzeitbeschäftigung mit weniger als 20 Wochenstunden ist deutlich angestiegen (+54,8 Prozent). Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten ist auf 23,1 Millionen gesunken (-4,5 Prozent): der Westen verzeichnet eine leichte Steigung (+1,3 Prozent), der Osten ein Rückgang um -31,6 Prozent.

„Für die Beschäftigten geht es seit 20 Jahren Berg ab. Die Arbeitswelt von heute besteht zu weiten Teilen aus Leiharbeit, Mini-Jobs und Befristungen - kurz: aus Unsicherheit. Die gute wirtschaftliche Lage trägt nicht dazu bei, dass die prekären Ränder kleiner werden. Es hat sich eine Zone der Unsicherheit zementiert. Das ist nicht akzeptabel und trägt zur Entsolidarisierung der Gesellschaft bei. Die Polarisierung auf dem Arbeitsmarkt ist keine zwangsläufige Entwicklung, sondern das Ergebnis neoliberaler Politik. Gute Arbeit und faire Löhne erreicht man nicht, indem man Deregulierung und Flexibilisierung praktiziert und prekäre Beschäftigungsformen toleriert. Wir müssen mit dieser Entwicklung brechen und gute Arbeit reorganisieren. Wir brauchen sichere Arbeitsverhältnisse für alle: mit einer kürzeren Vollzeit bei vollem Lohnausgleich - kurz: eine neues Normalarbeitsverhältnis", kommentiert Jutta Krellmann, gewerkschaftspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, die Antwort der Bundesregierung.


Ergebnisse im Einzelnen:

