Von Niema Movassat, verfassungspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE.
Wer zu einer Geldstrafe verurteilt wird und diese nicht zahlen kann, muss eine Ersatzfreiheitsstrafe im Gefängnis absitzen. Insbesondere arme Menschen sind davon betroffen. Die Ersatzfreiheitsstrafe wird meistens im Bereich der Bagatellstraftaten verhängt. Das heißt, geht meistens um Menschen die "schwarzfahren" oder Ladendiebstähle begangen haben.
Aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung (PDF) von mir geht hervor, dass sich zum Stichtag 31.08.2017 insgesamt 10.245 Menschen eine Haftstrafe unter sechs Monaten absaßen. Davon waren 4700 Menschen wegen einer Ersatzfreiheitsstrafe im Gefängnis. Dabei kostet, so die Antwort der Bundesregierung weiter, ein Hafttag circa 130 Euro pro Gefangenen. Rechnet man dies auf das Jahr 2017 hoch, werden rund 200 Millionen Euro für die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen ausgegeben.
Ins soziale Abseits gedrängt
Dies ist ein problematischer Punkt. Denn der Bundesgerichtshof urteilte, dass kurze Freiheitsstrafen sehr schädlich für die Betroffenen sind (BGH 22, 199). Laut Gericht haben sie keine resozialisierende Wirkung, vielmehr werden die Betroffenen wegen ihrer Hafterfahrung ins soziale Abseits gedrängt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Betroffene nach der kurzen Haftzeit erst recht kriminell werden, ist laut Rechtswissenschaft gesteigert.
Die Vollstreckung der kurzen Freiheitsstrafen gefährden die soziale Bindung der Betroffenen und reißen sie aus der Familie und dem Berufsleben heraus – ohne den kleinsten positiven Effekt für die Gesellschaft oder für den Betroffenen. Die Bundesregierung hält, trotz massiver Kritik aus der Praxis und Wissenschaft, weiter an der schädlichen Ersatzfreiheitsstrafe fest. Denn für sie erscheint die Ersatzfreiheitsstrafe als ein "unerlässliches Mittel" zur Beitreibung von Geldstrafen. Gleichzeitig verweist die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage darauf, dass eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe Alternativen zu Ersatzfreiheitsstrafen prüfe. Offenbar fühlt man sich doch unwohl mit der Ersatzfreiheitsstrafe. Wenn man sich jedoch die Zahlen genauer anschaut, ist eine wirkliche Suche nach Alternativen nicht festzustellen. Denn die Bundesregierung, so weiter in der Antwort, unterstützt lediglich mit 130.000 Euro Projekte, die gemeinnützige Arbeit statt Freiheitsstrafe anbieten.
Bundesregierung widerspricht eigenen Zielsetzungen
Diese Relation – 200.000.000 Euro im Jahr für Ersatzfreiheitsstrafen auszugeben, aber nur 130.000 Euro in Projekte der gemeinnützigen Arbeit zu stecken – ist beschämend. Insbesondere widerspricht die Bundesregierung damit ihren eigenen Zielsetzungen, Ersatzfreiheitsstrafen zu vermeiden. Kurze Freiheitsstrafen, wie sie bei der Ersatzfreiheitsstrafe der Normalfall sind, sind abzulehnen.