Lobbyisten gehen in den Ministerien ein und aus. Sie beeinflussen Gesetzestexte und -inhalte. In der Öffentlichkeit bekommt man von den Treffen und Absprachen kaum etwas mit. Die Fraktion DIE LINKE im Bundestag hat mit einer Serie von Anfragen die Einflussnahme von Lobbyisten auf die Gesetzentwürfe der Bundesregierung erfragt. Abgeordnetenwatch.de hat die Ergebnisse aufbereitet.
88 Prozent der Vorlagen für die in der letzten Wahlperiode beschlossenen Gesetzen stammten von der Bundesregierung. Sie hat damit den größten Einfluss auf den Inhalt der Gesetze. Auch wenn die Gesetzentwürfe im Laufe der Gesetzgebung noch von der Regierungskoalition im Bundestag geändert werden, entsteht der wesentliche Teil der Entwürfe in den Bundesministerien. Dort setzt die Tätigkeit der Interessenvertreter*innen an.
Lobbyisten nehmen im Wesentlichen innerhalb und außerhalb der Verbändeanhörung bei dem Bundesministerium Einfluss, das federführend den Gesetzentwurf erstellt. Außerdem bringen sie ihre Wünsche und Forderungen in Gesprächen und Treffen mit der Arbeits- und Leitungsebene der Bundesministerien und des Bundeskanzleramtes sowie der Bundeskanzlerin ein. Trotz der Bedeutung dieser Treffen werden sie nicht transparent gemacht. Die Fraktion DIE LINKE hat deshalb zu jedem Gesetzentwurf der Bundesregierung diese Informationen abgefragt.
Was passiert in den Ministerien?
Die Bundesregierung führt zu jedem Gesetzentwurf – der heißt in diesem Stadium "Referentenentwurf" – eine Verbändeanhörung nach § 47 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) durch. Dazu versendet sie den Referentenentwurf an alle Verbände, die ihres Erachtens betroffen sind. Sie führt also vorab eine Auswahl durch. Abhängig von deren Stellungnahmen lädt sie die ausgewählten Verbände zu einer mündlichen Anhörung ein. Seltener findet bereits vor der Erstellung eines Referentenentwurfs eine Anhörung oder ein Fachgespräch mit betroffenen Verbänden statt.
Davon unabhängig finden oft Treffen mit Verbänden und Interessenvertretern im Bundesministerium statt, die die Änderung und Einflussnahme auf Inhalte von Gesetzentwürfen zum Ziel haben.
Was veröffentlicht die Bundesregierung bisher?
Seit dem 15. November 2018 veröffentlicht die Bundesregierungen die Unterlagen der Verbändeanhörung im Internet. Wie in der vergangenen (18.) Wahlperiode sind dort der jeweilige Gesetzentwurf in der Fassung vor und nach der Verbändeanhörung (Referentenentwurf/Kabinettsentwurf) einzusehen.
Laut Jan Korte, 1. parlamentarischer Geschäftsführer der LINKEN, habe die Bundesregierung damit auf die Kleinen Anfragen der LINKEN und den öffentlichen Druck reagiert. Korte hatte vor der Veröffentilchung zwei schriftliche Fragen zu den Stellungnahmen gestellt (Frage 38 von Juli 2018 und Frage 5 von November 2018). Zur erstmaligen Veröffentlichung der Stellungnahmen von Interessenvertreter*innen in der 18. Wahlperiode kam es durch die Aktion „Gläserne Gesetze“ von abgeordnetenwatch.de und FragDenStaat.de. Durch viele zeitgleiche Bürger*innenanfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz wurde damals die Herausgabe der Stellungnahmen der Interessenvertreter*innen bei den Bundesministerien erwirkt. Die Bundesregierung veröffentlichte die Lobby-Stellungnahmen zu den Referentenentwürfen schließlich selbst auf den Internetseiten der federführenden Bundesministerien.
Jan Korte, 1. parlamentarischer Geschäftsführer der LINKEN im Bundestag: "Uns reicht die bloße Veröffentlichung von Stellungnahmen nicht aus, auch wenn das ein wichtiger erster Erfolg ist. Die Bundesregierung muss in ihren Gesetzentwürfen bei den einzelnen Regelungsvorschlägen selbst ausführen, wo und vor allem auch warum sie Inhalte auf Wunsch von Interessenvertreter*innen aufgenommen hat. Erst dann genügt die Bundesregierung den Transparenzanforderungen unserer Demokratie.
Die faktische Verweigerung einer substantiellen Antwort zur genauen Einflussnahme von Lobbyisten zeigt: Die Transparenzverpflichtung für die Bundesregierung muss gesetzlich geregelt werden. Selbst auf Nachfrage hat sie nicht die Informationen geliefert, die der Bundestag und die Öffentlichkeit brauchen. Die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen fordere ich auf, die Rechte des Bundestages auf Kenntnis von Lobby-Vorgängen bei der Gesetzentwurf-Erstellung durchzusetzen und hier gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Das wäre mal ein Projekt etwa für den Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU Ralph Brinkhaus, der bisher ohne Engagement mit dem Anspruch angetreten war, das Parlament gegenüber der Bundesregierung stärker in Position zu bringen. Das wäre auch ein Dienst an der Demokratie und ein Stück Korruptionsprävention für alle im Verfahren beteiligten Stellen, vor allem auch in den Bundesministerien."
Zusätzlich zu den kleinen Anfragen hat DIE LINKE im Bundestag einen Gesetzentwurf für ein verpflichtendes Lobbyregister vorgelegt. Darin müssten sich die Lobbyisten registrieren und ihre Kontakte zur Politik offenlegen sowie angeben, wieviel Geld sie ausgibt und welche Themen sie bearbeiten. Das Gesetz beinhaltet den verpflichtenden sogenannten legislativen Fußabdruck.