  • Entwicklung von Kernerwerbstätigen und NormalarbeitnehmerInnen von 1996-2016: Die Zahl der Kernerwerbstätigen ist von 33,3 Millionen auf 37,1 Millionen gestiegen. Ebenso nahm die Zahl der NormalarbeitnehmerInnen von 24,76 auf 25,64 Millionen zu. Das entspricht einer Zunahme von 3,5 Prozent. Der Anteil der NormalarbeitnehmerInnen an den Kernerwerbstätigen ist jedoch von 74,5 auf 69,2 Prozent gesunken (vgl. Antwort auf Frage 1 und 2 Tabelle 19).
  • Im Westen ist der Anteil der NormalarbeitnehmerInnen von 73,5 auf 68,2 Prozent, im Osten von 77,9 auf 73,4 Prozent gesunken (vgl. Antwort auf Frage 1 und 2: Tabelle 17/18).
  • Die Zahl der atypisch Beschäftigten ist im Zeitraum von 1996 bis 2016 von 4,98 Millionen auf 7,65 Millionen angestiegen. Dies entspricht einem Zuwachs von 53,3 Prozent. Der Anteil der atypisch Beschäftigten an den Kernerwerbstätigen insgesamt ist von 15,0 auf 20,7 Prozent gewachsen. Seit 2014 ist eine Verfestigung auf diesem Niveau festzustellen. Im Westen ist der Anteil der atypisch Beschäftigten von 15,3 auf 21,8 Prozent angestiegen. Seit 2014 ist eine Verfestigung auf diesem Niveau festzustellen. Im Osten ist der Anteil der atypisch Beschäftigten von 13,7 auf 16,0 Prozent angestiegen (vgl. Antwort auf Frage 3 und 4 und Tabelle 17/18).
  • Die Zahl der LeiharbeitnehmerInnen ist von 232.243 im Jahr 1996 auf 992.756 im Jahr 2016 angestiegen. Das ist ein Zuwachs um fast 327 Prozent (vgl. Antwort auf Frage 5; BT-Drs. 18/4383: Tabelle 3; BT-Drs. 18/13245: Tabelle 3).
  • Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten mit weniger als 20 Wochenstunden ist von 1996 bis 2016 von 3,1 auf 4,8 Millionen angestiegen, was einem Zuwachs um 54,8 Prozent entspricht. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten mit weniger als 20 Wochenstunden an den abhängig Beschäftigten insgesamt ist von 9,6 auf 13,0 Prozent gestiegen (vgl. Antwort auf Frage 8 in Tabelle 19).
  • Die Zahl der befristet Beschäftigten ist von 1996 bis 2016 von 1,89 auf 2,65 Millionen angestiegen, der Anteil von 5,7 auf 7,2 Prozent der abhängig Beschäftigten. Seit 2012 pendelt sich dieser Wert auf 7,2 Prozent (+/-0,2 Prozent) ein (vgl. Antwort auf Frage 6 in Tabelle 19).
  • Die Zahl der geringfügig Beschäftigten ist von 1,09 auf 2,16 Millionen angestiegen, was einem Zuwachs um 97,5 Prozent entspricht. Der Anteil der geringfügig Beschäftigten ist von 3,3 auf 5,9 Prozent der abhängig Beschäftigten angewachsen (vgl. Antwort auf Frage 7 in Tabelle 19).
  • Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten ist in Deutschland von 1996 bis 2016 von 24,16 Millionen auf 23,1 Millionen zurückgegangen, was einem Rückgang um 4,5 Prozent entspricht. Der Anteil der Vollzeitbeschäftigten ist von 87,1 auf 73 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten gesunken. Auch hier ist eine Stabilisierung seit 2013 bei 73 Prozent (+-1 Prozent) zu erkennen (vgl. Antwort auf Frage 9: Tabelle 20; BT-Drs. 18/4383: Tabelle 9).
  • Im Westen ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten von 1996 bis 2014 von 18,66 auf 18,92 Millionen gestiegen (ein leichter Zuwachs von 1,3 Prozent), während die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten insgesamt von 21,53 auf 25.91 Millionen angestiegen ist. Der Anteil der Vollzeitbeschäftigten ist von 86,7 auf 72,8 Prozent der Beschäftigten zurückgegangen. Seit 2013 bewegt sich dieser Wert um die 73 Prozent. Im Osten ist sowohl die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten insgesamt (von 6,2 auf 5,9 Millionen) als auch die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten (von 5,50 auf 4,17 Millionen) gesunken. Der Rückgang bei der Zahl der Vollzeitbeschäftigten entspricht einem Rückgang um 31,6 Prozent. Der Anteil der Vollzeitbeschäftigten ist von 88,7 auf 70,7 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten gesunken. Dieser Wert stabilisiert sich ebenfalls seit 2013 um die 71 Prozent (vgl. Antwort auf Frage 9; BT-Drs. 18/4383: Tabelle 9).
  • Die Arbeitszeit je Erwerbstätigem ist von 1.510 Stunden im Jahr 1996 auf 1.358 Stunden im Jahr 2016 zurückgegangen. Das ist ein Minus von 11,2 Prozent. Im Vergleich zur Anzahl der Erwerbstätigen Personen (+14,9 Prozent) ist die Anzahl der Erwerbstätigen in Vollzeitäquivalenten gesunken (-7,8 Prozent), was auf die wachsende Zahl von Teilzeitbeschäftigten (+85 Prozent) zurückzuführen ist. 1996 lag die Teilzeitquote bei 24,2 Prozent und 2016 bei 39 Prozent. Im Jahr 1996 lag das Arbeitsvolumen der Erwerbstätigen bei 57,4 Milliarden Stunden und im Jahr 2016 bei 59,3 Milliarden Stunden, die Erwerbstätigen in Vollzeitäquivalenten lagen 1996 bei 32,57 Millionen und 2016 bei 34,15 Millionen (vgl. Antwort auf Frage 11).
  • Im Osten ist der Anteil von befristeter Beschäftigung an allen Kernerwerbstätigen von 10 Prozent in 1996 auf 7,9 Prozent zurückgegangen. Er liegt die letzten 3 Jahre stabil (vgl. Antwort auf Frage 6 in Tabelle 18)
  • Der Anteil an geringfügiger Beschäftigung an allen Kernerwerbstätigen im Osten hat sich von 1996 bis 2016 von 1,3 auf 4,1 Prozent erhöht. Seit 20 11 liegt er dabei um die 5 Prozent (+/-1 Prozent) (vgl. Antwort auf Frage 7 in Tabelle 18).
  • Teilzeitbeschäftigung an allen Kernerwerbstätigen im Osten ist von 4,2 Prozent in 1996 auf 7,3 Prozent in 2016 gestiegen. Seit 2003 liegt er damit konstant um die 8 Prozent (+/-1 Prozent) (vgl. Antwort auf Frage 8 Tabelle 18).
  • Im Westen ist der Anteil von befristeter Beschäftigung an allen Kernerwerbstätigen von 4,6 Prozent in 1996 auf 7,0 Prozent gestiegen. Damit steigt er zum ersten Mal seit 2011 wieder an. Seit 2012 befindet er sich konstant auf einem Niveau von 7 Prozent (+-0,4 Prozent) (vgl. Antwort auf Frage 6 in Tabelle 17).
  • Der Anteil an geringfügiger Beschäftigung an allen Kernerwerbstätigen hat sich im Westen seit 2996 zu 2016 von 3,8 Prozent auf 6,3 Prozent erhöht. Seit liegt er im Korridor um die 7 Prozent (+/-1 Prozent) (vgl. Antwort auf Frage 7 in Tabelle 17).
  • Die Teilzeitbeschäftigung an allen Kernerwerbstätigen hat sich im Westen ist von 11 Prozent auf 14,3 Prozent gestiegen und seit 2011 um ca. 0,3 Prozentpunkte jährlich rückläufig (vgl. Antwort auf Frage 8 Tabelle 17).