von Martina Renner, Sprecherin für antifaschistische Politik der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Vier Rechtsextremisten hat der Militärische Abschirmdienst enttarnt. Alles Einzelfälle, rechte Netzwerke gebe es in der Bundeswehr nicht - heißt es. Das ist kaum glaubwürdig angesichts der ganzen Reihe von Vorfällen in den letzten Jahren, bei denen Soldaten mit neonazistischen Handlungen aufgefallen sind. Die Bundeswehr und der MAD leugnen beharrlich die Ausmaße rechter und neonazistischer Tendenzen in der Truppe. Indem sie verschleiern und vertuschen riskieren sie, dass Neonazis bei der Bundeswehr Waffen, Munition und militärische Fähigkeiten sammeln und für Gewalttaten und Anschläge nutzen.
Zu den wenigen aufgeflogenen Rechtsextremen kam sich diese Woche zudem erneut ein Offizier des Kommando Spezialkräfte hinzu. Alleine beim KSK gab es in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von "Einzelfällen":
- Im April 2017 wird der Oberstleutnant Pascal D. mit einer Feier verabschiedet. Es lief Neonazirock und D., der auch einschlägig rechte Tätowierungen trägt, soll ebenso wie ein anderer anwesender Soldat den Hitlergruß gezeigt haben. Die internen Ermittlungen der Bundeswehr endeten in einer Bagatellisierung und erst das Amtsgericht Böblingen verurteilte den Offizier.
- Ebenfalls beim KSK war André S., der Berichten zufolge in Kontakt zu Franco A. stand und Chats administriert hat, deren Mitglieder sich über die Entführung und Ermordung von Linken ausgetauscht haben.
- Im Juni 2000 überfiel der ehemalige KSK-Soldat André Chladek eine Bundeswehreinheit auf einem Übungsplatz und stahl Waffen und Munition, die er für Anschläge nutzen wollte.
- Zuletzt bekannt wurde der Fall des Oberstleutnant Daniel K. Er habe im Internet rechtsextreme Inhalte verbreitet und wurde suspendiert. K.s Gesinnung ist weder für die Bundeswehr noch für die Öffentlichkeit eine Überraschung: 2007 fiel er auf, als er einem anderen Soldaten einen Drohbrief schrieb. "Ich beurteile Sie als Feind im Innern und werde mein Handeln danach ausrichten, diesen Feind im Schwerpunkt zu zerschlagen." Diesen Brief unterschieb er mit seinem Klarnamen, auch der MAD hatte seither Kenntnis von K.s Einstellung, Grund zum Handeln sah er offenbar über zehn Jahre nicht.
Die rechten Umtriebe reichen beim KSK bis ganz oben und lange zurück: Der ehemalige KSK-Kommandeur Reinhard Günzel: „Die Einsätze der ‚Brandenburger‘, der Vorläufer [...] des KSK, gelten in der Truppe als geradezu legendär. Die Operationen der Division ‚Brandenburg‘ sind Lehrbeispiele erfolgreicher Kommandoeinsätze.“ Die „Brandenburg“ war eine Eliteeinheit der Wehrmacht und an Kriegsverbrechen auf dem Balkan, in Polen und Italien beteiligt. Für den ehemaligen KSK-Chef offenbar kein Grund für Kritik. Günzel selbst wurde 2003 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt, nachdem er auf offiziellem Briefpapier eine antisemitische Rede Martin Hohmanns gelobt hatte. Eine der direkten Vorgängerorganisationen des KSK, das Fallschirmjägerbataillon 251 führte als Verbandsabzeichen eine Referenz auf die 78. Infanteriedivision der Wehrmacht.
Das KSK ist keine große Einheit, es umfasst nur rund 1.100 Soldaten. Offensichtlich geht es nicht nur um einige „Einzelfälle“, sondern ein systematisches Problem im Umgang mit Rechtsextremismus in der Truppe. Insbesondere das KSK wird als Spezialeinheit weitestgehend von der Öffentlichkeit abgeschirmt, es herrscht ein weitverbreiteter Korpsgeist, der oft verhindert, dass Vorfälle überhaupt ans Licht kommen. Vor allem fehlt aber der politische Wille zur Aufklärung und konsequentem Vorgehen: Angesichts der historisch niedrigen Rekrutenzahlen und rasant steigenden Budgets ist man im Verteidigungsministerium auf ein gutes Image bedacht, Nazi-Skandale passen nicht ins Bild. Noch schlechter und das nicht nur für’s Image wäre jedoch, wenn einige der Rechtsextremen, die bei der Bundeswehr durch das Raster rutschen ihre Gewaltphantasien tatsächlich umsetzen können.
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