Nach zweitägigen Gesprächen zum Atomabkommen in Teheran ist der Linken-Politiker Matthias Höhn mit wenig Hoffnung zurückgekehrt. Höhn warnt: Die Zeit laufe davon.
Nach den mutmaßlichen Angriffen auf zwei Tanker im Persischen Golf, für die die USA den Iran verantwortlich machen, droht die Lage in der Region zu eskalieren. Hinzu kommt ein neuer Vorfall, bei dem der Iran eine US-Drohne abgeschossen haben will. Das Verhältnis zwischen beiden Staaten ist ohnehin sehr angespannt, seit US-Präsident Donald Trump vor gut einem Jahr das internationale Atomabkommen mit Teheran aufkündigte und neue Sanktionen verhängte.
Die anderen Vertragspartner wollen an dem Abkommen festhalten, allerdings droht nun der Iran, teilweise aus dem Vertrag auszusteigen. Anfang der Woche reisten Bundestagsmitglieder nach Teheran, um Möglichkeiten zur Rettung des Abkommens auszuloten. Wichtig sei es in dieser schwierigen Situation, im Dialog zu bleiben, sagt Delegationsleiter Matthias Höhn von der Linken-Fraktion nach den Iran-Gesprächen im Interview:
heute.de: Wie fühlt sich der Iran gerade an?
Matthias Höhn: Wenn man durch Teheran fährt, ist von der angespannten Situation nicht unmittelbar etwas zu spüren. In den Gesprächen mit den politischen Verantwortlichen war allerdings für alle klar, dass es eine sehr schwierige Lage ist, die sich mitunter auch ausweglos anfühlt. Und man bekommt ein Gespür dafür, dass uns die Zeit davonzulaufen droht, den Nuklearvertrag noch zu retten. Aber wenn man sich in Teheran in ein Café setzt und die vielen jungen Menschen beobachtet, wie sie sich geben, wie sie auf uns reagieren, dann gibt es auch kurze Momente, die Hoffnung machen.
heute.de: Glauben die Menschen im Iran, dass es zu einem Krieg kommt?
Höhn: Das ist schwer zu sagen, weil wir nicht die Gelegenheit hatten, mit einfachen Iranerinnen und Iranern darüber zu sprechen. Die Vertreter von Regierung und Parlament haben uns gesagt, dass die Stimmung in der Bevölkerung mittlerweile umgeschlagen sei - von einer ursprünglich großen Zustimmung zum Nuklearabkommen in deutliche Ablehnung. Es sei für die Iranerinnen und Iraner nicht mehr erkennbar, welchen Nutzen das Abkommen für das Land hat. Klar ist: Die Bevölkerung hat zu leiden unter dem Verfall der iranischen Währung. Aber: Ich habe dem Vizeaußenminister gesagt: "Nichts wird besser ohne dieses Abkommen, weder für den Iran, noch die anderen Vertragspartner." Darum muss der Iran seine Verpflichtungen unbedingt weiterhin einhalten.
heute.de: Sie sind als Leiter einer Bundestagsdelegation nach Teheran gereist. Welche Erwartungen haben iranische Politiker an Deutschland?
Höhn: Die iranischen Gesprächspartner haben uns gegenüber mehrfach betont, dass sie durchaus ein Interesse daran haben, das Nuklearabkommen zu erhalten. Aber sie erwarten nicht nur von Deutschland, sondern von Europa einen klaren wirtschaftlichen Profit. Der Iran hatte sich ja mit dem Abschluss des Abkommens erhofft, dass das Land durch den Wegfall der Sanktionen wirtschaftlich profitiert. Dass diese Öffnung nun nicht eintritt und durch die US-Sanktionen sogar noch deutlich erschwert wird, macht die Zustimmung zum Nuklearabkommen sehr fragil.
heute.de: Es heißt ja oft, dass im Iran die gemäßigten Kräfte mit den Hardlinern kämpfen. Haben Sie davon etwas gemerkt?
Höhn: Diesen Eindruck kann ich nur bestätigen. Ein Abgeordneter hat uns sehr persönlich von dem Tag berichtet, nachdem Trump aus dem Abkommen ausgestiegen war. Er schilderte, wie radikale Abgeordnete im Parlament symbolisch das Nuklearabkommen angezündet und verbrannt haben. Und wie er dann in der darauffolgenden Sitzung das Abkommen mitgebracht und dem Parlamentsvorstand übergeben hat - in einem goldenen Rahmen. Im Moment ist es natürlich so, dass das Agieren der USA den radikalen Kräften, die schon immer gegen das Abkommen waren, deutlichen Aufwind gibt. Wer ein Interesse daran hat, dass sich der Iran nach innen und außen öffnet, muss die moderaten Akteure im Iran stärken.
heute.de: Was kann Deutschland tun, um diese moderaten Kräfte zu stärken?
Höhn: Erstens: Unbedingt im Dialog bleiben. Zweitens: Wir müssen den Iranern die Sicherheit geben, dass wir zu diesem Abkommen stehen. Das haben wir ihnen in diesen zwei Tagen auch immer wieder versichert. Drittens: Es muss den Europäern aber auch gelingen, gemeinsam mit Russland und China, den wirtschaftlichen Benefit zu liefern, den sich der Iran vom Abkommen erhofft hat. Zumindest einen Teil davon.
heute.de: Um trotz der US-Sanktionen die Wirtschaftsbeziehungen zu beleben, wollen Deutschland, Frankreich und Großbritannien eine Art Tauschhandel mit dem Iran etablieren. Kann die dafür gegründete Agentur Instex die großen Erwartungen erfüllen?
Höhn: Ich bin leider sehr skeptisch, was Instex betrifft. Als Parlamentarier muss ich da eine deutliche Kritik an die Bundesregierung und die Europäische Union richten. Das dauert alles viel zu lange und es droht, am Ende zu wenig herauszukommen, damit eine Kompensation ansatzweise gelingen kann. Es ist etwas ernüchternd zu sehen, wie wenig die Wirtschaftsmacht EU zu Wege bringt, wenn sich die USA querstellen. Aber wir haben den Iranern auch gesagt, sie müssen realistische Erwartungen haben. Deutschland und die EU werden nicht in der Lage sein, alles aufzufangen.
heute.de: Wie sehr muss man als offen schwul lebender Politiker die Zähne zusammenbeißen, um mit Vertretern des iranischen Regimes zu sprechen?
Höhn: Wenn man in den Iran aufbricht, weiß man, mit wem man den Dialog sucht. Wir kennen die Menschenrechtssituation, nicht nur die Verfolgung von Homosexuellen, sondern auch von religiösen Minderheiten oder von politischen Oppositionellen. Wir haben den Besuch genutzt, um mit dem iranischen Menschenrechtsbeauftragten dieses Thema generell und auch den konkreten Fall von Nasrin Sodouteh zu diskutieren. Diese Menschenrechtsaktivistin ist vor wenigen Wochen zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Das sind keine einfachen Gespräche, aber der Iran hat zumindest zugesagt, dem deutschen Botschafter alle Unterlagen darüber zur Verfügung zu stellen und dazu in Kontakt zu bleiben. Ich kann nur hoffen, dass wir in diesem konkreten Fall vielleicht etwas bewirken können.
Das Interview führte Andreas Kynast.