Die neueste Welle der Verhaftungen von Oppositionellen, Journalisten und Wissenschaftlern durch das Erdoğan-Regime hat das Fass zum Überlaufen gebracht. So haben Beitrittsgespräche einschließlich Visaliberalisierung keinen Sinn. Deshalb haben wir uns im Europaparlament mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, die Verhandlungen einzufrieren, und fordern gemeinsam mit anderen Fraktionen Sanktionen gegen türkische Regierungsvertreter. Das sehen auch unsere Genossen aus Zypern so, die befürchten müssen, dass die Verhandlungen zur Wiedervereinigung ihrer Insel nun erheblich erschwert werden.
Nun hat Erdoğan gedroht, die Grenze für Flüchtlinge zu öffnen, denen der EU-Türkei-Deal bisher den Weg versperrt. Noch immer lassen sich Mitgliedstaaten und EU-Kommission erpressen, anstatt eine eigenständige EU-Flüchtlingspolitik zu entwickeln. Die Linksfraktion GUE/NGL im Europaparlament hat im Unterschied zu anderen Fraktionen immer wieder gefordert, diesen Deal endlich aufzukündigen. Damit macht sich die EU zum Handlanger eines Mannes, der skrupellos alles aus dem Weg räumt, was seinem autokratischen Präsidialsystem im Weg steht. Dabei ist Erdoğan alles andere als immun gegen Druck von außen. Zumindest der heftig kritisierte Entwurf eines Gesetzes, nach dem Vergewaltiger straffrei ausgehen könnten, wurde wieder kassiert. Bei all unserer Kritik an den Repressionen der türkischen Regierung gegen Menschenrechte, Meinungsfreiheit und Demokratie distanzieren wir uns aber klar von jenen, die schon immer gegen die Aufnahme der Türkei aufgetreten sind. Eine demokratische, offene und pluralistische Türkei kann ihren Platz in der EU finden. Dafür müssen wir die Türen zum Dialog unbedingt offen halten.